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Endlich mal erklärt
Was ist gute Museumsarchitektur heute?

Das Guggenheim Museum in Bilbao oder das Getty Center in Los Angeles: Die internationale Museums-Architektur ist in den vergangenen Jahrzehnten von spektakulären Bauten geprägt worden. Doch ob die Ausstellungsgebäude funktionieren, hängt von anderen Faktoren ab.

Von Christian Gampert | 29.03.2021
Guggenheim Museum im spanischen Bilbao
Guggenheim Museum im spanischen Bilbao - wie fügt sich dieser Bau in die Umgebung ein? (dpa / picture alliance / Zoonar - Kristof Bellens)
Zwei Fragen entscheiden heute im Wesentlichen über die Qualität von Museumsbauten. Zum einen die Frage: Wie fügt sich das Gebäude in Stadtbild oder Landschaft ein? Und zum anderen: Nutzt es der Kunst? Wie gut lassen sich Kunstwerke in diesem Bau präsentieren? Sind die Räume flexibel, geben sie Licht – oder dienen sie nur der Selbstrepräsentation einer Institution?
Bei der Einbettung von neuen Museen in einen vorgegebenen städtischen Raum gibt es diverse gelungene, aber auch abschreckende Beispiele. Unerreicht ist Renzo Pianos Flachbau für die "Fondation Beyeler" in Riehen bei Basel, ein Museum - eigentlich - mitten auf einer Kuhweide, nun aber umgeben von einem kleinen Park und garniert von Seerosenteichen. Kein Protz, reine Funktion – und wenn man aus den unterschiedlich bespielbaren Kunst-Räumen hinausgeht an die lange Glasfront und sich auf ein Sofa setzt, hat man einen meditativen Blick hinaus in die Landschaft.
Nicht ganz so überzeugend ist Renzo Pianos Lösung für das "Zentrum Paul Klee" in Bern, weil das Leitmotiv der Welle, des Wellen-Dachs, das den geschwungenen Bau in der hier noch sanften Alpenlandschaft prägt, fast schon zu dominant ist. Immerhin wurde aber auch hier, direkt hinter einer Autobahn, so etwas wie ländliche Abgeschiedenheit erreicht.

Lieber bescheiden bleiben

Sehen wir einmal von jenen Architekten ab, die sich selbst durch extravagante bauliche Skulpturen ein Denkmal setzen wollten – also Zaha Hadid, Frank Gehry, Rem Koolhaas und anderen. Und lassen wir die Frage beiseite, ob die heute vor sich hinrostende Fabrik-Architektur des Centre Pompidou wirklich ein Signet der Postmoderne ist oder nicht. Fragen wir lieber nach dem städtebaulichen Nutzwert eines Museums – jenseits des City Brandings, der Corporate Identity, des Werbeeffekts für die Stadt. Dabei wird man sehen, dass die bescheideneren Lösungen oft die besseren sind.
Die kubische Klarheit der Graphischen Sammlung, die Katharina und Wilfrid Steib entwarfen, ist in Stuttgart jedenfalls museumstauglicher als die eher selbstzweckhaften Spielformen, die James Stirling sich für die 1984 eröffnete Neue Staatsgalerie ausgedacht hat. Und Peter Zumthors Bregenzer Kunsthaus, dessen mit Glasplatten verkleideter Baukörper die wechselnden Farben des Bodensees spiegelt, ist seit der Inbetriebnahme 1997 ein ebenso originelles Bauwerk wie Richard Meiers "Museum Frieder Burda", das – ganz in Weiß, wie immer bei Meier – in Baden-Baden im Park an der Lichtentaler Allee steht. Beide Gebäude bieten zudem großartige Ausstellungsräume – bei Zumthor sind es vier sakrale, leere, flache Stockwerke mit Kunst- und Oberlicht, bei Meier kathedralenhohe Räume mit Glasfassaden. Beide Architekturen sind unaufdringlich in die Stadt integriert und bieten auch im Außenraum, auf den Vorplätzen, Möglichkeiten für Kunst-Aktionen, Diskussionen und Feste.
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Der Trend aber geht zu anderem – zum Farblos-Gigantomanen. Der bis auf ein paar Gucklöcher zur Stadt völlig abgeschlossene Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel des Büros Christ und Gantenbein (sie heißen wirklich so) wirkt - auch wegen der klobigen eisernen Tore - von außen wie eine Reprise der Stammheimer Strafanstalt, nur dass innen imperiale Treppenhäuser eine gewisse Großzügigkeit simulieren. Das gleiche Büro baute in Zürich hinterm Bahnhof einen ähnlich weiträumigen Bunker für das Schweizer Nationalmuseum. Für das Vitra-Museum in Weil am Rhein schichteten die Basler Architekten Herzog/de Meuron mehrere barackenartige Bauten übereinander, die innen aber ganz funktional sind; in Colmar bauten sie für das Unterlinden-Museum eine Art säkulare Kirche mit ziegelsteinbewehrter Fassade.

Chipperfield als Global Player

Wer über Museums-Architektur redet, kommt um David Chipperfield nicht herum. Er ist DER Global Player, auch wenn die Stadionarchitekten Gerkan, Marg und Partner kürzlich die großzügig am Friedrichsplatz gelegene neue Mannheimer Kunsthalle errichten durften, die den Grundriss der Quadratestadt Mannheim aufnimmt. Chipperfield mit seinen zahnstocherartigen Kolonnadenbauten aber hat sowohl das Marbacher Literaturmuseum der Moderne hoch über dem Neckar als auch - nur als Beispiel - die James-Simon-Galerie in Berlin gebaut, die unter erheblichem technischem Aufwand zwischen Pergamon- und Neuem Museum eng an den Spreekanal gequetscht wurde. Davor hatte er schon das Neue Museum, den Stüler-Bau, mit einer "ergänzenden Wiederherstellung" zu einer Attraktion gemacht. In Zürich wird demnächst am Heimplatz Chipperfields "neues Kunsthaus" eröffnet werden, das die Ausstellungsfläche des gesamten Kunsthaus-Komplexes fast verdoppelt. Dafür mussten allerdings auch zwei Turnhallen aus der Gründerzeit abgerissen werden.
Chipperfield baut zwar im Grunde immer das gleiche Gebäude - im Stil einer antiken-inspirierten Moderne - passt sich aber den jeweiligen Erfordernissen der Kunst-Präsentation geschmeidig an. Im "Literaturmuseum der Moderne" verlegte er die Ausstellungssäle wegen der Lichtempfindlichkeit der Exponate gleich ganz unter Tage. Bei den Kunstmuseen schafft er unterschiedlich große Räume, um den Kuratoren variable Ausstellungs-Formate zu ermöglichen. Zudem gibt er Foyers und Begegnungsräumen gebührende Bedeutung.

Es werde Licht – aber welches?

Der heutige Museums-Architekt muss, neben vielen logistischen Feinheiten wie Behinderten-Freundlichkeit, Außendämmung und Belüftung, vor allem Fragen der Beleuchtung bedenken: Kunstlicht oder natürliches Licht? Moderne Museen erfordern beides. Gedimmtes Kunstlicht für die Graphik, große Räume mit natürlichem Licht für die Malerei; wechselnde Lichtmöglichkeiten für Skulptur und Performance, abgedunkelte Boxen (oder nur Monitore) für die Videokunst. Wenn man ehrlich ist, bleibt der White Cube die überzeugendste Lösung für die moderne Kunst. Da große Oberlichtsäle (wie in der Gründerzeit) kaum noch gebaut werden und Licht von oben vor allem in Shedhallen-ähnlichen Gebäuden wie der Tübinger Kunsthalle genutzt wird, findet man in den meisten neuen Museen wenigstens teilweise große Fenster, daneben aber auch reine Innenräume.
Entwürfe, die für die Bedürfnisse des heutigen Museumsbetriebs nachhaltige Lösungen finden und die Gebäude zudem originell in die Stadt einbetten, sind etwa das Kunstmuseum Stuttgart am Königsplatz oder der 2017 eröffnete neue Flügel des Tel Aviv Museum of Art. In Stuttgart baute das Berliner Büro Hascher/Jehle einen glasverkleideten Würfel, der nachts subtil beleuchtet dem Blick des Flaneurs ockergelbe Innenmauern aus Natursteinen freigibt, die die eigentlichen Museumsräume umkleiden. Zudem nutzt das Museum unterirdisch einen ehemaligen Autotunnel als Ausstellungsraum.
Eine spektakuläre bauliche Lösung bietet der amerikanische Architekt Preston Scott Cohen mit dem - einerseits wie ein Segel hoch aufragenden, andererseits wie ein Stollen tief in den Boden gebohrten - neuen Flügel des Tel Aviv Museum of Art. Über endlos nach unten führende Rolltreppen gelangt man in eine Kathedrale der Kunst, die neben Cafés und Buchhandlung zwei riesige Ausstellungshallen und viele Stockwerke mit mittelgroßen Sälen bietet. Wer in diesen Räumen die Eröffnungs-Ausstellung mit Werken von Anselm Kiefer gesehen hat, wird das nicht mehr vergessen.