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Energiekrise macht Billigfliegen teurer

Ralf Teckentrup, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Fluggesellschaften und Condor-Geschäftsführer, sieht Preiserhöhungen von bis zu 20 Prozent für Flugtickets voraus. Schuld seien die gestiegenen Energiepreise.

Ralf Teckentrup im Gespräch mit Christian Schütte |
    Christian Schütte: Gewinneinbruch bei Ryanair. Air Berlin streicht Flugstrecken. Die österreichische Austrian Airlines ist angeschlagen. Die italienische Alitalia steckt seit langem in der Krise. Bei der Lufthansa Skepsis, was den Gewinn für 2008 angeht. Diese Liste ließe sich problemlos noch verlängern. Kurzum: Die erfolgsverwöhnte Boom-Branche Luftverkehr ist offenbar ins Straucheln geraten. An der Börse und in Wirtschaftsmagazinen ist die Rede von einer großen Krise, von einem bevorstehenden Absturz. Grund: die Treibstoffpreise sind stark gestiegen. Das hat die Ticket-Preise erhöht und nun laufe die Kundschaft davon, heißt es. - Am Telefon ist Ralf Teckentrup, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Fluggesellschaften. Einen guten Morgen, Herr Teckentrup!

    Ralf Teckentrup: Schönen guten Morgen, Herr Schütte.

    Schütte: Viele Deutsche sind noch im Urlaub oder kommen gerade wieder zurück. Mallorca hin und wieder retour für 50 Euro, sind die Zeiten in Zukunft vorbei?

    Teckentrup: Ich kann nicht vorhersehen, wie günstig die günstigsten Sonderangebote nach Mallorca oder sonst wo hin zukünftig sein werden. Aber eines ist ganz, ganz sicher. Wenn die Treibstoffpreise und die Rohölpreise steigen, dann müssen die Fluggesellschaften ihre Preise im Durchschnitt erhöhen. Diese Preiserhöhung wird natürlich auch beim Kunden ankommen.

    Schütte: Über welche Dimension teuerer Tickets reden wir da?

    Teckentrup: Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Für uns, Condor, - ich bin ja auch der Geschäftsführer der Condor - bedeutet das, dass wir vom letzten Winter auf den kommenden Winter, den vor uns liegenden Winter die durchschnittlichen Preise der Condor in der Größenordnung von 15, 16 Prozent erhöhen werden müssen. In dem Bereich 10 bis 15, 20 Prozent je nach Airline, je nachdem wie gut die Sicherungsergebnisse im abgelaufenen Winter waren, wird das für alle Airlines auf dieser Welt liegen.

    Schütte: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt vor knapp einem Jahr gefordert, der Luftverkehr in Deutschland muss eine Wachstumsbranche bleiben. Flug-Tickets müssen günstig sein. Da haben Ihnen die explodierenden Energiepreise einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht?

    Teckentrup: Fliegen ist ja eine günstige Form der Fortbewegung. Wenn sie beispielsweise einen Flug auf die Kanaren haben, dann befördern wir unsere Passagiere für ungefähr dreieinhalb Liter Sprit pro 100 Kilometer auf die Kanaren. Also insgesamt immer noch eine sehr günstige Methode. Aber wenn die dreieinhalb Liter pro 100 Kilometer jetzt doppelt so teuer sind wie noch vor einem Jahr, dann bedeutet das, dass es für den Endkunden erst mal teuerer wird. Das kann im Durchschnitt durchaus 10, 15 Prozent teuerer werden. Das heißt aber nach wie vor nicht unbedingt, dass Fliegen nicht weiterhin eine Wachstumsbranche sein wird.

    Schütte: Im Juni allerdings sind die Passagierzahlen gefallen, lagen 1,2 Prozentpunkte unter dem Stand von vor einem Jahr. Insofern zeichnet sich doch ab, worauf die Branche da zusteuert?

    Teckentrup: Ja, natürlich. Jetzt gibt es erst mal einen Anpassungsbedarf. Das ist auch das, was wir in den Zeitungen lesen. Air Berlin reduziert Kapazitäten. Ryanair reduziert im Winter Kapazitäten. Auch Condor reduziert im Winter gegenüber dem Vorwinter Kapazitäten. Das ist eine Sache, die in der Airline-Industrie ich möchte nicht sagen etwas Übliches ist, aber in Zeiten von Krisen. Auch nach dem 11. September 2001 mussten vorübergehend Kapazitäten reduziert werden, damit die Kapazitäten, die fliegen, zumindest wirtschaftlich fliegen.

    Schütte: Herr Teckentrup, wenn wir das ein bisschen zusammenfassen, sagen Sie: Ja, die Branche steckt in einer Krise, aber vorher war Fliegen ohnehin etwas zu billig und jetzt schrumpft sich die Branche einfach ein bisschen gesund.

    Teckentrup: Ich würde nicht sagen, dass vorher die Tickets sowieso zu billig waren, sondern die Preise im Flugverkehr waren, basierend auf einem Erdölpreis von 50, 60, 70 Dollar, angemessene Preise. Jetzt ist der Rohölpreis gestiegen und er ist sicherlich nicht gestiegen wegen Fliegen, weil Fliegen macht zwei Prozent des weltweiten Bedarfs in der Größenordnung aus, sondern der Rohölpreis ist aus anderen Gründen gestiegen. Jetzt muss die Airline-Industrie versuchen, die Nachfragemenge und die Angebotsmenge wieder in Übereinstimmung zu bringen, so dass die Leute, die fliegen, auch den Airlines, die Flugangebote machen, ein wirtschaftliches Auskommen ermöglichen.

    Schütte: Herr Teckentrup, was ist Ihre Prognose? Wie viele Reisende, wie viele Touristen werden künftig von höheren Ticket-Preisen abgeschreckt und setzen dann eher auf die Bahn oder beispielsweise auf das eigene Auto?

    Teckentrup: Das wird nach Zielgebieten unterschiedlich sein. Je länger die Strecke ist, die zu fliegen ist, desto weniger hat man ja die Möglichkeit, sinnvoll durch Bahn oder Auto zu substituieren. Wenn sie die typischen Charter-Fluggesellschaften in Deutschland nach Palma, auf die Kanaren, nach Ägypten, in die Türkei nehmen - das sind die Hauptzielgebiete -, die kann man nicht einfach durch Landangebote substituieren, zumal da auch der Kerosinverbrauch oder der Benzinverbrauch nicht signifikant geringer wäre.

    Schütte: Aber dann könnten die Touristen einfach zum Bodensee fahren?

    Teckentrup: Es wird sicherlich eine ganze Anzahl Menschen geben, die sagen - und das ist der Punkt, auf den ich hinaus wollte -, statt zwei- oder dreimal im Jahr in Urlaub zu fliegen, fliege ich vielleicht einmal weniger. Oder statt einen Kurzfristurlaub in irgendeiner Stadt zu machen, einen Wochenendurlaub, den spart man sich weg. Solche Sachen werden sicherlich passieren. Wir gehen da in der Industrie schon von einem Nachfragerückgang aus. Das Problem ist wirklich zu quantifizieren: wie groß wird das wohl sein. Ich persönlich glaube, dass wir da irgendwo in der Größenordnung 5, 6, 7 Prozent Nachfragerückgang durchaus rechnen können.

    Schütte: Was bedeutet das denn konkret für die Billigflieger? Deren Konzept lautet ja, Gelegenheitsfluggäste und Urlaubswillige mit niedrigen Preisen anlocken. Dafür sind die Kunden dann auch bereit, entlegenere Flughäfen in Kauf zu nehmen. Wenn die Preise aber steigen, bricht dann dieses Geschäftsmodell zusammen?

    Teckentrup: Ich glaube nicht, dass es zusammenbrechen wird. Ich glaube einfach, dass es schwieriger wird, auf jeden Fall schwieriger wird, die Wachstumsgeschwindigkeit auch nur annähernd beizubehalten. Es wird eine Menge Leute in diesem Geschäftssystem geben, die dann nicht mehr fliegen wollen. Wenn man statt durchschnittlich 60 Euro pro Ticket zukünftig durchschnittlich 90 Euro bezahlen wird, dann werden dort weniger Fluggäste fliegen. Das kann man sicherlich ganz sicher vorhersagen. Wie viel weniger das sind, das ist immer die schwierige Vorhersage. Das weiß kein Mensch.
    Das betrifft einige kleinere, das betrifft vielleicht auch einige sowieso Wackelkandidaten. Da werden halt die Prozesse beschleunigt. Es bleibt auf jeden Fall extrem spannend in dieser Industrie. Ich glaube Phasen wie diese bedeuten dann, dass alle Airlines und das Airline-System letztendlich gestärkt daraus hervorgehen, denn unsere Industrie besteht sowieso aus insgesamt viel zu vielen Anbietern. Es gibt sehr viele kleine und mittlere Airlines und eigentlich ist das Thema Airline ein so wichtiges und auch wirtschaftlich gewalttätiges Thema, dass ein paar weniger Anbieter, die dann insgesamt mehr von der Sache verstehen, dem Markt glaube ich besser zu Gesicht ständen.

    Schütte: Und am Ende? Wie groß werden die preislichen Unterschiede zwischen einer Lufthansa und einem Billiganbieter noch sein?

    Teckentrup: Heute macht der Kerosinanteil bei einer Lufthansa, so viel ich das weiß, 25 Prozent der Gesamtkosten aus, bei einem typischen "low cost carrier" 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten. Es wird also immer auf gut Deutsch ein Preisunterschied in erklecklicher Größenordnung zwischen einem so genannten Billiganbieter und einem Netzanbieter wie Lufthansa und British Airways bestehen bleiben. Aber der schrumpft prozentual zusammen.

    Schütte: Wenn schon nicht beim Kerosin gespart werden kann, wo denn dann?

    Teckentrup: Ich halte die ganze Diskussion, die da ab und zu in der Presse geführt wird, auch von Airline-Vertretern, Kerosin ist jetzt doppelt so teuer geworden, jetzt müssen wir bei anderen Kosten in der Airline an der Kostenschraube drehen, für eine Farce, wenn ich das mal so sagen darf. An der Kostenschraube müssen sie als Airline-Manager sowieso immer drehen, da wo sie es können. Wenn Kerosin sich im Preis verdoppelt, dann können sie als Airline-Manager nur versuchen, diese höheren Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Das ist doch vollkommen klar. Kein Mensch kommt doch heutzutage auf die Idee, mit seinem Auto an die Tankstelle zu fahren und zu sagen, letzte Woche habe ich 1,20 bezahlt, diese Woche steht da 1,50, aber die 30 Cent Unterschied zahle ich nicht. Das soll mal der Tankwart machen. - Bei einem Flugzeug ist das ja nicht anders. Sie kaufen sich ein Ticket und darin ist eine bestimmte Kalkulation für den Treibstoff in der Größenordnung 30, 40 Prozent enthalten. Wenn dieser Treibstoff teuerer wird, dann ist es halt für den Endkunden auch teuerer, an seinen Zielort zu kommen. Dementsprechend muss er mehr bezahlen. Das wird sich überhaupt nicht vermeiden lassen. Bei den Preisentwicklungen, die Kerosin in den letzten zwölf Monaten durchlaufen hat, hat überhaupt gar keine Airline auch nur die geringste Chance, ohne Preiserhöhungen davon zu kommen. Das geht überhaupt nicht.

    Schütte: Ralf Teckentrup, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Fluggesellschaften. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Teckentrup: Danke schön!