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Elternzeit
Vaterzeit-Rekord in Bayern

Nirgendwo in Deutschland nutzen Männer häufiger das Recht auf Elternzeit als in Bayern - Tendenz steigend. Der Grund: Weil sie Einnahmeverluste leichter kompensieren können und weil sie häufiger den Höchstsatz bekommen.

Von Michael Watzke | 04.05.2017
    Andreas Lange mit seiner drei Monate alten Tocher Fiona beim Schmusen, aufgenommen am 17.07.2008 in Frankfurt (Oder). Der 34-Jährige Vater hat drei Monate Elternzeit genommen. Foto: Patrick Pleul +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
    Im wohlhabenden Bayern können es sich Väter mehr als anderswo leisten, in Elternzeit zu gehen, weil sie Einnahmeverluste leichter kompensieren können. (dpa / Patrick Pleul )
    Projektgespräch bei Elaboratum, einer Münchner Unternehmensberatung, die auf Digitalisierung spezialisiert ist. Am Besprechungstisch steht auch ein junger Vater.
    "Mein Name ist Jonas Klinger, ich bin 33 Jahre alt. Hab' jetzt auch seit eindreiviertel Jahren einen kleinen Sohn." Klinger, auf dessen Visitenkarte "Senior Consultant" steht, ist gerade aus seiner Vaterzeit zurück.
    "Ich hab‘ insgesamt zwei Monate Elternzeit genutzt, wie es auch bei meinen Kollegen üblich war. Wir haben hier eine schöne Möglichkeit, das in unseren Arbeitsalltag zu integrieren."
    Denn Klingers Chef Martin Rothhaar rühmt sich, keine normale Unternehmensberatung zu sein: also weder Stechuhr noch 80-Stunden-pro-Woche-Schichten. Sondern:
    "Bei Elaboratum wird das völlig anders gelebt. Bei Elaboratum kommt es nur darauf an, dass die Arbeit gemacht wird – und nicht, wann und wo die Arbeit gemacht wird."
    Zufriedenheit führe zu Produktivität
    Rothhaar sagt, ihm sei es wichtig, dass seine Mitarbeiter zufrieden sind, weil sie dann am produktivsten seien.
    "Und die Zufriedenheit ist aus unserer Sicht nur dann möglich, wenn man Beruf und Familie gut miteinander kombinieren kann. Ich glaube, dass die Unternehmen, die das mittelfristig nicht leben werden, ins Hintertreffen geraten werden."
    Nun ist es eine Sache, die klassischen zwei Vätermonate zu nehmen – so wie es in Bayern 85 Prozent der Männer tun, die Elternzeit beantragen. Das andere ist es, als Familienvater so lange Elternzeit zu nehmen wie die meisten Frauen in Bayern, nämlich ein ganzes Jahr. So wie es Stephan Bauer aus Niederviehbach bei Landshut gemacht hat: Er blieb die ersten 12 Monate mit Söhnchen Tobias daheim, während seine Frau Christa weiter arbeiten ging.
    "Meine Frau hat bei BMW gearbeitet und besser verdient als ich. Und als wir gehört haben, dass die Möglichkeit der Vaterzeit besteht, haben wir gedacht: 'Das könnten wir eigentlich ausprobieren'."
    Im Alltag klappte das reibungslos – nur Verwandten und Freunden mussten die Bauers ihre Entscheidung häufig erklären.
    "Ja, es ist schon vorgekommen, dass wir hören mussten: ‚Aber die Mama gehört doch zum Kind.‘ Sowas hat es schon gegeben. Aber Rabenmutter bin ich nicht genannt worden."
    Bayern - das Land mit den meisten Vätern in Elternzeit
    Nach einem Jahr Vaterzeit kehrte Stefan Bauer wieder an seine Stelle bei der Straßenmeisterei zurück. Seine Chefs hätten seine Entscheidung für die Familie klaglos akzeptiert.
    "Und als die Vaterzeit beendet war, bin ich wieder in meinen Job zurückgekehrt. Auf meinen Platz. Da hat es keine Probleme gegeben."
    Warum ist gerade Bayern das Land mit den meisten Vätern in Elternzeit? Bei den staatlichen Stellen gibt es dazu keine Erhebungen. Schließlich müssen Eltern ihre Anträge nicht begründen. Martin Rothhaar, der Chef der Unternehmensberatung Elaboratum, sieht einen Grund darin,
    "Das in Bayern die Branchen und die Art der Jobs, in denen Männer unterwegs sind, sehr stark technologie-affin sind. Sehr viele high potentials in Bayern. Und ich glaube, dass gerade in einer gewissen Gesellschaftsschicht und Bildungsschicht dieses Thema stark angenommen wird."
    Der Faktor Einkommen
    Hinzu kommt, dass es sich im wohlhabenden Bayern mehr Väter als anderswo leisten können, in Elternzeit zu gehen. Weil sie Einnahmeverluste leichter kompensieren können und häufiger den Elterngeld-Höchstsatz bekommen – also 1.800 Euro pro Monat. Deshalb steigt die Zahl der Elterngeld-Anträge von Vätern kontinuierlich an. Die Zahl der beantragten Monate allerdings stagniert. Weshalb Feministinnen beklagen, dass der strukturelle Nachteil von Frauen am Arbeitsmarkt bestehen bleibt; dass nämlich Arbeitgeber bei weiblichen Angestellten mit einer längeren Elternpause rechnen als bei Männern. Rothhaar sagt dazu:
    "Ich glaube einfach, dass der Mann – so emanzipiert wir alle sind – irgendwie doch immer die untergeordnete Rolle spielt bei den Kindern. Es ist einfach so. Da können wir Männer tun und lassen, was wir wollen. Wir werden nie die Mutter ersetzen können oder das so hinkriegen wie die Mütter."
    Die Frage ist, ob die meisten Mütter das ebenso sehen. Oder ob sie auf Dauer mit der Aufteilung zwölf zu zwei Monate unzufrieden sind. Denn es gilt ja – um nochmals Firmenchef Rothhaar zu zitieren:
    "Dass nur zufriedene Mitarbeiter wirklich gute Mitarbeiter sind und auch auf Dauer gute Mitarbeiter bleiben." Und das gilt schließlich für Frauen und Männer – und sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause bei den Kindern.