Seit fast vier Monaten prüft die Uefa nun schon die Unterlagen, die Deutschland und die Türkei im Rahmen ihrer Bewerbungen um die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2024 eingereicht haben. Neben Fragen der Infrastruktur und der Sicherheit spielen dabei auch die steuerlichen Ausnahmeregelungen eine Rolle, die die Nationen dem Kontinentalverband versprochen haben. Wer ein Turnier veranstalten möchte, hat keine Wahl: Er muss großzügige Steuergeschenke an milliardenschwere Organisationen wie die Uefa verteilen.
Vereint durch Fußball - mit diesem Slogan bewirbt sich der Deutsche Fußball-Bund um die Ausrichtung der Europameisterschaft 2024. Am 27. September wird das Exekutivkomitee des europäischen Fußballverbandes Uefa entscheiden, ob das Turnier an Deutschland vergeben wird oder an die Türkei, den einzigen anderen Bewerber. Im März wurden die Bewerbungsunterlagen überreicht, in denen der DFB die eigenen Vorzüge feiert. Allerdings enthält das 1600-Seiten-Werk auch ein paar Kapitel enthalten, über die weder der Deutsche Fußball-Bund noch die Bundesregierung gerne öffentlich reden wollen.
Massive Steuererleichterungen
Die Uefa fordert nämlich Regierungsgarantien, massive Steuererleichterungen zum Beispiel, wie Regierungssprecher Steffen Seibert einräumt: "Ein Teil der Bewerbung sind, das ist überhaupt nicht unüblich, im Gegenteil das ist völlig üblich, hier wie anderswo, sind die so genannten Regierungsgarantien, in denen die Bundesregierung dem Ausrichter, der Uefa in verschiedenen Bereichen Kooperationsbereitschaft zusichert. Diese Regierungsgarantien sind gegeben worden.
Der Vorgang wird als Selbstverständlichkeit verkauft. Im Rahmen einer kleinen Anfrage der FDP hat die Regierung eingeräumt, in den vergangenen 20 Jahren zwölf mal derartige Steuererleichterungen für Veranstalter großer Wettbewerbe genehmigt zu haben. Laut Gesetz ist das möglich, wenn ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt. Frank Schäffler, der für die Freien Demokraten im Bundestag sitzt, ist trotzdem empört.
"Mich ärgert im Wesentlichen die Pharisäerhaftigkeit der GroKo. Denn wenn man sonst immer gegen die Googles und die Amazons dieser Welt sich beklagt, die würden keine Steuern bezahlen, aber gleichzeitig einem kommerziellen Sportbetreiber Steuerfreiheit einfach so gewährt, dann verwundert mich das. Das ist eine kommerzielle Veranstaltung, die machen Milliardenumsätze, Milliardengewinne", meint Schäffler.
Bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich nahm der Kontinentalverband 1,9 Milliarden Euro ein, rund 800 Millionen blieben als Gewinn. Befreit von den üblichen Steuern, die andere Unternehmen bei solchen Geschäftszahlen abführen müssten. Und offenkundig hat die Uefa deutlich gemacht, dass eine Nation, die die geforderten Zugeständnisse ganz oder in Teilen verweigert, keine Chance auf den Zuschlag hat.
Wettbewerb um staatliche Zugeständnisse
Reinhard Grindel, der Präsident des Deutschen-Fußball-Bundes, deutete schon im Februar auf der Sportbusinessmesse 'SpoBis' an, dass es vor der Abgabe der Bewerbungsunterlagen eine Art Wettbewerb um die größeren staatlichen Zugeständnisse mit der Türkei und dem dortigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gab.
"Bei allen Staatsgarantien, die die Uefa verlangt. ist mein Eindruck so, dass Herr Erdogan auch im großen Stil geneigt ist, diese zu unterstützen. Da haben wir natürlich mit unserer Bundesregierung schwierigere Diskussionen, weil wir nur das als Staatsgarantien nur das bekommen können, was insbesondere nach den Steuergesetzen zulässig ist", so Grindel.
Für die Uefa ist das eine sehr komfortable Situation. Durch die gesetzlichen Spielräume in Erdogans Autokratie lassen sich die Deutschen unter Druck setzen. Erstaunlich unverhohlen sogar. In ihrer Pressemitteilung nach der Bid Book-Abgabe der Türken zitiert die Uefa Yıldırım Demirören, den Chef des Nationalen Türkischen Fußballverbandes, mit einem zentralen Satz: Die Türkei verspreche "eine noch nie da gewesene staatliche Unterstützung, alle Garantien wurden ohne jeden Vorbehalt gegeben, inklusive einiger zusätzlicher Garantien, die den wirtschaftlichen Erfolg des Turniers absichern werden."
Kein Wunder, dass auch Deutschen der Uefa möglichst jeden Wunsch erfüllen wollen. Was genau der Uefa tatsächlich versprochen wurde, kann aber nicht einmal ein Bundestagsabgeordneter wie Frank Schäffler in Erfahrung bringen: "Es sind reine Geheimverhandlungen, die dort stattgefunden haben, da ist nichts an die Öffentlichkeit gedrungen, auch nicht, was jetzt das Paket ist, das man anbietet bei der Bewerbung."
"Wir sind völlig gläsern"
Dabei sollte das Verfahren eigentlich maximal transparent sein. Nach all den bis heute nicht endgültig geklärten Vorgängen rund um die Vergabe der Weltmeisterschaft von 2006 an Deutschland, wurde Transparency International als Begleiter für den Bewerbungsprozess hinzugewonnen. Und noch im Februar hat DFB-Chef Grindel verkündet: "Wir sind völlig gläsern, was unsere Bewerbungsschritte angeht, es wird dieses Bid Book auch im Internet veröffentlicht werden."
Bisher ist das nicht passiert. Weil die Uefa das Werk nicht freigegeben habe, teilt der DFB auf Nachfrage mit. Komplett dürfe das Bid Book ohnehin nicht publiziert werden, weil es sensible Details enthalte. Geschäftsgeheimnisse der Stadionbetreiber und Sicherheitsfragen, die der Geheimhaltung unterliegen. So wie nach Aussage der Bundesregierung auch die Steuerfragen. Die exakte Ausgestaltung der Vergünstigungen fällt laut Finanzministerium unter das Steuergeheimnis.
Sportpolitischen Hinterzimmerpolitik
Die Ära der sportpolitischen Hinterzimmerpolitik ist also noch längst nicht vorbei. Ändern könnte das die Europäische Union, glaubt FDP-Politiker Schäffler: "Die Uefa ist Teil des europäischen Wirtschaftsraumes, und sie muss sich an europäische Regeln halten. Deshalb ist das eine Aufgabe der EU, hier Druck auszuüben, dass die Uefa nicht einzelne Länder gegeneinander ausspielt."
Im Ringen der Interessen um die Austragung des Turniers scheint der deutsche EM-Slogan "United by Football" demnach grandios ins Leere zu laufen.