Die Organisatoren der UEFA teilten bei einem Medientermin mit, dass es bei dem Turnier keine Stehplätze geben wird. Fanbündnisse hatten auf eine andere Entscheidung gehofft, nachdem die UEFA 2022 in der Champions League und den anderen Europapokal-Wettbewerben das seit 1998 gültige Verbot von Stehplätzen zumindest für eine testweise Zulassung ausgesetzt hatte. Unter anderem in Deutschland dürfen Fans im von der UEFA ausgerichteten Europapokal stehen. Bei der ebenfalls von der UEFA veranstalteten EURO 2024 in Deutschland gilt das jedoch nicht.
Fanbündnis kritisiert: "Es ist eine verpasste Chance"
Das europäische Fanbündnis Football Supporters Europe (FSE) teilte auf Anfrage des Deutschlandfunks mit, dass es die Entscheidung bedaure. "Es ist eine verpasste Chance - in einem Land, das seit Jahrzehnten bewiesen hat, dass Stehplätze bei Fußballspielen absolut sicher sind", krtisierte FSE. "Stehplätze sind ein integraler Bestandteil der Fußballkultur und den Fans sollte die Möglichkeit gegeben werden, zwischen Sitz- und Stehplätzen zu wählen."
Die Testphase zur möglichen Wiedereinführung von Stehplätzen im Europapokal, die für die Saison 2023/24 verlängert wurde, begrüßte FSE ausdrücklich und formuliert das Ziel: "Wir werden weiterhin auf die Wiedereinführung in allen UEFA-Wettbewerben hinarbeiten."
UEFA: Gerechte Aufteilung der Stehplätze ist schwierig
Die UEFA führte organisatorische Fragen zur Begründung an, warum es keine Stehplätze geben wird:
- Die Stadien in Deutschland haben meist eine große Fankurve für die Heimmannschaft und einen kleineren Gästeblock, was eine gerechte Aufteilung der potenziellen Stehplätze zwischen den Teams erschwere, sagte Martin Kallen, Geschäftsführer des veranstaltenden Tochterunternehmens "UEFA Events SA".
- Ein entsprechender Umbau sei mit hohen Kosten für die UEFA verbunden, das Ergebnis müsse dann für die Bundesliga zurückgebaut werden. "Das wollen auch die Stadionbetreiber nicht", sagte Kallen.
- Nicht alle Länder wollen Stehplätze haben, die Nachfrage sei nicht bei allen teilnehmenden Teams gegeben, sagte Kallen.
- Zudem sei in Gesprächen mit der UEFA "die Polizei dagegen gewesen", sagte Kallen, ohne eine genaue Behörde den Gesprächen zuzuordnen.
DFB-Präsident Neuendorf: "Hätte mich gefreut, wenn Stehplätze möglich gewesen wären"
Später äußerte sich DFB-Präsident Bernd Neuendorf zum Thema. "Wir machen in Deutschland sehr gute Erfahrungen mit Stehplätzen und ich hätte mich gefreut, wenn dieses Angebot für Fans auch bei der EURO 2024 möglich gewesen wäre", sagte Neuendorf einer DFB-Mitteilung zufolge. "Gleichzeitig haben die Fans für künftige Turniere eine wichtige Diskussion angestoßen. Wir werden dieses Anliegen der Wiedereinführung seitens des DFB weiterhin in den Gesprächen mit der UEFA und deren Verantwortlichen transportieren."
Kartenpreise veröffentlicht - die EM wird auf den meisten Plätzen teurer
Von den teilnehmenden Teams steht bislang nur Deutschland als Gastgeber fest, die drei Gruppenspiele der deutschen Mannschaft finden laut UEFA in München (14. Juni), in Stuttgart (19. Juni) und Frankfurt (23. Juni) statt. Die beiden Verbände gaben am Dienstag (12.09.2023) die Eintrittskartenpreise bekannt.
Vorteil: Es wird im Vergleich zur EM 2021 eine günstigere Preiskategorie mit dem Namen "Fans first" über das gesamte Turnier geben, dabei geht es um Plätze im Unterrang hinter den Toren. Bei der EM 2021 galt diese nur im Halbfinale und im Endspiel, 2024 wird es sie das ganze Turnier über geben. Gruppenspiele beispielsweise kosten dann 30 Euro statt zuletzt 50 Euro.
Nachteil: Für die Allgemeinheit ist die Kategorie nur schwer zugänglich. Ein Großteil steht den 24 teilnehmenden Nationalverbänden zu, die sie dann auf ihre Fans verteilen. Im Fall der deutschen Mannschaft versorgt der "Fanclub Nationalmannschaft" seine Mitglieder damit. Für alle anderen Fans ist also nur ein kleiner Teil der Karten im Bereich "Fans first" verfügbar, die 380.000 der insgesamt 2,7 Millionen Tickets ausmachen. So bleibt für viele Fans nur die Möglichkeit, auf die drei anderen regulären Kategorien auszuweichen. Und da gibt es teils erhebliche Preissteigerungen im Vergleich zu 2021 oder 2016, vor allem im Achtelfinale und im Viertelfinale. Die UEFA verwies darauf, das eine Million Tickets für 60 Euro und weniger zur Verfügung stehen werden.
Der Verkauf der Karten beginnt am Tag der deutschen Einheit, dem 3. Oktober 2023, und läuft zunächst bis zum 26. Oktober. Bei dieser Verkaufsphase werden die Tickets der Nachfrage entsprechend wahrscheinlich verlost werden müssen, es gibt maximal vier pro Person. Wer gegen wen spielt, wissen die Fans da noch nicht. Am 2. Dezember werden in Hamburg die Gruppen der Mannschaften ausgelost, danach wird es eine weitere Verkaufsphase geben. Von den 2,7 Millionen Tickets gehen 1,2 Millionen in den freien Verkauf, eine Million geht an die Nationalverbände, 500.000 verbleiben bei der UEFA, ihren Sponsoren, Partnern und Funktionären.
Gruppenphase:
- "Fans first": 30 Euro (2021: nicht vorhanden, 2016: 25 Euro)
- Kategorie 3: 60 Euro (50 Euro, 55 Euro)
- Kategorie 2: 150 Euro (125 Euro, 105 Euro)
- Kategorie 1: 200 Euro (185 Euro, 145 Euro)
Eröffnungsspiel:
- "Fans first": 50 Euro (2021: nicht vorhanden, 2016: 75 Euro)
- Kategorie 3: 195 Euro (75 Euro, 195 Euro)
- Kategorie 2: 400 Euro (145 Euro, 395 Euro)
- Kategorie 1: 600 Euro (225 Euro, 595 Euro)
Achtelfinale:
- "Fans first": 50 Euro (2021: nicht vorhanden, 2016: 25 Euro)
- Kategorie 3: 85 Euro (50 Euro, 55 Euro)
- Kategorie 2: 175 Euro (125 Euro, 105 Euro)
- Kategorie 1: 250 Euro (185 Euro, 145 Euro)
Viertelfinale:
- "Fans first": 60 Euro (2021: nicht vorhanden, 2016: 45 Euro)
- Kategorie 3: 100 Euro (75 Euro, 85 Euro)
- Kategorie 2: 200 Euro (145 Euro, 135 Euro)
- Kategorie 1: 300 Euro (225 Euro, 195 Euro)
Halbfinale:
- "Fans first": 80 Euro (2021: 85 Euro, 2016: 65 Euro)
- Kategorie 3: 195 Euro (195 Euro, 165 Euro)
- Kategorie 2: 400 Euro (345 Euro, 295 Euro)
- Kategorie 1: 600 Euro (595 Euro, 495 Euro)
Finale:
- "Fans first": 95 Euro (2021: 95 Euro, 2016: 85 Euro)
- Kategorie 3: 300 Euro (295 Euro, 295 Euro)
- Kategorie 2: 600 Euro (595 Euro, 595 Euro)
- Kategorie 1: 1.000 Euro (945 Euro, 895 Euro)
Fans im Rollstuhl erhalten die günstigste Kategorie und können eine Begleitperson gratis mitnehmen.
Am oberen Ende der Preisliste hat die UEFA zudem eine Premium-Kategorie eingeführt. Plätze auf Höhe der Mittellinie kosten 50 bis 133 Prozent mehr als der reguläre Preis von Kategorie 1. Tickets für die VIP-Plätze sind schon im Verkauf, dort sind Karten für mehrere Tausend Euro verfügbar. Wer beispielsweise alle sechs Spiele im Berliner Olympiastadion aus der sogenannten "Platinum Lounge" aus verfolgen will, muss inklusive Mehrwertsteuer 25.263,70 Euro bezahlen.
Günstiger wird zumindest die Anreise, wenn Fans das Auto stehen lassen: Die Karten sollen laut UEFA als Fahrkarten im öffentlichen Nahverkehr gelten. Zudem können Fans mit EM-Tickets vergünstigte Fahrkarten beim EM-Sponsor Deutsche Bahn erwerben, die Anreise und die Abreise im ICE soll für jeweils 29,90 Euro (2. Klasse) zu haben sein.
UEFA erwartet Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro
Die UEFA peilt mit den Tickets Einnahmen von 300 Millionen Euro ohne die VIP-Karten an. Das Ziel bei den Gesamteinnahmen aus TV-Rechten, Tickets, VIP-Karten und Sponsoring beläuft sich laut Turnierchef Kallen auf 2,3 Milliarden Euro. In Frankreich nahm die UEFA mit Tickets 270 Millionen Euro ein, die Gesamteinnahmen beliefen sich auf mehr als 1,9 Milliarden Euro.
Die EM 2021 fand wegen der Coronavirus-Pandemie mit Einschränkungen für Fans in den Stadien statt. Die Ticketeinnahmen beliefen sich deshalb auf nur 149 Millionen Euro. Das damals ausgegebene Ziel bei den Gesamteinnahmen von 2,1 Milliarden wurde mit knapp weniger als 1,9 Milliarden etwas unterschritten.
Stehplatzkultur europaweit zurückgedrängt, in Deutschland blieb sie erhalten
Im Zuge der Katastrophen von Heysel in Belgien 1985 mit 39 getöteten Menschen und Hillsborough 1989 mit 97 Toten wurden die Stehplätze in der Politik als mitursächlich betrachtet, obwohl später bauliche Zustände der Stadien, die Organisation oder das Versagen von Polizei und Sicherheitskräften als Gründe ermittelt wurden.
In England verschwanden die Stehplätze aus den Stadien nach dem sogenannten "Taylor Report" im britischen Parlament. Dieser Bericht eines Parlamentariers enthielt mit Blick auf Hillsborough als Hauptforderung die vollständige Beseitigung aller Stehplatzbereiche. Die UEFA übernahm 1998 dieses Prinzip für internationale Spiele.
In Deutschland blieben Stehplätze im Ligabetrieb vor allem durch den Protest der organisierten Fanszenen erhalten. Für die Fans sind sie ein Ort der Begegnung, an dem man sich anders bewegen kann als auf Sitzplätzen. Von den Stehplätzen geht die Stimmung aus, niedrigere Preise als auf den Sitzplätzen ermöglichen zudem finanziell schwachen Menschen den Stadionbesuch.
Die bislang letzte Männer-EM mit Stehplätzen war die EM 1992
Neben den Spielen in München bei der EM 2021 war Deutschland im Männerfußball zuvor Gastgeber der WM 2006, die ausschließlich mit Sitzplätzen stattfand. Bei der EM 1988 und der WM 1974 gab es noch Stehplätze bei Turnieren in Deutschland. Letztmals Stehplätze bei einem großen Turnier im Männerfußball gab es bei der EM 1992 in Schweden.
Der DFB richtete auch bei den Frauen mehrere Turniere aus. Bei der EM 2001 gab es zahlreiche Stehplätze bei den Spielen, bei der EM 1989 sowieso. Die WM 2011 wurde ausschließlich mit Sitzplätzen ausgetragen.