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Energiebilanz bei Lebensmitteln

Da brutzelt das Lammsteak und duftet köstlich. Doch bis in die Pfanne hat es schon einen weiten Weg hinter sich. Dabei ist die Energie, die nötig ist, um dieses Steak zu produzieren und in den Handel zu bringen, bei Lammfleisch aus Neuseeland möglicherweise geringer, als bei Lammfleisch vom Bauern aus der Region. Das zumindest behauptet Elmar Schlich, Professor für Haushaltstechnik an der Universität Gießen. Seine Arbeitsgruppe begann 1996, den Energieaufwand bei der Produktion von Lebensmitteln systematisch zu erforschen:

Andreas Schmitz |
    Und wir sind sehr schnell auf die Vermutung gestoßen, dass regionale Lebensmittel sehr viel weniger Energie verbrauchen als globale. Und dazu haben wir Literaturuntersuchungen gemacht, mal geguckt, was ist eigentlich Stand der Wissenschaft und haben nirgendwo gefunden, dass jemand mal wirklich Daten erhoben hat.

    Die Gießener Forscher untersuchten zunächst die Herstellung von Fruchtsäften. Sie errechneten den Energieaufwand für Saft, der aus Äpfeln hessischer Streuobstwiesen gepresst und vor Ort verkauft wurde. Zum Vergleich diente Apfelsaft, für den Konzentrat aus ganz Europa nach Deutschland kam. Jeder Schritt von der Aufzucht der Bäume bis zur verkauften Flasche wurde in die Kalkulation einbezogen. Der Vergleich dieser Energiebilanzen brachte ein verblüffendes Ergebnis:

    Ob der Saft nun aus der Region kommt und nur in der Region vermarktet wird oder ob der Saft durch die Rohwaren aus dem ganzen Kontinent zusammengemischt wird und dann deutschlandweit verkauft wird, das spielt keine Rolle. Entscheidend ist die Betriebsgröße. So haben wir zum Beispiel einen Regionalbetrieb gefunden, der 2000 Tonnen Apfelsaft pro Jahr erzeugt. Der ist konkurrenzfähig mit Industriesäften.

    Kleinere Betriebe verbrauchen aufgrund ihrer geringen Effizienz umgerechnet bis zu einem halben Liter Benzin für die Herstellung und Vermarktung von einem Liter Apfelsaft. Großbetriebe brauchen für die gleiche Menge nur etwa ein Zehntel dieser Energie - unabhängig davon, woher die Äpfel stammen.
    Auch für Lammfleisch hat die Arbeitsgruppe von Elmar Schlich errechnet, wie viel Energie nötig ist, bis ein Kilogramm Fleisch in der Ladentheke liegt. Auch hier wurden alle Schritte von der Aufzucht der Tiere bis zum Endverbraucher eingerechnet:
    Und da ergab sich dann wieder, zu unserer Überraschung, dass es entscheidend von der Betriebsgröße abhängt und von der Auslastung der Logistik, der Transportmittel, der Produktionsmittel, ob ich viel Energie oder wenig Energie brauche.

    Es stellte sich heraus, dass für Fleisch, das in großen Mengen tiefgekühlt aus Neuseeland kommt, oft nur ein Drittel der Energie aufgewendet wird, die ein regionaler Erzeuger verbraucht. Bei dieser Rechnung gingen die Gießener Forscher allerdings davon aus, dass die Lämmer in Deutschland den Winter im Stall verbringen. Bei ökologisch erzeugtem Lammfleisch ist dies jedoch nicht der Fall. Zumindest für die Bauernhöfe vom Ökoverband Bioland ist die Stallhaltung untersagt. Heinz-Josef Tuneke vom Bioland Landesverband Nordrhein-Westfalen hält sie überdies für unnötig, zumal die Tiere im Stall mit aufwändigem Silagefutter versorgt werden müssen:

    Das nahe liegendste ist, ich lass die Tiere draußen laufen auf der Wiese. Die holen sich das selber. Ich muss die Weide einzäunen und dann ist gut. Das ist mein einziger Aufwand, den ich dort treibe, vielleicht noch ein Elektrozaun.

    Darüber hinaus sieht der Bioland-Geschäftsführer die Energiebilanz nicht als den einzigen Grund, warum sich ein Verbraucher für Lebensmittel aus der Region entscheidet:
    Wenn er natürlich jetzt in der Region einkauft, besteht die Chance, tatsächlich noch an den Ursprung der Produkte hinzukommen. Und das ist natürlich für uns insofern ein ganz wichtiger Aspekt, als die Entfremdung von den Lebensmitteln ja mittlerweile sehr groß ist. Sie kennen das berühmte Beispiel: die Kinder malen heute die Kühe lila.

    Auch die Gießener Forscher sprechen sich keineswegs generell für oder gegen regionale Produkte aus. Wer auf die Qualität von Lebensmitteln und die Umwelt achtet, dem rät Elmar Schlich vor allem, sich beim Einkaufen zu informieren und beim Energiesparen vor der eigenen Haustür anzufangen:

    Der Verbraucher kann also Fragen stellen und er kann darauf achten, bei Genossenschaften zu kaufen. Und er kann bei sich selbst darauf achten, dass er nicht weite Wege zurücklegt, um nur ein bestimmtes Lebensmittel zu kaufen.