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Emotionsforschung
Macht mehr Geld glücklicher?

Der Zusammenhang von Reichtum und Glück treibt Sozialwissenschaftler seit Jahrzehnten um. Jetzt hat der mathematische Ökonom Christian Bayer vom Hausdorff Center for Mathematics der Universität Bonn das Forschungsfeld um einen neuen Ansatz bereichert. Und das Ergebnis seiner Studie ist überraschend eindeutig.

Von Anja Arp | 22.10.2015
    Ein Modell des Brandenburger Tores steht am Montag (02.04.2007) in Berlin auf einem Monopoly-Brettspiel inmitten von Karten, Würfeln und Spielgeld-Scheinen.
    Monopoly-Spiel: Ob viel Geld im wirklichen Leben glücklich macht, das haben Forscher jetzt neu untersucht. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Macht Geld glücklich?
    "Ja", sagt Professor Christian Bayer.
    "Ja. Es gibt einen direkten Zusammenhang. Der, so vermuten wir, allerdings über Konsum geht. Das können wir allerdings nicht messen im sozioökonomischen Panel, weil wir dort keine Konsumausgaben haben."
    Das Ergebnis der neuen Studie ist durchaus ungewöhnlich. Denn bislang galt in der Glücksforschung die Erkenntnis: Geld allein macht nicht glücklich. So steigt zum Beispiel trotz größerem Wohlstand das subjektive Glücksempfinden der Deutschen nicht an. "Wir sind nicht auf der Welt, um das Brutto-Inlandsprodukt zu steigern", lautet denn auch das Credo von Karlheinz Ruckriegel Professor für Makro-Ökonomie, Psychologie und Glücksforschung an der Technischen Hochschule Nürnberg:
    "Der Satz ist deshalb so wichtig, um zu zeigen, dass es nicht primär um das Materielle geht, wenn die materiellen Grundbedürfnisse abgedeckt sind. Das ist wichtig, dass wir uns überlegen, worauf sollte man sich eigentlich konzentrieren im Leben, wenn es einem darum geht, ein zufriedenes glückliches Leben zu führen. Wir wissen aus der Ökonomie, dass ja die Grundfrage ist, dass man mit knappen Ressourcen ein Höchstmaß an Zielreichung dadurch erreicht. Und die knappen Ressourcen für Menschen sind die Zeit - und insofern muss man sich überlegen, wie man seine 24 Stunden so einsetzt, damit das gelingt. Und das mit dem Brutto-Inlandsprodukt ist halt ein Satz zum Nachdenken, dass man nicht meint, man könnte, wenn man sich primär auf das Materielle auf das Einkommen konzentriert, zu erwarten, dass man danach ein zufriedenes glückliches Leben führen würde."
    "Dauerhaftes Einkommen macht glücklich"
    Angela Bieder, Diplom-Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Uni Bochum stößt in das gleiche Horn:
    "Wir behandeln auch Patienten am Forschungszentrum für psychische Gesundheit und oftmals wenden sich ja schon Leute auch an uns, die auch nicht sagen, ich brauche jetzt eigentlich mehr Geld, sondern die sagen ich bin unglücklich, geben sie mir mehr Zufriedenheit. Ich glaube schon, dass so ein Wandel auch eingesetzt hat. Und wir zum Beispiel auch in der Psychologie wirklich auch immer auf das Individuum gucken und uns wirklich auch mit subjektiven Indikatoren auch beschäftigen."
    Die Untersuchung der beiden Professoren aus NRW kommt zu einem etwas anderen Schluss:
    "Das Ergebnis ist, dass Einkommenssteigerungen dann, wenn sie dauerhaft sind, glücklicher machen. Wenn sie nur vorübergehend sind, einen vernachlässigbaren Effekt auf die Lebenszufriedenheit haben."
    Christian Bayer erklärt, woher die neuen Ergebnisse kommen, die sich von der bisherigen Glücksforschung unterscheiden:
    "Wir finden einen etwas stärkeren Effekt von Einkommen auf die Lebenszufriedenheit als andere Kollegen. Der Effekt, den wir finden, ist etwa doppelt so stark. Das liegt eben daran, dass wir diese Unterscheidung machen zwischen vorübergehenden und dauerhaften Einkommensveränderungen. Dabei bauen wir auf Ergebnissen aus der Konsumforschung auf, insbesondere Arbeiten, die ein bisschen zurück auf Angus Deaton gehen, dem Nobelpreisträger dieses Jahres. Die zeigen, dass dauerhafte Einkommensveränderungen sich sehr deutlich auf das Konsumverhalten von Haushalten auswirken. Und nicht dauerhafte Einkommensveränderungen kaum im Konsum Niederschlag finden. Die dafür entwickelten Methoden, um das herauszuarbeiten, wenden wir jetzt in dieser Studie zur Lebenszufriedenheit an und finden eben sehr ähnliche Ergebnisse."
    Das ist sozusagen der Kernbeitrag der neuen Studie: Die Wissenschaftler haben eine Methodik aus dem Bereich der Konsumforschung auf die Glücksforschung übertragen.
    Einmalzahlungen wirken sich nicht auf das Glücksempfinden aus
    "Unsere Arbeit basiert auf Daten des sozioökonomischen Panels, hauptsächlich. Im sozioökonomischen Panel werden Haushalte, einzelne Haushaltsmitglieder befragt und insbesondere auch darüber, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Antworten auf einer Skala von 0 bis 10. Und auch das Einkommen der Haushalte wird erfragt. Wir schätzen nun den Effekt von Einkommen auf diese Antworten auf dieser Skala von 0 bis 10. Und benutzen in unserer ökonomischen Schätzung diesen Teil der Einkommensveränderungen um Lebenszufriedenheitsveränderungen zu erklären."
    Umgekehrt wird offenbar auch ein Schuh daraus: Einmalzahlungen und Provisionen scheinen sich demnach nicht auf das subjektive Glücksempfinden auszuwirken.
    "Für Einkommensveränderungen, die nicht dauerhaft sind, die im nächsten Jahr wieder sich umkehren, also zum Beispiel Bonuszahlungen, da finden wir keinen deutlichen Zusammenhang."
    Der Volkswirt und mathematische Ökonom aus Bonn hat dafür eine Erklärung parat:
    "Weil die dauerhaften Einkommensveränderungen nicht durch Sparentscheidungen abgefangen werden können, setzen sie sich deutlich in Konsum um. Das wissen wir aus den Studien anderer Kollegen. Und unsere Vermutung ist, dass eben durchaus materielle Bedingungen wichtig sind für die Lebenszufriedenheit. Also Konsum ist wichtig für die Lebenszufriedenheit. Dauerhaft höheres Einkommen macht dauerhaften höheren Konsum. Also sind die Leute dauerhaft zufriedener, wenn ihr Einkommen dauerhaft höher ist."
    "Beschäftigung an sich macht nicht glücklich"
    In der bisherigen Literatur zum Thema Glücksforschung spielt der Faktor Einkommen eher eine geringe Rolle. Wichtiger für die Zufriedenheit gilt demnach zum Beispiel, ob ein Mensch überhaupt Beschäftigung hat.
    "Wenn ich jetzt über eine wirtschaftspolitische Maßnahme nachdenke, die, sagen wir mal die Arbeitslosigkeit senkt, aber die Einkommen derer, die typischerweise von Arbeitslosigkeit betroffen sind, gleichzeitig absenkt. Dann würde die alte Literatur sagen: Das ist eine gute Maßnahme. Die Leute arbeiten jetzt. Und dass sie weniger verdienen ist egal. Unsere Studie würde sagen: Na, Vorsicht. Das Absenken des Einkommens hat durchaus einen negativen Effekt auf die Lebenszufriedenheit der Leute. Und dass die Leute mehr arbeiten, macht sie nicht unbedingt glücklicher."
    Stellt die Studie also die bisherige Literatur ein bisschen auf den Kopf?
    "Ja. In dem Sinne, dass wir denken, dass Mehrarbeit eben nicht glücklich macht, Beschäftigung an sich nicht glücklich macht. Sondern die Verbesserung der materiellen Bedingungen, die einhergehen mit zusätzlicher Beschäftigung, die machen glücklicher. Insofern würde man auf der Basis unserer Ergebnisse durchaus sagen: Ziel von hoher Beschäftigung ist gut. Aber nicht, weil Beschäftigung an sich gut ist. Sondern weil damit mehr Einkommen verbunden ist, mehr Konsum, bessere materielle Bedingungen."
    Was dennoch bleibt, ist die Frage, ob mehr Konsum auch wirklich immer jeden glücklicher machen muss. Wie hieß es doch am Anfang:
    "Und das mit dem Brutto-Inlandsprodukt ist halt ein Satz zum Nachdenken, dass man nicht meint, man könnte, wenn man sich primär auf das Materielle auf das Einkommen konzentriert zu erwarten, dass man danach ein zufriedenes glückliches Leben führen würde."