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Endgültiger Abschied von der D-Mark

Zagatta: Donnerstag, den 28. Februar haben wir heute, kein gewöhnlicher Tag, denn heute heißt es, endgültig Abschied zu nehmen von der D-Mark. Die alten Münzen und Scheine werden zwar auch weiterhin bei den Landeszentralbanken umgetauscht. Als Zahlungsmittel aber verschwindet die Mark. Die Verpflichtung des Handels, unser altes Geld noch anzunehmen, läuft heute nämlich aus. Nahezu die Hälfte der Deutschen - so eine Umfrage - wünscht sich die Mark zurück. Ob das normal ist oder schon eine ziemliche Unzufriedenheit mit dem Euro ausdrückt, das wollen wir jetzt Ernst Welteke fragen, den Präsidenten der Bundesbank in Frankfurt. Guten Morgen Herr Welteke!

28.02.2002
    Welteke: Schönen guten Morgen.

    Zagatta: Herr Welteke, der letzte Tag der Mark, der Abschied von der D-Mark, kommt da bei Ihnen auch ein bisschen Wehmut auf oder sehen Sie das heute ganz geschäftsmäßig?

    Welteke: Wir befassen uns ja in der deutschen Bundesbank seit vielen Jahren mit der Einführung des Euro und es hat immer wieder Daten gegeben, die uns einen Schritt weiter gebracht haben. So ist ja der Euro am 1. 1. 1999 bereits als Buchgeld eingeführt worden. Am 1. September vergangenen Jahres haben wir die neuen Geldscheine öffentlich vorgestellt. Am 17. Dezember haben wir mit der Ausgabe der Münzen begonnen, am 1. Januar mit der Ausgabe der Scheine. Nun ist dieser 28. Februar das Datum, an dem die D-Mark endgültig ihre Funktion als Zahlungsmittel verliert, ein Datum in einer ganzen Reihe. Eine gewisse Wehmut kommt dabei natürlich auf, denn wir Deutschen verabschieden uns ja von einer Währung, die an die Rolle eines nationalen Symbols gerückt war und da fällt es besonders schwer.

    Zagatta: Haben Sie Verständnis, dass die Hälfte der Bevölkerung der Mark noch nachtrauert, wenn man Umfragen glauben darf?

    Welteke: Ich weiß nicht, ob diese Umfragen das Meinungsspektrum wirklich wiedergeben. Ich habe eher das Gefühl, dass die Macht des Faktischen jetzt wirkt und die Menschen langsam Vertrauen in die neue Währung fassen, wobei wir allerdings immer noch die D-Mark-Preise in unseren Köpfen haben und uns erst an die neuen Preise gewöhnen müssen. Aber man kann das durchaus verstehen, weil sich wie ich eingangs schon sagte mit der D-Mark ja doch eine Geschichte verbindet, etwa der Wiederaufstieg Deutschlands. Wir haben zweimal im vergangenen Jahrhundert den Verlust aller Geldwerte gehabt und so hat sich eine ganz besondere Beziehung zur D-Mark entwickelt.

    Zagatta: Spielt da vielleicht auch mit, dass mit dem Euro vieles teurer geworden ist? Kommen dort vielleicht die Vorbehalte gegen die neue Währung her?

    Welteke: Das ist im Augenblick eine Wahrnehmung, weil zum Teil Güter des täglichen Bedarfs, die man täglich einkauft, wie zum Beispiel Gemüse und Lebensmittel teilweise auch witterungsbedingt im Januar teurer geworden sind. Statistisch schlägt sich das auf den Lebenshaltungskostenindex kaum nieder. Wir hatten im Januar einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,1 Prozent in Deutschland und liegen jetzt im Februar wieder deutlich darunter. Das wird aber halt so wahrgenommen, als hätten sich die Preise überall oder vielfach erhöht, und die Preissenkungen werden kaum kommuniziert und werden kaum wahrgenommen. Das hält sich aber in etwa die Waage und da man die tägliche Erfahrung mit Preiserhöhungen macht glaubt man, insgesamt sei alles teurer geworden. Das mag dann natürlich auch ein wenig Vertrauensprobleme bereiten.

    Zagatta: Aber täuscht denn dieser Eindruck? Verbraucherzentralen berichten ja über Tausende von Beschwerden.

    Welteke: Nein, das ist nicht korrekt. Die deutsche Verbraucherzentrale hat gerade dieser Tage darauf hingewiesen, dass der Anteil der Produkte, bei denen es Preiserhöhungen gibt, im gesamten Warenkorb, an dem der Verbraucherpreisindex gemessen wird, nur einen kleinen Teil ausmacht und dass man nicht davon reden kann, dass die Lebenshaltungskosten insgesamt durch die Preisumstellung drastisch gestiegen wären. Das müsste sich ja auch inzwischen im Verbraucherpreisindex niederschlagen. Wir machen aber gemeinsam mit dem statistischen Bundesamt eine sorgfältige Untersuchung bei über 800 Produkten mit mehreren Tausend Preisreihen, um genau festzustellen, was denn umstellungsbedingte Preiserhöhungen gewesen sind.

    Zagatta: Herr Welteke, als um die Einführung des Euro gestritten wurde, da ist in Deutschland ja immer wieder gefordert worden, der Euro müsse genauso stark werden wie die Mark. Haben Sie dieses Ziel noch vor Augen, oder kann man jetzt ganz gut damit leben, dass der Euro im Vergleich mit dem Dollar im Moment eine relativ weiche Währung ist?

    Welteke: Moment mal! Erst einmal haben wir als Notenbank die Aufgabe, die Kaufkraft im Inneren zu sichern, und die durchschnittliche Inflationsrate seit Einführung des Euro betrug rund zwei Prozent, während die Inflationsrate in der 50jährigen Geschichte der D-Mark 2,8 Prozent pro Jahr betrug. So gesehen ist der Euro schon heute ein Erfolg, denn er war in dieser Zeit - das kann man noch nicht mit den 50 Jahren der D-Mark vergleichen - stabiler als die D-Mark im Durchschnitt der 50 Jahre. Hinzu kommt: diese Stabilität gab es nicht nur für uns Deutsche, sondern für 300 Millionen Europäer. Was den Außenwert des Euro, vergleichen mit dem Außenwert der D-Mark gegenüber dem Dollar angeht, so ist der seit gut anderthalb Jahren relativ stabil. Schwankungen der D-Mark gegenüber dem Dollar hat es in der Vergangenheit in noch größerem Ausmaß gegeben. Erinnern Sie sich vielleicht, dass 1995 ein Dollar 1,36 D-Mark kostete und 1985 3,46 D-Mark. Vor allen Dingen gibt es durch die Einführung des Euro keine Wechselkursschwankungen mehr innerhalb der Europäischen Währungsunion.

    Zagatta: Herr Welteke, haben Sie als Privatmann selbst noch D-Mark, die Sie jetzt noch los werden müssen?

    Welteke: Nein, ich muss keine mehr los werden, aber ich habe mir natürlich einige Erinnerungsstücke aufgehoben.

    Zagatta: Dann fällt er Ihnen leicht, der Abschied von der D-Mark. Das war der Bundesbankpräsident Ernst Welteke. - Herr Welteke, schönen Dank für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio