Sonntag, 28. April 2024

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Energiekrise
Schwimmbäder bangen vor der Schließung

Die Schwimmbäder in Deutschland gehen in den nächsten ungewissen Winter. Nach zwei Jahren Pandemie sorgt nun die unsichere Gasversorgung dafür, dass der Weiterbetrieb in der bisherigen Weise gefährdet ist.

Von Jessica Sturmberg | 07.08.2022
Blick auf die gesperrte Schwimmbahn im Kölner Lentpark.
Aufgrund der Energiekrise müssen viele Schwimmbäder - nach Corona - mit einer erneuten Schließung rechnen. Für die Schwimmausbildung von Kindern wäre dies eine "Katastrophe". (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Das letzte Ferienwochenende in Nordrhein-Westfalen, blauer Himmel, einige wenige Wolken und 25 Grad. Im Kombibad Lentpark in Köln ziehen ein paar Schwimmer ihre Bahnen, Kinder freuen sich an der Rutsche oder springen im Hallenbad von den Startblöcken ins Wasser. Es ist nicht heiß genug, dass die Menschen in Scharen Abkühlung suchen. Wenn der Wind geht, bekommen einige auch schon mal Gänsehaut.
"Mir ist kalt Mama - ja"
Das Außenbecken ist ein künstlich angelegtes Naturgewässer und allein von der Sonne erwärmt worden, drinnen ist das Schwimmerbecken auf 27,5 Grad aufgeheizt.
Marc Riemann, Leiter Bäderbetriebsmanagement der KölnBäder GmbH
Marc Riemann, Leiter Bäderbetriebsmanagement der KölnBäder GmbH (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)

Die Bäder haben bereits begonnen Energie zu sparen

Die Schwimmbäder in Köln haben schon länger begonnen, Energie zu sparen, sagt der Manager der Kölnbäder, Marc Riemann. Reine Hallenbäder, die im Sommer wenig genutzt werden, würden etwa geschlossen.
Doch im Winter befürchtet er wie viele andere Schwimmbadbetreiber in Deutschland auch, dass sie von der Gasversorgung abgeschnitten werden könnten und das mag er sich nicht vorstellen: "Für die ganzen Ehrenamtler in den Vereinen, auch das Thema Rehabilitation und Volksgesundheit, die auch Wasser benötigen, aber insbesondere auch für das Schulschwimmen und die Schwimmausbildung. Die darf nicht ein drittes Jahr leiden."

Gute Kommunikation mit der Politik

Rund 9300 Bäder gibt es in Deutschland, vertreten sind sie durch die Bäderallianz, in dem sich die 14 größten Interessenvertreter zusammengeschlossen haben. Unter anderem der deutsche Schwimmverband, der Verband der Sportlehrer, -mediziner, -wissenschaftler, die Wasserwacht oder die DLRG. 
Vor gut drei Wochen hat die Bäderallianz einen Brief an alle zuständigen Bundesministerinnen und -minister geschickt mit der eindringlichen Bitte, den Schwimmbadbetrieb nicht einzustellen. Letzte Woche hat die DLRG die Forderung mit eigenem Brief nochmal untermauert – adressiert an Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder.
"Also der Brief ist erst vor kurzem raus. Wir haben noch keine Antwort bekommen", sagt DLRG-Präsidentin Ute Vogt, die frühere SPD-Spitzenpolitikerin, bei Deutschlandfunk Kultur. Aber das liege nicht daran, dass die Politik nicht mit ihnen sprechen wolle.

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"Insgesamt muss ich sagen, ist es schon so, dass die Politik mit uns gut kommuniziert. Also wir haben da, wenn wir um Termine bitten, haben wir Gesprächsmöglichkeiten. Das ist alles nicht das Problem. Das Problem ist eher, wir haben ein hohes Wohlwollen in der Politik unserer Arbeit gegenüber, aber die Schwierigkeit ist eben, dass das alles vereinzelt läuft. Dass Bund, Länder und Gemeinden ihre Anstrengungen da nicht kombinieren, sondern jeder macht so ein bisschen was."

Energiesicherheitsgesetz: Schwimmbäder gehören nicht zu den geschützten Kunden

Dieses grundsätzliche strukturelle Problem zeigt jetzt in der akuten Lage die Grenzen. Die Bundesnetzagentur, die im Falle einer Gasmangellage entscheidet, wer noch Gas bekommen darf und nicht, weist darauf hin, dass Schwimmbäder nicht zu den geschützten Kunden nach dem Energiesicherheitsgesetz gehören.
Doch bevor die Bäder pauschal schließen müssten, solle nach einem Stufenplan vorgegangen werden, schlägt die Bäderallianz in ihrem Brief vor. Kölnbäder-Manager Marc Riemann, der auch im Vorstand der deutschen Vereinigung Sport- und Freizeitbauten sitzt, erklärt, wie die drei Stufen aussehen sollen:
Ein Mädchen auf der Wasserrutsche im Freibadbereich des Kölner Lentparks.
Spaß- und Freizeitbädern droht bei einer Verschärfung der Energiekrise das schnelle Aus. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
"Die erste Stufe betrifft die hochenergetischen Badbereiche, Vierjahresbecken zum Beispiel. Das sind Becken, die ich auch im Winter, im November oder Januar bei 31 oder 32 Grad betreibe, ist schön, aber auch purer Luxus muss man sagen. Und das sind wirklich wahre Energieschleudern. Der Step zwei ist, dass das Thema Planschen, Rutschen usw. der zweite Step ist, auf den man verzichten kann, um dann auch zu sagen im dritten Step, dass man sich dann wirklich nur noch konkret auf das Thema Daseinsvorsorge konzentriert."

Besucher werden umdenken müssen

Das heißt, dass im Notfall nur noch Schwimm- und Lehrbecken genutzt werden und diese mit einer Temperatur von 26 Grad. Eine Temperatur, die nicht mehr zum Verweilen im Wasser einlädt, sondern in der sich die Schwimmbadbesucherinnen und -besucher in der Regel schon bewegen müssen, damit ihnen nicht kalt wird.
Wie denken diejenigen darüber, die an diesem schönen, aber nicht ganz so heißen Tag ins Kombibad gekommen sind? Würden Sie dann noch weiterkommen?
"Zum Sportschwimmen ja für mich, für die Kinder wahrscheinlich dann eher seltener, weil die bewegen sich dann doch nicht so im Wasser, dass sie nicht nach einer halben Stunde dann blau anlaufen, also so als Spaßbad dann nicht mehr." 
"Grundsätzlich ist es natürlich was, was ich schon im Rahmen der ganzen anderen Maßnahmen, die passieren, durchaus für eine angemessene Denkrichtung sehe." 
"Ja, ich meine, da muss man das Ganze dann einfach in Betracht ziehen, dass jeder seinen Beitrag leisten muss, wir sind jetzt nicht die Vielschwimmer, aber trotzdem würden wir weiter ins Schwimmbad gehen."

Kinder müssen Rückstand der Pandemiejahre aufholen

Weiter Schwimmen gehen, auch damit die Kinder, die eigentlich genau jetzt nachholen sollen, was in den letzten beiden Pandemiejahren an Schwimmfähigkeiten verloren gegangen ist, nicht noch weiter in Rückstand geraten.
Die Bademeisterinnen und -meister erzählen, wie sie beobachten, was schon jetzt in den Schulen aufzuholen ist. Was sich von den Grund- in die weiterführenden Schulen verlagert hat. Genau das dürfte bei der Entscheidung, ob Schwimmbäder schließen müssten, in der Politik schwer wiegen.
Dass beim Schwimmbadneubau in den letzten Jahrzehnten wenig bis gar nicht auf erneuerbare Energien und energieeffiziente Bauweisen gesetzt wurde, ist jetzt ein großes Problem. Aber es gab auch kaum Anreize dazu, erklärt Marc Riemann:
"Dass eine Solarversorgung mit Solarthermie noch lange nicht in jedem Bad vorhanden ist, sein sollte, wie man sich es heute eigentlich im Jahr 2022 vorstellen würde, hat damit zu tun mit den Ausprägungen des steuerlichen Querverbundes, der in den letzten 20 Jahren der absolute Fokus im Bäderbetrieb in Deutschland war."

Bäder müssen sich auf erneuerbare Quellen umstellen

Um die Eintrittsgelder bezahlbar zu halten, werden Verluste durch einen Teil der Erträge bei den Stadtwerken ausgeglichen, die auch oft die Betreiber der Bäder sind. Dadurch sind die Bäder aber auch an die Energiequelle der Stadtwerke gebunden. Und das ist sehr oft Gas. Die unsichere Gasversorgungslage zeige jetzt auf, dass auch in diesem Bereich auf erneuerbare Quellen umgestellt werden müsse, sagt Riemann: 
„Eine komplette Neuausrichtung des Kommunalproduktes Bad wird es kurz über lang geben müssen. Allein diese Energiekrise zeigt, dass ein Weiter so mit den üblichen Energieträgern, so wie wir Bäder betreiben, nicht zukunftsorientiert ist in der Form.“
Doch der Weg dahin ist lang. Und die Generation, die jetzt Schwimmen lernen muss, wird nicht darauf warten können.