Er wollte alles und bekam immerhin sehr vieles (hin). Zum Beispiel ein eigenes Festspielhaus, in dem ausschließlich seine Stücke liefen und laufen - jedes Jahr, nur diesen Sommer nicht; daran ist ein sattsam bekanntes Virus schuld.
Richard Wagner wurde 1813 in Leipzig geboren und starb 1883 in einem opulenten Palazzo in Venedig. Dazwischen lag ein wildes Leben - auf mehreren Ebenen. Mit der ehelichen Treue nahm er es nicht so genau, als politischer Hitzkopf wurde er steckbrieflich gesucht und flüchtete in die Schweiz. Die Liebe zur Frau eines Gönners inspirierte ihn zu "Tristan und Isolde", ein Beinahe-Schiffbruch - so wird vermutet - zum "Fliegenden Holländer".
Götter, Zwerge und Drachen
Seine ersten Werke atmeten noch das Kolorit der Zeit, doch mit dem "Holländer", "Tannhäuser" und "Lohengrin" schuf er eigenständige Stücke mit neuen Klangmischungen und Bühneneffekten, die ihm bis heute niemand nachmachte. Der vierteilige "Ring des Nibelungen" ist ein Opernmarathon voller Liebesdramen, Machtkämpfe, Intrigen. Dabei spielen nicht nur Menschen, sondern auch Götter, Zwerge und Drachen eine wichtige Rolle. Märchenhaft und für Kinder ist das jedoch nicht, sondern eine ziemlich brutale Abrechnung unter anderem mit dem Kapitalismus wie Wagner ihn erlebte: Er, der zeitlebens schnorrte und sich von König Ludwig II. Festspielhaus und Opern bezahlen ließ.
In der "Götterdämmerung" brennt am Ende alles, und es gibt es vielleicht einen Neuanfang. Beim "Tristan" geht das Liebespaar gemeinsam in einen vielleicht glücklichen Tod - das Jenseits ist allerdings ein von Schopenhauers Denken beeinflusstes Nirvana-Gebilde. Der "Parsifal" hingegen bietet eine eigenwillig christlich gedeutete Erlösungshoffnung an. Das machte den einstigen Superfan und Anti-Christentümler Nietzsche verrückt. Buddha und Jesus wollte Wagner auch noch verarbeiten, doch dies gelang ihm nicht mehr.
Musik wie eine Droge
So sehr manche gerne und immer wieder in die Wagner-Wonne-Welten abtauchen, so suspekt bleibt anderen das alles. Zweifellos ist Wagner jedoch ein Gravitationszentrum: Er schuf völlig Neues und Bleibendes. Zum Beispiel die unendliche Melodie, eine so vorher noch nie gehörte Leitmotivik und das Gesamtkunstwerk - darunter versteht man eine Symbiose aus Text, Musik, Bühne.
Gelesen klingen seine zum Teil stabreimigen Texte oft klappernd und knorrig, doch in Verbindung mit dem Gesamtklang funktionieren sie perfekt. Vieles an Wagners Musik wirkt wie eine Droge, mal überwältigend aufregend, mal hypnotisch verführend.
Filmische Bühnenästhetik
In unserer Zeit wirkt die von Wagner erfundene, regelrecht filmische Bühnenästhetik natürlich nicht mehr avantgardistisch. Ein Problem vieler Inszenierungen ist der Umgang mit Pathos und den mythischen Figuren. Eine Zeit lang sah man Obergott Wotan meist mit einer Aktentasche umherstreifen, Machtdramen in der Konzernzentrale - so etwas verkleinert die Sache leider arg. Eine gut gemachte Überzeichnung dagegen, die mit Witz und ohne Zerstörungswut arbeitet, überzeugt da deutlich mehr.
In Israel ist Wagner nach wie vor tabuisiert. Einerseits, weil er sich vor allem in seiner Schrift "Das Judenthum in der Musik" klar antisemitisch äußerte. Damit hob er sich leider nicht von vielen Zeitgenossen ab und gab außerdem seinem Hass auf jüdische Kollegen, von denen er selbst finanziell und auch künstlerisch profitiert hatte, breiten Raum. Andererseits weil Hitler ein fanatischer Wagnerianer war und den Bayreuther "Grünen Hügel" fast schon als zweites Zuhause empfand. Für Ersteres kann Wagner viel, für Letzteres jedoch nichts.