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Endlich wieder in Lohn und Brot

Alters - und Langzeitarbeitslosigkeit liegen in keinem anderen Land der erweiterten EU so weit über der allgemeinen Arbeitslosenquote wie in Deutschland. Auch finden immer weniger Jugendliche Ausbildungsplätze. Dabei hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs schon im Jahre 2000 auf dem EU-Gipfel in Lissabon eine erste gesamteuropäische Beschäftigungsstrategie verabschiedet. Mit ehrgeizigen Zielen.

Von Anat Kalman | 13.04.2006
    " Ja, bei Deichmann bin ich seit 1998. Ich war dreiundfünfzig. Deshalb hab’ ich auch zunächst nur einen Einjahresvertrag bekommen Was mich irgendwie gestört hat ... (lacht) ... aber es hat sich dann doch gezeigt, dass die Wahl wohl sehr gut war. Das hab’ ich von manchen Stellen dann auch gehört. Auch von der obersten Stelle, der Geschäftsführung, was einen dann ja auch freut. Und es hat sich wirklich so dargestellt, dass ich auch etwas bewegen konnte. "

    Der heute 61-jährige Informatiker Karl Eckstein hatte Glück. Er war nur knapp ein halbes Jahr arbeitslos, bevor ihm die Firma Deichmann einen Neuanfang ermöglichte. Und er ist sich bewusst, dass er eine Ausnahme ist. Denn immer noch beherrschen viele Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern den Arbeitsmarkt: Inflexibel seien sie; sie könnten sich nicht unbedingt in junge Teams integrieren und seien vor allem viel zu teuer.

    Wie gewaltig die Arbeitslosigkeit gerade unter älteren Arbeitnehmern ist, zeigt die Erwerbslosenstatistik des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung: In Deutschland haben nur 41,8 Prozent aller erwerbsfähigen Personen zwischen 55 und 64 Jahren Arbeit.

    Alters - und Langzeitarbeitslosigkeit liegen in keinem anderen Land der erweiterten EU so weit über der allgemeinen Arbeitslosenquote wie in Deutschland. Auch finden immer weniger Jugendliche Ausbildungsplätze. Über fünf Millionen Menschen warten zurzeit in Deutschland auf eine Möglichkeit, wieder erwerbstätig werden zu können. Und in der erweiterten EU sind es insgesamt 18 Millionen.

    Dabei hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs schon im Jahre 2000 auf dem EU-Gipfel in Lissabon eine erste gesamteuropäische Beschäftigungsstrategie verabschiedet - kurz EBS genannt. Mit ehrgeizigen Zielen, wie der Wirtschaftsexperte Arnim Schäfer vom Max Plank Institut für Gesellschaftsforschung in Köln erklärt.

    " Also es ist nicht die EU, die eine Politik verfolgt, sondern es ist der Versuch, nationale Arbeitsmarktpolitiken aufeinander abzustimmen, gemeinsame Ziele zu verabreden und dann zu sehen, wie die einzelnen Mitgliedsstaaten die Ziele umsetzen. Ganz wichtig sind die Beschäftigungsquoten zu steigern. Das Ziel ist, bis 2o1o siebzig Prozent Beschäftigungsquote zu haben und bei Frauen mindestens sechzig Prozent. Es gibt auch ein Ziel für ältere Arbeitnehmer. Da versucht man mindestens fünfzig Prozent Beschäftigungsquote zu erreichen. Aber auch den Abbau von geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Entlohnung, eine schnellere Vermittlung von Arbeitslosen. Eine bessere Eingliederung von vor allen Dingen Jugendlichen, die nun zum ersten Mal auf den Arbeitsmarkt kommen. Das sind eine Reihe von Zielen, die es gibt. "

    Europaweit werden seit 2001 eine Reihe unterschiedlicher Pilotprojekte ausprobiert. Unterstützt von einzelnen Unternehmen, von den Arbeitsämtern, Industrie -und Handelskammern und Förderbanken. Dazu zählen Senkungen von Sozialabgaben und Unternehmenssteuern wie in Großbritannien, Steuersystemvereinfachung wie in Estland, staatliche Auszeichnungen für arbeitsfördernde Unternehmenspolitik wie in Deutschland, Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit heraus wie zum Beispiel in Portugal. Des weiteren: eine neue Form von Zeitarbeit und Antidiskriminierungsrichtlinien.

    In all diesen Initiativen, die immer noch diskutiert werden und deren Effizienz zurzeit noch untersucht wird, geht es vor allem um eins: um eine vollkommene Umstrukturierung von Arbeitsverständnis und Arbeitszusammenhängen. Berufsqualifizierung, lebenslanges Lernen, Alter, Arbeitsplatzwechsel und Aufstiegschancen müssen anders definiert werden. Dabei - so Arnim Schäfer - stößt man jedoch schon innerhalb der EU auf große Unterschiede im Ansatz.

    " Die Grundidee der europäischen Beschäftigungsstrategie ist, dass die Politik natürlich Einfluss nehmen kann und dass man von erfolgreichen Staaten lernen kann. Allerdings beobachten wir in der Realität, dass der Transfer von Wissen und erfolgreichen Maßnahmen von einem Staat auf den anderen sehr, sehr schwierig ist. Weil es gewachsene Traditionen gibt, und da stößt man oft an eine Grenze. "

    So lässt sich zum Beispiel der viel niedrigere Kündigungsschutz von Großbritannien nicht einfach auf Deutschland übertragen. Denn er ist Teil eines Arbeitsmarktes, in dem vom Arbeitnehmer vor allem allgemeine Qualifikationen verlangt werden. Ziel dabei: sie sollen es ihm ermöglichen, sehr schnell in den unterschiedlichsten Bereichen einsetzbar zu sein. Während der deutsche Arbeitsmarkt von seinem Arbeitnehmer eine bestimmte Berufsausbildung und unternehmensspezifische Erfahrungen verlangt, die ihn für einen fest definierten Arbeitsbereich qualifizieren.

    Ganz dem deutschen Verständnis vom "gesicherten" Arbeitsplatz entspricht darum das Modell Deichmann. Unter dem Motto: ein Unternehmen muss dem Menschen dienen - sowohl dem Kunden als auch den Mitarbeitern - setzt sich der Schuhfabrikant Heinz-Horst Deichmann schon seit Jahrzehnten für eine christlich motivierte Unternehmenspolitik ein, die den einmal eingestellten Mitarbeitern den Arbeitsplatz unbefristet garantiert. Heinz-Horst Deichmann meint hierzu:

    " Ich sage das nicht aus Überheblichkeit heraus, aber weil das so ist und weil wir auch umsatzmäßig ein starkes Wachstum hatten, dadurch fühlen sich unsere Mitarbeiter sehr wohl bei Deichmann. Sie wissen, ihr Arbeitsplatz ist von der Firma her gesehen in Ordnung, und da wird nicht daran gedacht, irgendwo Personal zu entlassen, um die Gewinne noch mehr zu steigern. "

    Dies ist möglich, weil der Konzern ein Produkt verkauft, dessen Nachfrage nicht nachlässt. Aber auch, weil er an der Tradition eines mittelständischen Familienunternehmens festhält und auf langsames, und vor allem eigenfinanziertes Wachstum im In- und Ausland setzt. Börsenspekulationen, Shareholder-Values, hochdotierte Vorstandsmanager und reine Gewinn- und Geldpolitik nach angelsächsischem Vorbild haben hier keinen Platz.

    " Wir sind nicht an die Börse gegangen, oder wir haben auch nie daran gedacht, weil wir die Unabhängigkeit unseres Unternehmens über alles geschätzt haben. Und ich möchte einfach nicht in Händen von irgendwelchen Geldhaien oder von fremden Bankleuten oder sonst wie sein. Ich habe mich nie drum gekümmert, wie hoch ist eigentlich der Gewinn des Unternehmens, sondern: ist das alles in Ordnung, kommen die Kunden zu uns, wächst der Umsatz, sind die Leute zufrieden. Das hat uns bewegt, und siehe da, wir sind doch auf diese Weise immerhin das größte Schuhunternehmen hier in Europa geworden. "

    Dass solide Personalpolitik und angemessenes Wachstum keinen Widerspruch darstellen, beweisen die Zahlen. Die Deichmann-Gruppe ist weltweit in zwölf Ländern vertreten. Mit rund 22.ooo Mitarbeitern in 2ooo Filialen. Bislang hat sie keine Arbeitsplätze abgebaut. Stattdessen aber im letzten Jahr in Deutschland wieder 1800 neue Arbeitsplätze und 600 Ausbildungsplätze geschaffen. Darum steht Deichmann für ein Modell, dem sich nun eine Reihe von Firmen anschließen.

    Im Februar dieses Jahres wurden von der Initiative Beschäftigung des Bundesministeriums für Arbeit sechs weitere deutsche Unternehmen für Projekte ausgezeichnet, mit denen sie bewusst für Ausbildungs- und Arbeitsplätze in ihrer Region sorgen. Dazu zählt der Chemieriese Bayer AG, der Jugendlichen mit schlechtem Schulabschluss eine Einstiegschance gibt und die Logistikgruppe Eurogate GmbH, die langzeitarbeitslose Jugendliche wieder in den Arbeitsmarkt integriert.

    Doch Produktionsschwankungen zwingen Unternehmen oft Arbeitsplätze abzubauen. Und diejenigen, die nun nicht in Billiglohnländer verlagern wollen, suchen nach der Möglichkeit einer flexiblen Personalplanung, das heißt Arbeitskräfte nur für den Zeitraum einstellen zu können, für den sie auch effektiv gebraucht werden. Hierfür hat die Zeitarbeitsfirma Randstad ein Konzept aus den Niederlanden und Frankreich übernommen und weiter entwickelt:

    Zeitarbeit als Jobmotor - ein Beschäftigungsmodell, das Unternehmen erlaubt, kurzfristig einzustellen und das den Arbeitnehmern trotzdem feste Beschäftigungsverhältnisse und weitere Qualifizierungsmöglichkeiten bietet. Wie so etwas geht, erklärt Heide Franken, die Geschäftsführerin von Randstad Deutschland.

    " Also in Deutschland sind Zeitarbeitsunternehmen Arbeitgeber. Sie sind in unserem Fall dann bei Randstad, und der Unterschied zu konventionellen Arbeitgebern ist der, dass sie nicht in unseren Räumen arbeiten, sondern in den Räumen unserer Kunden. Sie haben verschiedene Einsätze, aber die Zahlung und all die Rahmenbedingungen, die werden vom Zeitarbeitsunternehmen, also von Randstad aus sind die zu gewährleisten. Das heißt, auch wenn die Mitarbeiter keine Einsätze haben, werden sie bezahlt. Sie haben wechselnde Einsätze, das können mal längere, können mal kürzere sein. Abhängig auch von der Qualifikation. Wir haben, also Randstad hat ungelernte Hilfskräfte, hat Facharbeiter, hat Techniker, hat den Ingenieurbereich, hat den kaufmännischen Bereich. Also ein sehr breites Spektrum. "

    Zeitarbeitsverträge entsprechen heutzutage sowieso denen des so genannten "realen Arbeitsmarktes". Sie liegen zwischen 15-monatiger Befristung und unbefristeter Einstellung - letzteres vor allem bei besonders gefragten Fachkräften wie etwa Sekretärinnen. Die Unternehmen, denen diese Kräfte dann zur Verfügung gestellt werden, können Kosten sparen, und so auch einfach mal neue Projekte ausprobieren. Immer öfter - meint Heide Franken - führen solche Pilotprojekte dann sogar wieder zu längerfristigen Anstellungen.

    " Wir sehen bei sehr vielen Kunden in allen Bereichen große, kleinere Mittelständler, dass die Möglichkeit sich der Produktionsschwankungen anzupassen, ein ganz wichtiger Punkt ist. Wenn Sie Mitarbeiter fest angestellt haben und die Produktion lässt nach, die Auftragslage lässt nach, ist das ein ziemliches Thema, was mach ich jetzt mit diesem Mitarbeiter? Das sind hohe Kostenfaktoren. Also die Chance ist darin, zu sagen: so, ich versuch das jetzt mal, dieses tolle Projekt zu fahren. Und das merken wir auch in unserem Geschäft. Das merken wir eindeutig: die Nachfrage nach Höherqualifizierten hat zugenommen. "

    Randstad nutzt nun diese Flexibilität, um anzubieten, was es "modulare Qualifikation” nennt. Einen Arbeitseinsatz, der gleichzeitig Weiterbildung ist. Für ungelernte Langzeitarbeitslose und Wiedereinsteiger bietet sich hier die Möglichkeit, mit dem Neueinstieg auch eine neue Qualifikation zu "erarbeiten”.

    " Hier geht es nicht um Berufsausbildung, sondern um Qualifizierung. Sie müssen sich ein Blatt vorstellen mit verschiedenen Modulen drauf. Und wenn durch den Einsatz in der Zeitarbeit alle Module, wenn er die hat, dann bekommt er ein Zertifikat. Und dann ist er Lagerassistent oder Büroassistent. Das heißt: die ungelernte Hilfskraft macht schon eine kleine Karriere. Sie geht nämlich von der unteren Lohngruppe in eine höhere Lohngruppe. Sie ist nicht mehr ungelernt. Und das ist für die vielen, vielen Menschen, die wir in Deutschland haben, die aus der Arbeitslosigkeit kommen - weil da stellen wir auch sehr viele ein - ein enormer Zugewinn. "

    30.000 Zeitarbeitnehmer sind zurzeit allein bei Randstad angestellt, und bundesweit wächst nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit die Zahl derer, die in dieses Zeitarbeitssystem einsteigen. Von knapp 100.000 in Jahr 1995 auf 300.000 im Jahre 2005. Würde diese neue flexible Personalplanungsmöglichkeit mehr in die Beschäftigungsstrategien der Politik einbezogen - so Heide Franken - könnte der Standort Deutschland für Unternehmen sowohl billiger als auch wieder attraktiver werden.

    In einer solchen - gewissermaßen - "fließenden" Arbeitswelt müssen auch Vorurteile abgebaut werden - so wollen es die im Jahre 2000 von der EU-Kommission erlassenen Antidiskriminierungsrichtlinien. Sie sehen vor, dass Europäische Unternehmen fortan dem Bevölkerungsanteil entsprechend einen bestimmten Prozentsatz von Frauen, Behinderten und Ausländern einstellen.

    In Deutschland, Frankreich und Österreich sind sie jedoch noch sehr umstritten, denn sie stellen die in unseren Demokratien garantierte Verfügungsfreiheit von Eigentum in Frage, weil sie den Unternehmern per Dekret vorschreiben wollen, wen sie einzustellen haben. Trotzdem findet Theodora Manolakos - die Leiterin des Wiener First Aid in Integration Büros für die Umsetzung der Richtlinien - dass sie schon etwas bewegt haben.

    " Zum Beispiel, dass einem erst bewusst geworden ist: wir haben ja eigentlich nur eine Altersgruppe in unserem Bereich, und man hat bis dato einfach nicht hinterfragt, oder es ist einfach noch nicht sichtbar gewesen. Von der klassischen - was so trocken klingt - "Ist"-Analyse, festzustellen: wer "ist" unsere Belegschaft überhaupt. Wie setzt die sich zusammen. Nicht nur im Geschlechterverhältnis, sondern auch in der Altersverteilung, und wie viele Herkünfte gibt es eigentlich? Da gibt es ja ganz wenig Daten und auch viele Arbeitnehmer/Innen selbst haben sich darüber noch nie Gedanken gemacht. "

    Was dagegen die weitverbreitete Fixierung der Berufswelt auf die Jugend anbelangt, so prophezeit das Berlin-Institut für Weltbevölkerung und globale Entwicklung: schon ab 2015 wird jede dritte Erwerbsperson älter als 50 Jahre sein. Darum ändern einige Unternehmen auch schon jetzt ihre Strategien. Der Fahrzeughersteller Brose aus Coburg warb zum Beispiel mit dem Spruch "Senioren gesucht” und die dänische Supermarktkette "Netto” betreibt zwei der 212 deutschen Filialen als "Oldie-Märkte”, weil dort fast alle Angestellten älter als 45 Jahre sind.

    Die steigende Arbeitslosigkeit führt in fast allen Ländern der erweiterten EU ebenfalls dazu, dass immer mehr Menschen sich selbstständig machen. In Deutschland war es Wolfgang Clement, der als Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen 1995 erstmals zu einer Kultur der Selbstständigkeit aufrief. Gründerzentren wurden eingerichtet: in Arbeitsämtern, Industrie- und Handelskammern. Und laut einer Studie der KfW - der Kreditanstalt für Wiederaufbau - stiegen zwischen 1989 und 2004 die Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit von 98.000 auf 360.000 pro Jahr.

    Bislang gibt es allerdings keine Untersuchungen darüber, wie viele der Unternehmensgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus sich als überlebensfähig erweisen und warum. Grundsätzlich räumt man ihnen wenig Erfolgschancen ein - auch wenn insgesamt die Insolvenzen deutscher Firmen im Jahre 2005 um 6,9 Prozent zurückgegangen sind. Denn, so Branco Duarte, der Geschäftsführer portugiesischer Unternehmer in Deutschland, vielen Unternehmensgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus fehlt ganz einfach - das Konzept!

    Für Branco Duarte ist die Selbstständigkeit jedoch immer noch eine ernstzunehmende Alternative zur Arbeitslosigkeit. Denn sein Land - Portugal - ist, neben Irland, Italien, Griechenland und Spanien, Spitzenreiter in Sachen Selbstständigkeit.

    " Wir sind vielleicht relativ gesehen ein Land mit der zweitgrößten Selbstständigkeitsrate in Europa. Und das ist schon sehr gut. Dass heißt, die Unternehmensgründung, die Existenzgründung wird gefördert. 99,3 Prozent der Unternehmen sind kleine und mittelständische Unternehmen. Viele von denen sind sogar Mikrounternehmen. "

    Rund 20 Prozent aller Erwerbstätigen sind in Portugal außerhalb der Landwirtschaft selbstständig tätig. In Deutschland sind es gerade mal acht Prozent, was typisch ist für die großen Industrienationen, zu denen auch Frankreich und die USA zählen. Natürlich ist Portugal ein Land, in dem es traditionell viel Kleinhandel, handwerkliche Familienbetriebe und Kioskwirtschaft gibt. Doch darüber hinaus funktionieren auch die Gründeroffensiven besser, die seit 1989 Selbstständigkeit aus der Arbeitslosigkeit heraus fördern.

    Ein portugiesischer Arbeitsloser kann zusammen mit einem Gründungsberater oder Mentor ein Projekt ausarbeiten, wofür er auch eine staatliche Finanzhilfe beantragen kann. Dieser Mentor begleitet dann den frischgebackenen Unternehmer zwei Jahre lang. Er entscheidet, ob das Projekt gut läuft, macht auf Probleme aufmerksam und berät in allen Fragen.

    Ist das Unternehmen dann überlebensfähig, zahlt es die Starthilfe langsam an den Staat zurück. Auch in Deutschland kann man für Unternehmungsgründungen staatliche Subventionen bekommen. Und man kann sich in so genannten "Gründerzentren" beraten lassen. Doch der Unterschied liegt in der langfristigen Begleitung durch einen Fachmann und in der Tatsache, dass in vielen Fällen der portugiesische Staat das investierte Geld wieder zurückbekommt.

    " Man rechnet, sagen wir mal, wenn man einen ordentlich berät, dann investiert der Staat, sagen wir mal, knapp fünftausend Euro in so einen Existenzgründer mit allem Drum und Dran. Und der ist in der Lage, nicht nur in kurzer Zeit weg von der Statistik zu sein, sondern vielleicht in ein, zwei Jahren hat er einen Angestellten oder zwei. Und das heißt, er bringt einen enormen Nutzen für die Volkswirtschaft. "

    Hier ist die Studie der KfW zur Selbstständigkeit aus der Arbeitslosigkeit etwas kritischer. Denn nach deutschem Verständnis sind Gründungen mittelständischer Firmen volkswirtschaftlich interessanter, weil sie nicht nur einzelne Arbeitslose aus der Statistik holen, sondern meist gleich mehr Stellen schaffen. Die Ich-AG wird darum in diesem Jahr abgeschafft. Branco Duarte findet jedoch, dass das Integrationspotential von Klein- und Mikrounternehmen in Deutschland unterschätzt wird, weil man sofort ein zu schnelles Wachstum und möglichst viele Beschäftigte haben will. Kleinunternehmen wachsen aber nur langsam. Sie sollten trotzdem auch in Deutschland weiter gefördert werden - nur eben anders als bisher.