Freitag, 29. März 2024

Archiv

Empörung über Gerichtsurteil
Keine dritte Startbahn in Wien

Vor einer Woche hat das österreichische Bundesverwaltungsgericht entschieden: Am Flughafen Wien-Schwechat darf keine dritte Start- und Landebahn gebaut werden. Der Klimaschutz wiege schwerer als Wirtschaftsinteressen - so die Begründung. Die Empörung aus Politik und Wirtschaft ist seitdem groß.

Von Ralf Borchard | 17.02.2017
    Passagiermaschinen auf dem Flughafen Wien.
    Passagiermaschinen auf dem Flughafen Wien. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine weitere Startbahn genehmigt. (dpa/ picture alliance/ Jens Wolf)
    Überrascht hat das Urteil Befürworter wie Gegner. Nie zuvor hat ein Gericht in Österreich den Klimaschutz über ein großes Bauvorhaben gestellt. Manche Experten sagen, es sei das erste Urteil dieser Art weltweit. Der Schaden durch mehr Treibhausgase sei höher zu bewerten als der Nutzen für die Wirtschaft – so hatte das Bundesverwaltungsgericht den Stopp für die dritte Start- und Landebahn am Flughafen Wien begründet. Julian Jäger, Vorstand der Flughafen Wien AG ist empört:
    "Das ist nicht nachvollziehbar, denn der Luftverkehr wird ja trotzdem wachsen. Die Nachbarflughäfen Prag, Bratislava, Budapest, München, die können sich schon die Hände reiben, denn der Luftverkehr wird eben dort wachsen und nicht in Wien in der Zukunft."
    Thomas Schäffer, Betriebsratsvorsitzender am Flughafen stößt ins gleiche Horn:
    "Das Bundesverwaltungsgericht stellt die Sicherung von Ackerland über die des Jobmotors Flughafen Wien. Eine Million Passagiere mehr bedeuten tausend neue Arbeitsplätze. Und ich frage mich, was es wichtigeres geben kann als für die Zukunft unserer Kinder neue Arbeitsplätze zu schaffen."
    Und der Verkehrswissenschaftler Sebastian Kummer von der Universität Wien betont:
    "Ich glaube, das ist das vollkommen falsche Signal. Wir kämpfen im Augenblick in Österreich für Arbeitsplätze, wir kämpfen darum, dass die Unternehmen ihre Hauptsitze für Central und Eastern Europe, also für Mittel- und Osteuropa hier lassen, wir kämpfen darum, dass UNO- oder auch EU-Institutionen jetzt durch den Brexit nach Wien kommen. Und alle diese Institutionen brauchen einen Flughafen."
    Jubel bei Umweltschützern
    Ganz anders die Reaktion von Umweltschützern. Hier überwiegt der Jubel. Erika Wagner vom Institut für Umweltrecht der Universität Linz sagt:
    "Ich halte dieses Urteil für richtig und einen revolutionären Schritt in Sachen Klimaschutz."
    Auch das Arbeitsplatzargument sieht Johannes Wahlmüller von der Initiative Global 2000 auf Seiten des Klimaschutzes:
    "Das Gericht hat sehr sorgfältig öffentliche Interessen abgewogen und hat gesehen, dass Österreich besonders vom Klimawandel betroffen ist. Es hat eben abgewogen, dass Arbeitsplätze im Tourismus in Gefahr sind, dass Ernteeinbrüche in der Landwirtschaft drohen und hat eben gesagt, der Schutz vor Klimagefahren, der ist eben höher zu bewerten als eine verbesserte Fluginfrastruktur in Ostösterreich. Und wir sehen das als eine ganz große Chance auch für Österreich, weil wir jetzt die Möglichkeit haben, wirklich nachhaltige Mobilitätsangebote wie die Bahn auszubauen und auch dort Arbeitsplätze zu schaffen."
    Flughafen Wien will alle verbleibenden Rechtsmittel ausschöpfen
    Aus den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sind auch Stimmen zu hören, hier hätten Richter schlicht ihre Kompetenz überschritten und sich in die Politik eingemischt - diese müsse entscheiden, wo Österreich Schwerpunkte setze, etwa um die Verpflichtungen aus dem Klimaschutzabkommen von Paris zu erfüllen. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer gibt allerdings zu bedenken, dass der Umweltschutz eben auch gesetzlich verankert sei:
    "Man hat sich einfach nicht überlegt, was es bedeutet, wenn man auf einen nachhaltigen Umweltschutz und auf Schutz der Lebensgrundlagen und so weiter in der Verfassung verweist. Dann muss man damit rechnen, dass ein Gericht das ernst nimmt und im Zweifel bei so einer Abwägung eben diesen Kriterien den Vorrang einräumt."
    Der Flughafen Wien will alle verbleibenden Rechtsmittel ausschöpfen. Am Ende entscheidet womöglich tatsächlich das Verfassungsgericht.