Elke Durak: Vom heftigen Gaspreisstreit zwischen der Ukraine und Moskau, der ja auch ein politischer vor allem war, bleibt mancherlei als Rückstand. Zum einen ist die Erkenntnis in Erinnerung gerufen worden, wie fragil Energieversorgung sein kann. Und dann haben wir hier in Deutschland eine neu entfachte Debatte um unsere künftige Energiepolitik, um die Energiesicherheit. In den letzten Tagen hatten die Energieversorger sehr beruhigend auf die Kunden eingewirkt, haben gesagt, es ist genug Gas da, macht euch keine Sorgen. Frage ist, wie lange hielte das dem Wiederholungsfalle stand und wie schauen Energieversorger auf politische Unwägbarkeiten. Würden sie zum Beispiel auch gerne getroffene Vereinbarungen überdenken? Professor Utz Claassen ist am Telefon. Er ist Vorstandsvorsitzender der Energie Baden-Württemberg AG, kurz EnBW, drittgrößtes Energieunternehmen. Herr Claassen, inwieweit war denn EnBW betroffen von dem Streit?
Utz Claassen: Also, unmittelbar sind wir ja nun nicht mehr betroffen worden. Wann wir hätten getroffen werden können, bleibt mal dahingestellt. Aber um das, was Sie einleitend ja gefragt haben, klar zu beantworten, ein ausgewogener und nicht von einzelnen Energiequellen abhängiger Energiemix ist natürlich immer zu bevorzugen. Und die ganze Diskussion, die wir im Moment erleben, zeigt ja, wie - ja, ich will mal sagen - heuchlerisch bei uns manche Debatten geführt werden. Wir steigen aus der Kernenergie aus. Das ist auch erlaubt. Wir wollen das Kyoto-Protokoll erfüllen, das ist äußert wünschenswert. Und dann wundern wir uns, dass wir von einzelnen Energieträgern wie Gas deutlich stärker abhängig werden. Denn, das darf ja gesagt sein, der Kernenergieausstieg führt dazu, dass wir insbesondere vom Energieträger Gas deutlich stärker abhängig werden. Denn wenn wir das Kyoto-Protokoll noch erfüllen wollen, dann dürften wir rein rechnerisch theoretisch gar keine neuen Kohlekraftwerke in unserem Land mehr in Betrieb nehmen.
Durak: Herr Claassen, Sie sind ja, EnBW, wie andere Energieunternehmen, mit ausgestiegen. 2001 gab es den ersten Ausstieg, dann Novellen dazu. Ihr Kernkraftwerk Obrigheim ist vom Netz daraufhin. Würden Sie denn die Laufzeiten Ihrer beiden anderen Kernkraftwerke Philippsburg, Neckarwestheim gerne verlängern?
Claassen: Also ich glaube, zum einen steht ja außer Frage: Man hält sich an das, was man vereinbart, verhandelt, beschlossen, unterschrieben hat, und man ist gesetzestreu, keine Frage. Von daher gilt der Kernenergiekonsens für uns. Aber niemand auf der Welt ist ja gehindert, zu lernen und aus dem Lernfortschritt auch seine Konsequenzen für Gesetzeswerke und für Vertragswerke zu ziehen. Und zwei Dinge werden doch heute ganz anders diskutiert und gesehen, als noch vor vier, fünf Jahren. Das ist einmal das Thema Klimaschutz. Wir alle sehen, wie intensiv der Klimawandel global ist. Die Buchstaben eines Alphabets reichen nicht mehr aus, um die nordatlantischen tropischen Wirbelstürme einer einzigen Saison zu kategorisieren. Und der Klimawandel heißt, wir müssen deutlich weniger CO2 emittieren, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Der Kernenergieausstieg führt aber kurz- und mittelfristig gerade zu einer deutlichen Mehremission an CO2, nämlich etwa 140 Millionen Tonnen pro Jahr. Zweiter Punkt, der heute ganz anders diskutiert wird, als vor vier oder fünf Jahren, sind die Energiepreise, weil sich bestimmte globale Entwicklungen im Bereich Ölpreise, Gaspreise, Kohle anders entwickelt haben, als man das gedacht hat. Und auch da ist es natürlich so, dass der Vollzug des Kernenergieausstieges so, wie er bisher vereinbart ist, zu einem deutlich zweistelligen prozentualen Erzeugungskostenanstieg führen wird. Um es also kurz zu machen: Wenn man sich vernünftigen Preisen für die Kunden und dem Klimaschutz verpflichtet fühlt, dann wird man nicht umhinkommen, über Modifikationen, über eine Modernisierung des Kernenergiekonsenses nachzudenken.
Durak: Also würden Sie für EnBW gern auch die beiden Kernkraftwerke länger laufen lassen als 2018, Philippsburg und Neckarwestheim 2021, wenn es politische Vereinbarungen gäbe?
Claassen: Im Sinne Umwelt und im Sinne der Kunden wäre es dringend wünschenswert, über eine Verlängerung der Laufzeiten nachzudenken. Übrigens gerade die, die den Kernenergiekonsens wollten und wollen, sind nach meinem Empfinden gut beraten, an seiner Modernisierung mitzuwirken, um ihn zukunftsfähig zu machen.
Durak: Herr Claassen, noch einmal zurück zu EnBW. Sind Sie denn, ist Ihr Unternehmen abhängig von Energieimporten?
Claassen: Mittelbar sind wir alle in irgendeiner Form abhängig von Energieimporten, zum Teil auch unmittelbar. Wir haben bei uns zum Beispiel große Kohleimporte für die Steinkohlekraftwerke, die wir betreiben. Natürlich wollen auch die Kernkraftwerke entsprechend mit Brennelementen versorgt sein. Wir beliefern auch Kunden mit Gas. Also keine Frage, wir sind wie jeder andere große Energiekonzern und auch wie jedes andere Energieunternehmen sowohl mittelbar als auch unmittelbar von Importen von Energieträgern abhängig. Aber wir sind nicht im großen Umfang Nettoimporteur von Strom, auch das gilt ja für die Republik in Summe. Wir erzeugen ja in der Bundesrepublik im großen und ganzen das, was wir verbrauchen, im Lande, aber natürlich auf Basis von Energieträgern, die wir importieren.
Durak: Herr Claassen, wenn Sie davon gesprochen haben, dass ein Überdenken des Ausstiegs aus der Kernkraft sich bindet eigentlich an den Klimawandel, an den Emissionsschutz und auch an Energiepreise, hat das mit Wärme zunächst einmal nichts zu tun, denke ich. Verstehe ich Sie dabei richtig, mit Wärmelieferung, wie es hier im Zusammenhang mit dem Gasstreit sich gezeigt hat, oder?
Claassen: Nein das, was ich gesagt habe, bezieht sich zunächst mal auf die Stromproduktion. Und allein da gilt das auch schon. Und um es vielleicht auch noch einmal fokussierter zu sagen, es ist eine Frage, ob wir die Gesetze der Chemie, der Physik und der Ökonomie respektieren. Denn die Gesetze der Chemie, der Physik und der Ökonomie besagen, dass, wenn wir die CO2-Emissionen reduzieren wollen -und das müssen wir, um ein lebenswertes Fortbestehen auf unserem Planeten zu sichern - und wenn wir gleichzeitig die Energiepreise in einem vertretbaren Rahmen halten wollen, dass wir dann zumindest temporär an der Kernenergie und wohl auch an einer Laufzeitverlängerung nicht vorbeikommen werden. Und ganz viele andere Länder in der Welt haben das auch schon erkannt. Es ist ja so, dass zahlreiche große Kernkraftwerke global im Bau sind oder in der Planung. Davon redet hierzulande niemand. Es geht ausschließlich um eine Modifizierung des Kernenergiekonsenses vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse.
Utz Claassen: Also, unmittelbar sind wir ja nun nicht mehr betroffen worden. Wann wir hätten getroffen werden können, bleibt mal dahingestellt. Aber um das, was Sie einleitend ja gefragt haben, klar zu beantworten, ein ausgewogener und nicht von einzelnen Energiequellen abhängiger Energiemix ist natürlich immer zu bevorzugen. Und die ganze Diskussion, die wir im Moment erleben, zeigt ja, wie - ja, ich will mal sagen - heuchlerisch bei uns manche Debatten geführt werden. Wir steigen aus der Kernenergie aus. Das ist auch erlaubt. Wir wollen das Kyoto-Protokoll erfüllen, das ist äußert wünschenswert. Und dann wundern wir uns, dass wir von einzelnen Energieträgern wie Gas deutlich stärker abhängig werden. Denn, das darf ja gesagt sein, der Kernenergieausstieg führt dazu, dass wir insbesondere vom Energieträger Gas deutlich stärker abhängig werden. Denn wenn wir das Kyoto-Protokoll noch erfüllen wollen, dann dürften wir rein rechnerisch theoretisch gar keine neuen Kohlekraftwerke in unserem Land mehr in Betrieb nehmen.
Durak: Herr Claassen, Sie sind ja, EnBW, wie andere Energieunternehmen, mit ausgestiegen. 2001 gab es den ersten Ausstieg, dann Novellen dazu. Ihr Kernkraftwerk Obrigheim ist vom Netz daraufhin. Würden Sie denn die Laufzeiten Ihrer beiden anderen Kernkraftwerke Philippsburg, Neckarwestheim gerne verlängern?
Claassen: Also ich glaube, zum einen steht ja außer Frage: Man hält sich an das, was man vereinbart, verhandelt, beschlossen, unterschrieben hat, und man ist gesetzestreu, keine Frage. Von daher gilt der Kernenergiekonsens für uns. Aber niemand auf der Welt ist ja gehindert, zu lernen und aus dem Lernfortschritt auch seine Konsequenzen für Gesetzeswerke und für Vertragswerke zu ziehen. Und zwei Dinge werden doch heute ganz anders diskutiert und gesehen, als noch vor vier, fünf Jahren. Das ist einmal das Thema Klimaschutz. Wir alle sehen, wie intensiv der Klimawandel global ist. Die Buchstaben eines Alphabets reichen nicht mehr aus, um die nordatlantischen tropischen Wirbelstürme einer einzigen Saison zu kategorisieren. Und der Klimawandel heißt, wir müssen deutlich weniger CO2 emittieren, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Der Kernenergieausstieg führt aber kurz- und mittelfristig gerade zu einer deutlichen Mehremission an CO2, nämlich etwa 140 Millionen Tonnen pro Jahr. Zweiter Punkt, der heute ganz anders diskutiert wird, als vor vier oder fünf Jahren, sind die Energiepreise, weil sich bestimmte globale Entwicklungen im Bereich Ölpreise, Gaspreise, Kohle anders entwickelt haben, als man das gedacht hat. Und auch da ist es natürlich so, dass der Vollzug des Kernenergieausstieges so, wie er bisher vereinbart ist, zu einem deutlich zweistelligen prozentualen Erzeugungskostenanstieg führen wird. Um es also kurz zu machen: Wenn man sich vernünftigen Preisen für die Kunden und dem Klimaschutz verpflichtet fühlt, dann wird man nicht umhinkommen, über Modifikationen, über eine Modernisierung des Kernenergiekonsenses nachzudenken.
Durak: Also würden Sie für EnBW gern auch die beiden Kernkraftwerke länger laufen lassen als 2018, Philippsburg und Neckarwestheim 2021, wenn es politische Vereinbarungen gäbe?
Claassen: Im Sinne Umwelt und im Sinne der Kunden wäre es dringend wünschenswert, über eine Verlängerung der Laufzeiten nachzudenken. Übrigens gerade die, die den Kernenergiekonsens wollten und wollen, sind nach meinem Empfinden gut beraten, an seiner Modernisierung mitzuwirken, um ihn zukunftsfähig zu machen.
Durak: Herr Claassen, noch einmal zurück zu EnBW. Sind Sie denn, ist Ihr Unternehmen abhängig von Energieimporten?
Claassen: Mittelbar sind wir alle in irgendeiner Form abhängig von Energieimporten, zum Teil auch unmittelbar. Wir haben bei uns zum Beispiel große Kohleimporte für die Steinkohlekraftwerke, die wir betreiben. Natürlich wollen auch die Kernkraftwerke entsprechend mit Brennelementen versorgt sein. Wir beliefern auch Kunden mit Gas. Also keine Frage, wir sind wie jeder andere große Energiekonzern und auch wie jedes andere Energieunternehmen sowohl mittelbar als auch unmittelbar von Importen von Energieträgern abhängig. Aber wir sind nicht im großen Umfang Nettoimporteur von Strom, auch das gilt ja für die Republik in Summe. Wir erzeugen ja in der Bundesrepublik im großen und ganzen das, was wir verbrauchen, im Lande, aber natürlich auf Basis von Energieträgern, die wir importieren.
Durak: Herr Claassen, wenn Sie davon gesprochen haben, dass ein Überdenken des Ausstiegs aus der Kernkraft sich bindet eigentlich an den Klimawandel, an den Emissionsschutz und auch an Energiepreise, hat das mit Wärme zunächst einmal nichts zu tun, denke ich. Verstehe ich Sie dabei richtig, mit Wärmelieferung, wie es hier im Zusammenhang mit dem Gasstreit sich gezeigt hat, oder?
Claassen: Nein das, was ich gesagt habe, bezieht sich zunächst mal auf die Stromproduktion. Und allein da gilt das auch schon. Und um es vielleicht auch noch einmal fokussierter zu sagen, es ist eine Frage, ob wir die Gesetze der Chemie, der Physik und der Ökonomie respektieren. Denn die Gesetze der Chemie, der Physik und der Ökonomie besagen, dass, wenn wir die CO2-Emissionen reduzieren wollen -und das müssen wir, um ein lebenswertes Fortbestehen auf unserem Planeten zu sichern - und wenn wir gleichzeitig die Energiepreise in einem vertretbaren Rahmen halten wollen, dass wir dann zumindest temporär an der Kernenergie und wohl auch an einer Laufzeitverlängerung nicht vorbeikommen werden. Und ganz viele andere Länder in der Welt haben das auch schon erkannt. Es ist ja so, dass zahlreiche große Kernkraftwerke global im Bau sind oder in der Planung. Davon redet hierzulande niemand. Es geht ausschließlich um eine Modifizierung des Kernenergiekonsenses vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse.