
Vor sieben Jahren ging man deshalb in Bottrop dazu über, einen kleinen Teil der überschüssigen Wärme für eine Schule zu nutzen. Zweimal die Woche holte ein Lastwagen an der Kokerei einen Spezialcontainer mit kochend heißem Wasser ab, fuhr zur Grundschule Welheimer Mark und füllte das Wasser dort in die Zentralheizung der Schule ein. Mit einer Containerladung, so die Erkenntnis, lassen sich sämtliche Klassenräume drei Tage lang heizen.
"Hat letztendlich nicht wirklich geklappt, weil der Fehler darin lag, dass wir keine Ganzjahresabnahme hatten, und somit die Kosten des Transports und der Entlohnung des Fahrers für diesen LKW-Transport eben durchliefen, während wir nur im Winter Abnahmemengen hatten."
Die eigens für den Heißwassertransport gegründete Firma ging jedenfalls schnell pleite. Dabei hätte sich das System vermutlich getragen, wenn auch Schwimmbäder und andere öffentliche Einrichtungen mitgemacht hätten – Einrichtungen, die auch im Sommer Wärme brauchen. Die riesigen Mengen an kochend heißem Wasser hätten für viele Schulen, Behörden, Krankenhäuser und Schwimmbäder gereicht. Doch dazu kam es nicht, vor allem, weil im dicht besiedelten Ruhrgebiet die meisten öffentlichen Einrichtungen ohnehin ans reguläre Fernwärmenetz angeschlossen sind.

"Früher war das ein Ruhrgebietskonzern, RAG, jetzt gehört´s zu ArcelorMittal aus Indien, die interessieren sich nicht dafür. Die Steag-Fernwärme war bereit, hat aber, nachdem der letzte ehemalige RAG-Mitarbeiter als Geschäftsführer die Firma verlassen hat, keinen Anknüpfungspunkt gefunden. Ich hab selber drei, vier Gespräche dazu geführt, aber das ist dann in dem Gewirr von Bottrop nach Neu Delhi verloren gegangen und wir haben nie mehr ein Feedback gehört."
Burkhard Drescher war früher Oberbürgermeister von Oberhausen und ist jetzt Geschäftsführer der Innovation City Management Gesellschaft. Die soll den Umbau der Stadt Bottrop als Modell für eine klimafreundliche Industriestadt vorantreiben. Das Ziel ist ehrgeizig: Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß Bottrops im Vergleich zu 2010 halbiert werden.

Acht Jahre nach dem Start des Freiluftversuches lässt sich ziemlich genau sagen, welche Projekte funktionieren, welche Probleme haben und warum einige Energiesparideen vermutlich nie funktionieren werden.
Das Aluminiumwerk Trimet an der südlichen Stadtgrenze gehört zu den Projekten, bei denen Klimamanager Drescher noch nicht weiß, ob seine Pläne aufgehen. Aluminiumwerke verbrauchen sehr viel Strom und produzieren sehr viel Hitze. Anders als Arcelor Mittal ist das Essener Unternehmen Trimet nach langem Zureden inzwischen bereit, den Wärmeüberschuss für das lokale Fernwärmenetz zur Verfügung zu stellen.
"Das ist ein ganz dickes Brett, was da zu bohren ist. Trimet will das, das Aluminiumwerk, die sind da sehr weit, aber wir müssen sehen, wer das finanziert."
"Denn die können, indem sie die Produktion hochfahren, wenn viel Wind und viel Sonne da ist, Strom aus dem Netz ziehen. Die können die runterfahren zwei Grad, können damit den Stromverbrauch senken. Das sind Konzepte, die liegen auf dem Tisch."
Doch ob daraus etwas wird, darauf würde der Innovation-City-Chef keine Wette mehr abschließen. Zu oft haben er und seine Leute in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen im letzten Moment zurückzucken, wenn es ums Energiesparen geht.

"Das Problem bei den Unternehmen ist, dass die sehr stark auf ihren Produktionsprozess orientiert sind und befürchten, dass durch Veränderungen in dem Prozess, Veränderungen in der Technik, Unterbrechungen des Produktionsprozesses kommen und dann oft Entscheidungen, die nachweislich zu Kosteneinsparungen kommen, dass diese Entscheidungen dann nicht getroffen werden, zugunsten eines Prozessablaufes, der ungehindert weiter laufen kann."
"Das Thema Energie ist für viele Unternehmen wirtschaftlich relativ uninteressant. Wir haben das gehört von Unternehmen, die sagen, das macht bei uns zwei Prozent der Kosten aus. Wenn Sie ein Konzept haben, um Personal zu sparen, das finden wir interessant, aber die zwei Prozent interessieren uns nicht."
Dank der Hartnäckigkeit der Innovation-Mitarbeiter haben sich aber vor allem mittelständische Betriebe auf Energiesparkonzepte eingelassen. Die Firma Technoboxx zählt zu den Vorzeige-Unternehmen in Bottrop.
"Wir haben circa ein Kilometer Kunststofffußbodenheizung verlegt. Die Wärmeerzeugung findet über einen Pelletbrenner statt. Die Fußbodenheizung ist sehr effektiv, weil normale Hallenheizungen funktionieren ja über Konvektion, das heißt, überall hängen große Gebläse in sehr hoher Höhe, und dann ist die Wärme nämlich nicht da, wo wir sie wollen. Und hier stehen sie sozusagen auf der Heizung."
Der Unternehmer Warkotsch ist stolz darauf, dass er seinen 40-Mann-Betrieb inzwischen fast klimaneutral aufgestellt hat.
"Es hat nicht funktioniert, weil man sich nicht abhängig machen wollte. Die eigene Handlungsfähigkeit steht bei den Unternehmen ganz oben. Das hat dazu geführt, dass sie sich dann nicht bereit erklärt haben, diesen Prozess, den wir eigentlich sehr gut und sehr erfolgreich begonnen hatten, dann weiter zu führen."
Die ganz großen CO2-Einsparungen durch die Industrie, wie man sie sich in Bottrop erhofft hatte, sind dadurch ausgeblieben. Auch beim Autoverkehr gab es Enttäuschungen. Zwar stellt die Stadtverwaltung ihren Fuhrpark zunehmend auf Dienstfahrräder und Elektroautos um, aber das geht doch sehr langsam und hat insgesamt wenig Auswirkungen auf den Klimahaushalt der Stadt. Zudem will die regionale Busgesellschaft nur eine einzige Buslinie auf Elektrobusse umstellen. Statt weitere Stromfahrzeuge zu ordern, ließ die Busgesellschaft im Sommer mitteilen, dass sie lieber auf verbesserte Dieselfahrzeuge setzt.

Das Besondere dabei ist, dass die Berater der Innovation-City den Hauseigentümern ausdrücklich empfehlen, auf besonders teure Maßnahmen zu verzichten. Klimamanager Burkhard Drescher:
"Wenn man die obere Geschossdecke dämmt, hat man einen Effekt, der zwischen 90 und 95 Prozent gegenüber einer vollkommen neuen Eindachung einzustufen ist, kostet aber nicht 30.000 Euro sondern nur 3.000 Euro, man kann´s vielleicht sogar selber machen. Und die Leute machen es dann."
Die Eltingsiedlung in Essen-Nord wurde in den letzten Monaten komplett renoviert. Die ehemals grauen Mietshäuser haben einen freundlichen, hellen, Anstrich bekommen, jede Wohnung hat jetzt einen kleinen Balkon, und im Innenhof, wo früher die maroden Garagen standen, sind jetzt drei Kinderspielplätze für verschiedene Altersgruppen. Vorne, an den frisch gepflasterten Wegen wird gerade ein Abstellplatz für Rollatoren gebaut.
Neun von zehn Mietern in der Siedlung sind Rentner oder Sozialhilfeempfänger. Eine drastische Mieterhöhung wäre für die meisten nicht drin gewesen, dann hätten sie ausziehen müssen. Deshalb hat Vonovia auf Drängen der Innovation-City auf die teure Außendämmung genauso verzichtet wie auf Aufzüge. Stattdessen Nachtspeicheröfen raus, neue Heizung rein, neue Fenster und an Dämmung nur das Nötigste. Reiner Kipka lebt seit 40 Jahren in seiner Wohnung. Ein Euro mehr Miete pro Quadratmeter, das geht in Ordnung, sagt er.
Auch bei anderen Wohnungsgesellschaften hat das Beispiel Bottrop inzwischen Schule gemacht. Die Kaltmieten dürfen steigen, aber die Warmmiete muss gleich bleiben, nach diesem Rezept wird inzwischen im ganzen Ruhrgebiet saniert. Die Gebäude sind dann zwar nicht auf dem allerneuesten Stand der Technik. Aber sie verbrauchen deutlich weniger Energie als bisher.
Zurück in Bottrop, in der Eichendorfstraße. Uta Graefe betreibt hier einen Blumenladen und ein Blumenatelier. Mit Laden, Atelier und Wohnhaus hat Uta Graefe 380 Quadratmeter zu heizen. Vor vier Jahren hat sie sich deshalb von den Energie-Beratern der Innovation-City überreden lassen, sich ein kleines Heizkraftwerk in den Keller zu stellen.

"Wir kriegen den eigenen Strom, richtig, aber die Brennstoffzelle braucht ja unheimlich viel Gas. Wir setzen also sehr viel Gas ein, um die zu betreiben. Die Wartung ist ja auch sehr hoch, das sind ja alles Betriebskosten, die man hat. Also, das Finanzamt glaubt uns manchmal nicht so ganz, dass wir so hohe Betriebskosten haben, für das bisschen, was wir da rausholen."
Dennoch: Solche Mikro-Kraftwerke stoßen nur halb soviel CO2 aus, als wenn Strom und Wärme getrennt produziert würden. Hunderttausend Mikroanlagen können ein ganzes Kohlekraftwerk ersetzen. Außerdem wären kaum noch Stomtrassen nötig, wenn jedes Haus seinen Strom im Keller selbst produzieren würde.
"Der Zeitaufwand ist extrem groß. Also sehr viel Schreibkram, da blickt auch keiner durch, selbst der Steuerberater kennt sich damit nicht gut aus. Das müssen wir alles aus dem Internet raussuchen und uns da so durchwuseln."
"Wir haben Glück, dass das Verwaltungsgebäude direkt neben dem Plus-Energie-Haus steht und keine Straße dazwischen ist. Hätte das Verwaltungsgebäude der Wohnungsbaugesellschaft auf der anderen Seite der Straße gestanden, hätten wieder gesetzliche Bestimmungen dagegen gesprochen, dorthin den Strom der Photovoltaikanlage zu leiten."

"Die Bundesregierung Deutschland will keine Energiewende. Wenn sie eine Energiewende wollte, könnte sie sie mit administrativen Erleichterungen freischießen."
Ein erster Schritt wäre die Entbürokratisierung der Kraft-Wärme-Anlagen, kurz KWK.
"Es ginge ganz einfach, die KWK-Anlagen in den gleichen Status zu bringen wie einen Brennwertkessel. Da haben sie nix mit Bundesnetzagentur zu tun. Und da könnten sie sofort den Wirkungsgrad dieser Gasheizungen verdoppeln. Und wenn Sie dann noch die Häuser miteinander vernetzen dürften, dann hätten sie in einem Quartier die Energiewende von unten, dann könnte man richtig Energie sparen, damit CO2 sparen und damit was für den Klimawandel tun."