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Endspurt beim Klimagipfel
CDU-Umweltpolitiker: Programme verbindlich überprüfen

Der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer hat gefordert, die Klimaprogramme der einzelnen Länder verbindlich überprüfen zu lassen. Wenn es keinen verpflichtenden Klimavertrag gebe, sollte es zumindest transparente Überprüfungsverfahren geben, sagte er im DLF. Notwendig seien psychologische Druckmittel.

Klaus Töpfer im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Klaus Töpfer, ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen
    Die nationalen Programme zum Klimaschutz reichen nach Ansicht des früheren Bundesumweltministers Klaus Töpfer nicht aus. (Imago)
    "Die Ziele, die jetzt im Vertrag stehen, reichen nicht, um eine Stabilisierung des Klimas zu ermöglichen", betonte Töpfer im Interview mit dem Deutschlandfunk. Deshalb werde in dieser Woche beim Klimagipfel in Paris noch über die Verbindlichkeit der Ziele verhandelt werden müssen.
    Töpfer sprach von einem Paket, das solidarisch zu erarbeiten und umzusetzen sei. Gerade im Bezug auf Länder wie die USA oder China äußerte sich der Umweltpolitiker optimistisch: "In China gibt es auch innenpolitisch gute Gründe, um zu sagen, es muss gehandelt werden".
    Kein blinder Optimismus, sondern nüchterne Analyse
    Auch durch die Vorreiterrolle Deutschlands sei klar geworden, dass die erneuerbaren Energien zu einer wettbewerbsfähigen klimafreundlichen Energie geworden seien. In Deutschland müsse der Ausstieg aus der Kohle deshalb fortgeführt werden. Töpfer mahnte an dieser Stelle zu einer nüchternen Analyse statt eines "blinden Optimismus'": Die Braunkohle müsse ihren Beitrag zur Rückführung der CO2 Missionen leisten, dies aber im gesellschaftlichen Konsens tun.
    Nach den Beratungen der Unterhändler beim Pariser Klimagipfel liegt den Umweltministern inzwischen ein erster Vertragsentwurf vor. Allerdings sind zentrale Punkte nach wie vor strittig: von der Frage nach den langfristigen Klimaschutzzielen bis zu den Finanzhilfen für Entwicklungsländer.


    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: In le Bourget bei Paris kommen heute die Umweltminister aus 200 Ländern zusammen. Das Ziel: Ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll, das im Jahr 2020 ausläuft. Ein Abkommen freilich, das geeignet ist, die Erderwärmung wirklich zu stoppen. Doch wie verbindlich das Ganze ausfallen wird, daran kann man Zweifel haben. In der Nacht zu Samstag einigten sich die Unterhändler auf einen Textentwurf, der aber noch viele Fragen offen ließ.
    Darüber sprechen wir jetzt mit Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister, ehemaliger Leiter des UNO-Umweltprogramms UNEP und Gründungsdirektor des Instituts für Nachhaltigkeitsstudien in Potsdam. Schönen guten Morgen, Herr Töpfer.
    Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!
    Heckmann: Herr Töpfer, Sie sind ja in Paris bei den Verhandlungen dabei gewesen in den vergangenen Tagen. Wie groß ist die Bereitschaft der Beteiligten, diesmal wirklich zu einem handfesten Ergebnis zu kommen?
    "Wir sehen, dass der Klimawandel für viele Menschen immer realer wird"
    Töpfer: Eins ist sicher festzuhalten: Die Atmosphäre, die Stimmung ist so, dass jeder, den man gesprochen hat, darauf hinweist, wir können diesmal nicht wieder nach Hause gehen und mit leeren Händen ankommen. Das ist nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit, sondern das ist auch eine Frage der Dringlichkeit der Entwicklung. Wir sehen, dass der Klimawandel für viele Menschen immer ganz realer wird, dass sich daraus massive Schäden ableiten, die gerade in den Entwicklungsländern natürlich die leicht aufkommende wirtschaftliche Belebung immer und immer wieder in Frage stellen. Also hier wird es weit mehr Arbeit geben, die Dinge so zum Ende zu bringen, dass sie auch tatsächlich wirken. Ein Ende mit einem Vertrag, das, glaube ich, will jeder. Die Frage wird diese Woche noch zentral sein: Was steht in diesem Vertrag genau drin? Wie weit kann man kommen? Die Eckpunkte sind gerade schon in Ihrem Beitrag genannt worden. Es geht natürlich um Finanzierung, denn Sie müssen sehen: Die Entwicklungsländer leiden darunter und wollen diese Schäden, die ja nicht sie verursacht haben, sondern die durch Klimapolitik anderer Staaten entstanden sind, entsprechend kompensiert sehen. Alles dies sind Dinge, die jetzt geklärt werden müssen, genauso wie die Tatsache, dass wir es alle fünf Jahre ernsthaft überprüfen müssen. Denn die Ziele, die jetzt drinstehen werden, oder die Beiträge, die freiwillig ja gemacht werden, werden wahrscheinlich nicht rechtlich verbindlich sein. Sie reichen nicht, um eine Stabilisierung des Klimas zu ermöglichen.
    Heckmann: Herr Töpfer, wir kommen auf die einzelnen Punkte noch zurück. Aber noch mal kurz zurückgeblickt: Es gab ja schon viele Klimakonferenzen, nämlich 20 an der Zahl, und wir beide haben auch schon häufig miteinander gesprochen zu dem Thema. Und Sie haben sich jedes Mal optimistisch gezeigt, auch in Kopenhagen bei dem Gipfel, der dann scheiterte, und zwar an dem Egoismus der Einzelinteressen. Weshalb sollte es diesmal wirklich anders sein?
    Töpfer: Na ja, gehen Sie mal auf Kopenhagen zurück. Eigentlich ist es immer wenig interessant zu fragen, was hätten wir damals machen können. Wissen Sie, es gibt ein schönes Sprichwort in Afrika, das ich mitgebracht habe. Das heißt: Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Die Zweitbeste ist jetzt. Wir müssen jetzt fragen, was machbar ist. Aber auch in Kopenhagen ist ja diese, wenn Sie so wollen, Veränderung der Strategie eingeleitet worden. In Kopenhagen sind noch viele hingegangen mit dem Ziel, ein zweites Kyoto-Protokoll zu erreichen. Dieses Ziel ist jetzt nicht mehr gegeben. Wir haben jetzt eine Entwicklung, indem über 180 Staaten mitgeteilt haben, was sie konkret zu tun in der Lage sind, was sie sich vorgenommen haben. Das sind diese beabsichtigten, national festgelegten Beiträge. Das ist eine neue Struktur, eine neue Strategie geworden, die sich, wie ich meine, jetzt gerade auch in Paris bestätigt. Ich bin sehr skeptisch im Blick darauf, wie sie dann hinterher auch ausgefüllt wird, wie sie umgesetzt wird.
    "China muss Klimapolitik machen"
    Heckmann: Darauf kommen wir gleich auch noch mal zurück. Aber im Unterschied zum Kyoto-Protokoll sind die USA und China ja diesmal dabei. Was hat denn aus Ihrer Sicht diesen Meinungsumschwung ausgelöst? Oder ist das möglicherweise Klimaschutzpolitik nur für die Galerie?
    Töpfer: Diese Besorgnis muss man immer und immer wieder mitdenken. Das ist völlig richtig. Die Veränderungen bei China und den USA sind, glaube ich, sehr, sehr deutlich begründet. Einmal: Es wird eben nicht mehr ein rechtlich verbindliches Abkommen angestrebt, sondern beabsichtigte nationale Beiträge werden festgelegt, und diese sind dann hinterher wieder weiter fortzuschreiben und zu verbessern.
    Zweitens: Sie müssen sehen, dass sich strukturelle Änderungen ergeben haben. China muss Klimapolitik machen, denn sie leiden massiv unter den Konsequenzen. Sie leiden in China massiv unter Luftverschmutzung. Die sind nicht unbedingt CO2-bedingt, aber sie sind von derselben Quelle kommend, nämlich von der massiven Verstromung von Kohle. In China gibt es auch innenpolitische, ganz, ganz weitreichende gute Gründe zu sagen, jetzt muss gehandelt werden, und es wird gehandelt in China. In den USA ist eine zentrale Veränderung dadurch ermöglicht worden, dass dieses Shale-Gas gefördert wird, sehr preiswert gefördert wird und damit Kohle ersetzt wird, und Gas ist mit Blick auf die CO2-Emissionen ungleich günstiger als Kohle. Das heißt, dort können durch Veränderungen, Senkungen erreicht werden, die sich aus der Technik ableiten.
    Und letztens: Es war noch nie so klar, dass die erneuerbaren Energien, die wir hier in Deutschland auch mit massiven Investitionen, mit Zahlungen bis hin zu jedem einzelnen Stromverbraucher in Deutschland vorangebracht haben, jetzt eine wettbewerbsfähige klimafreundliche Energie geworden sind. In Paris wird über diese Entwicklung, die in Deutschland angefangen hat, massiv und intensiv gesprochen, und ich glaube, Deutschland wird dafür ganz sicherlich sehr viel Zustimmung finden, und das ist jetzt schon da.
    Heckmann: Deutschland hat ja immer dieses Image, Vorreiter zu sein in der Klimapolitik. Die Bündnis-Grünen, die sagen aber beispielsweise, diese Rolle haben wir schon lange nicht mehr, und verweisen auf den Ausbau der Kohle auch hier in Deutschland, auf das Scheitern der Klimaschutzabgabe, die ja eigentlich geplant gewesen ist auf schmutzige Kohlekraftwerke. Ist die Klimakanzlerin Angela Merkel nicht eigentlich wirklich Geschichte?
    Töpfer: Zunächst einmal müssen wir über eine Person hinausdenkend festhalten, in Deutschland ist es möglich geworden, aus der Kernenergie auszusteigen und gleichzeitig die CO2-Ziele nicht zu verändern, nicht zu senken. Wir haben jetzt einen Anteil in Deutschland von über 30 Prozent Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Dies ist nach wie vor auch weltweit ein klares Signal, wohin die energiepolitische Reise geht.
    "Ein solidarisch zu erarbeitendes, solidarisch umzusetzendes Paket"
    Heckmann: Aber die Kohle wird fortgeschrieben.
    Töpfer: Ja, die Kohle wird im Augenblick noch die Lücke zu füllen haben. Aber auch hier, das sage ich noch mal ganz deutlich, ist ein Anfang gesetzt, und der muss fortgeführt werden. Wir werden das Jahr 2030, 2035 nicht mit dem gleichen Anteil an Braunkohle erreichen können, wie wir ihn jetzt haben. Der Einstieg ist gemacht, er reicht nicht, es muss weitergeführt werden, aber das bitte in einem gesellschaftlichen Konsens. Denn die Regionen, die davon betroffen sind, gehen Sie in die Lausitz, gehen Sie an den Niederrhein, und die Menschen, die damit auch ihren Arbeitsplatz nicht mehr gesichert sehen, die wollen natürlich Antworten auch wissen über ihre Zukunft. Das ist legitim. Das ist beim Steinkohlebergbau genauso gemacht worden. Also hier ist nicht blinder Optimismus, der mich antreibt, sondern hier ist die nüchterne Analyse, was ist zu tun, nicht nur etwas zu fordern, sondern auch umzusetzen, da mitzuwirken, dass tatsächlich auch die Kohle in Deutschland, insbesondere die Braunkohle ihren Beitrag zur Rückführung der CO2-Emissionen leistet, und zwar möglichst im gesellschaftlichen Konsens.
    Heckmann: Herr Töpfer, Sie haben es gerade schon mal erwähnt. Die einzelnen Länder, die in Paris jetzt zusammenkommen, die haben freiwillige Einsparziele, was den CO2-Ausstoß angeht, genannt. Die sind nicht rechtsverbindlich. Wenn die Länder dann diese Einsparziele verfehlen, gibt es wahrscheinlich keine Sanktionen. Wie wirksam soll denn ein solcher Vertrag am Ende sein?
    Töpfer: Das hatte ich eingangs gesagt, dass die große Frage für mich darin besteht, wie können wir das wirklich in eine Verbindlichkeit hineinbringen, die mehr ist als ein Papier, auf das man sich geeinigt hat. Hier wird noch viel zu tun sein, etwa indem man doch eine Verbindlichkeit in die Berichterstattung, in die Überprüfung, was habt ihr gemacht, hineinbringen kann. Sicherlich ein Punkt, der mitverhandelt werden muss noch in dieser Woche, wieweit werden zumindest die Überprüfungsverfahren rechtlich verpflichtend und damit auch die Transparenz so, dass man daraus auch, na ja, bis hin zu psychologischen Druckmitteln kommen kann. Außerdem muss es notwendigerweise dazu gehören, dass man nicht nur fragt, wie setzen wir das mit Druckmitteln durch, sondern welche Möglichkeiten zur Förderung haben wir. Sie haben selbst die Stimmen aus den Entwicklungsländern zitiert, die alle darauf hinweisen, unsere Verpflichtungen sind auch daran gebunden, dass ihr euren Verpflichtungen uns gegenüber mit Technik, mit Finanzen, mit Kapazitätsbildung, mit Ausbildung von Menschen gerecht werdet. Es ist eben ein gesamtes, solidarisch zu erarbeitendes, aber auch solidarisch umzusetzendes Paket.
    Heckmann: Wir werden sehen, wie das am Ende der Woche ausgeht, wie der Vertrag dann aussehen wird. Wir haben gesprochen mit Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister. Herr Töpfer, danke Ihnen für das Interview.
    Töpfer: Danke Ihnen auch herzlich! Alles Gute!
    Heckmann: Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.