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Energie
Gas aus der russischen Tundra

Im Norden Russlands, am ökologisch sensiblen Nordpolarkreis, wird Gas gefördert, auch für den europäischen Markt. Die Gasförderung auf dem Urengoj-Feld soll ausgebaut werden, der Förderplan reicht bis 2069. Dabei will die EU schon 2050 weitgehend auf Gas als Energieträger zu verzichten.

Von Gesine Dornblüth | 04.12.2018
    Die Bohranlage 27 in den Weiten des Urengoj-Gasfeldes nahe der Stadt Nowy Urengoi, aufgenommen am 03.12.2014. Hier fördert das russisch-deutsche Unternehmen Achimgaz aus 4000 Metern Tiefe Gas auch für den europäischen Markt.
    Erdgas steht bei Umweltschützern in der Kritik, russisches Erdgas soll jedoch vergleichsweise klimafreundlich sein (picture alliance / dpa / Ulf Mauder)
    Scheinwerfer erleuchten die im Winter schon am frühen Nachmittag nachtdunkle Tundra. Ein Bohrturm ragt in die Höhe, daneben Container, schwere Fahrzeuge, ansonsten sehr viel Eis und Schnee.
    "In 4.000 Meter Tiefe befindet sich unsere Lagerstätte, aus der wir in etwa einem Jahr fördern wollen."
    Erdgas bei Umweltschützern in der Kritik
    Ingo Neubert ist stellvertretender Generaldirektor von Achimgaz, einem deutsch-russischen Joint Venture in Novyj Urengoj. Das liegt rund 3.500 km nordöstlich von Moskau am Nordpolarkreis. Rund hundert solcher Bohrungen hat das Unternehmen schon vorgenommen, seit Beginn der Aktivitäten vor sieben Jahren sind die Fördermengen stetig gestiegen. Der Förderplan reicht bis ins Jahr 2069. Bis 2049 sollen 238 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert werden, etwa soviel, wie Deutschland derzeit binnen zweieinhalb Jahren verbraucht.
    "Gas ist unter den konventionellen Energieträgern der effektivste, der umweltfreundlichste, und zwar mit einigem Abstand, nichtsdestotrotz werden wir weiter darüber nachdenken, welchen Beitrag wir leisten können, um diesen Klimawandel aufzuhalten."
    Bohrturm des russisch-deutschen Unternehmens im Dunkeln.
    Gasförderung auf dem Urengoj-Feld, eine der größten Gas-Lagerstätten der Welt (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    Auch Erdgas gerät bei Klimaschützern zunehmend in die Kritik, vor allem das in den USA intensiv geförderte Schiefergas. Beim Fracking dort entweicht das Treibhausgas Methan. Methan gilt unter Umweltschützern als "Klimakiller Nummer 2". Es geht zwar um viel geringere Mengen als beim Kohlendioxid, aber Methan treibt die Klimaerwärmung etwa 25 Mal stärker als CO2 an. Unter Ex-Präsident Barack Obama wurden Unternehmen in den USA verpflichtet, den Methanaustritt besser zu überwachen und zu reduzieren, Trump wiederum will diese Auflagen zurücknehmen.
    Russisches Gas klimafreundlicher
    Bei Achimgaz heißt es, es trete so gut wie kein Methan aus. Das Unternehmen legt großen Wert auf Umweltsicherheit – das bestätigen auch unabhängige Energieexperten in Deutschland und in Russland. Und Wladimir Tschuprow, Energieexperte bei Greenpeace Russland, meint sogar, insgesamt sei russisches Erdgas klimafreundlicher als das US-Schiefergas.
    "Die Klimaspur von Schiefergas in den USA ist nach einigen Berechnungen so hoch wie die von Kohle, weil es nicht tief liegt, weil Methan durch Spalten an die Oberfläche dringen kann. Russisches Gas hat eine geringere Klimaspur, weil es sich tiefer unter der Erde befindet, bei 3.000 Meter."
    Nicht gerüstet für Ausstieg aus dem Gas
    Aus Sicht von Greenpeace heißt das allerdings nicht, dass man immer schneller und immer mehr Gas fördern müsse. Mit Blick auf den russischen Norden sagt Tschuprow:
    "Wir rechnen zwar sogar in unseren Greenpeace-Energieszenarien mit den schon zu Sowjetzeiten erschlossenen Förderstätten - also auch mit Urengoj, Novyj Urengoj. Neue Förderstätten gehören aber eher nicht dazu. Denn statt in die Erschließung neuer Gasvorkommen zu investieren, sollte das Geld lieber in Energiesparmaßnahmen gesteckt werden und in die Entwicklung erneuerbarer Energien."
    Da nämlich habe Russland großen Nachholbedarf, so Tschuprow.
    Die EU will eigentlich bis 2050 möglichst weitgehend aus fossilen Energien aussteigen, auch aus Erdgas. Russland sei auf ein solches Szenario bisher nicht vorbereitet, heißt es bei Greenpeace. Auch bei Achimgaz in Novyj Urengoj scheint es noch keinen Plan B zu geben für den Fall, sollten die Gas-Exporte in die EU drastisch sinken. Generaldirektor Oleg Osipowitsch zumindest tut sich schwer mit einer Antwort.
    "Niemand ist dagegen, die Welt besser zu machen. Aber die Frage ist, wie. Es ist schwer, über Fristen zu reden. Wir brauchen mehr Informationen. Bisher haben wir die nicht. Und da ist es doch klar, dass wir unsere Arbeit erst mal fortsetzen."