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Energie
Magnetmaterial macht aus Abwärme Strom

Ob Industrieanlagen, Elektrogeräte oder Kühlschränke: Sie alle erzeugen jede Menge Abwärme, die meist ungenutzt verpufft. US-Forscher tüfteln nun an einer Idee. Sie experimentieren mit einer neuen Materialklasse, die Abwärme mit Hilfe von Magneten in Strom verwandelt.

Von Frank Grotelüschen | 18.06.2019
Eine Klimaanlage hängt am 23.08.2017 in Essen (Nordrhein-Westfalen) an der Hauswand eines Mehrfamilienhauses.
Klimaanlagen erzeugen große Mengen an Abwärme, die ungenutzt entweicht (picture allliance / Caroline Seidel)
"Die Abwärme, die in den USA anfällt, macht ein Fünfzehntel des Energieverbrauchs der Erde aus. Es sind vor allem die Klimaanlagen, die eine enorme Abwärme erzeugen."
Immer wieder ärgert sich Richard James von der University of Minnesota über die riesigen Mengen an Abwärme, die allein in der USA anfallen – eine gewaltige Energieverschwendung. Denn nur selten gelingt es, diese Abwärme zu nutzen. Das liegt an einem grundlegenden Problem:
"Oft ist Abwärme nicht sehr heiß, vielleicht einige zehn Grad bis maximal 200 Grad. Und uns mangelt es an vernünftigen Methoden, um aus so kleinen Temperaturdifferenzen Energie zu gewinnen."
Phasenübergänge in Kristallstrukturen nutzen
Um das Problem zu lösen, arbeiten manche Fachleute an Halbleiter-Materialien, die aus Wärmestrahlung Strom gewinnen, ähnlich wie es Solarzellen mit Sonnenlicht machen. Nur: Ein durchschlagender Erfolg war dem bislang nicht beschieden. Deshalb versucht es Richard James nun auf andere Weise, mit einer noch jungen Klasse von Magneten.
"Stellen Sie sich vor, auf dem Tisch vor Ihnen liegt ein Material, das völlig unmagnetisch ist. Dann erwärmen Sie es um ein paar Grad – und plötzlich wird es zu einem starken Magneten. Dahinter steckt eine spezielle Art von Phasenübergang: Kein Übergang von fest zu flüssig oder so, sondern ein Übergang von einer Kristallstruktur in eine andere, die dann andere Eigenschaften besitzt."
Energie gewinnen ließe sich daraus, indem man das Material in eine Spule einsetzt. Dann genügt ein kleiner Temperaturkick, und es wird zum Magneten, der in der Spule einen Strom hervorruft. Ähnlich funktioniert auch ein anderes Material, mit dem sich die US-Forscher beschäftigen – Bariumtitanat. Eingesetzt in einen elektrischen Kondensator ändert es schon bei einem geringen Temperatursprung seine Kristallstruktur so, dass es im Kondensator einen Stromfluss hervorruft. Also: Das Prinzip funktioniert, das konnten die Fachleute jüngst beweisen. Nur: Wieviel Strom lässt sich damit ernten?
"Die Effizienz ist eher bescheiden, vielleicht fünf Prozent oder so. Doch theoretisch wäre mehr drin. Mit Bariumtitanat ließen sich im Prinzip bis zu 20 Prozent erreichen, also ziemlich viel."
Das Prinzip funktioniert, die Praxisumsetzung dauert
Bevor man jedoch an einen Einsatz denken kann, gibt es noch manche Herausforderung zu meistern. So muss sich noch zeigen, wie haltbar die neuen Materialien sind und ob sie Abermillionen von Phasenübergangen mitmachen würden. Ein weiteres Problem:
"Wie kann ich den Prozess möglichst schnell gestalten? Denn um in seine ursprüngliche Kristallstruktur zurückkehren zu können, muss das Material rasch wieder abkühlen. Erst dann kann es wieder neue Abwärme aufnehmen. Das wollen wir lösen, indem wir extrem dünne Schichten aus Bariumtitanat verwenden. Die können sich sehr schnell erwärmen und abkühlen."
Bleibt also noch einiges zu tun für die Forscher aus Minnesota. Erst dann können sie sich überlegen, ob ihr Konzept eher für die Klimaanlage im Einfamilienhaus taugt oder doch eher für den Einsatz in den Großanlagen der Industrie.