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"Energiepolitik ist Sache des Wirtschaftsministers"

Der frühere Bundeswirtschaftsminister und FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff hat dem jetzigen Ressortleiter Michael Glos (CSU) mangelnde Durchsetzungskraft vorgehalten. Als Beispiel nannte er die Energiepolitik, die maßgeblich von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) formuliert werde. Sie gehöre aber klassischerweise ins Wirtschaftsministerium, betonte Graf Lambsdorff.

Von Bettina Klein |
    Bettina Klein: Herr Lambsdorff, das Wirtschaftsministerium wird gerne in Verbindung gebracht mit Namen der Vergangenheit, mit Politikern, die die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland erheblich geprägt haben, Ludwig Erhard, Karl Schiller. Auch Ihr Name fällt in diesem Zusammenhang. Sind die Zeiten vorbei oder ist es eine Frage der Persönlichkeit, wie das Amt ausgestatte wird?
    Otto Graf Lambsdorff: Ich glaube nicht, dass die Zeiten vorbei sind. Wirtschaftspolitik wird immer eine Rolle spielen, Wirtschaftspolitik muss immer formuliert werden, Wirtschaftspolitik muss immer dafür sorgen, dass die Bundesrepublik....
    Klein: Herr Lambsdorff, ich muss Sie grad kurz unterbrechen, wir haben hier eine Rückkopplung auf dem Sender, kann es sein, dass Sie Ihr Radio noch angeschaltet haben?
    Lambsdorff: Nein.
    Klein: Okay, dann schauen wir mal, ob es sich bessert. Entschuldigung, ich wollte Sie nicht unterbrechen.
    Lambsdorff: ...nein, dass die Bundesrepublik auf dem marktwirtschaftlichen Pfad bleibt und selbstverständlich, dass weiß ja jeder, hat das auch damit zu tun, welcher, wer nun Wirtschaftsminister ist, wie er das Amt auffasst, wie er das Amt gestaltet. Es kommt schon sehr auf die Person und auf die Aussagekraft und auf die Darstellungs- und auf die Überzeugungskraft an. Der Wirtschaftsminister muss auch im Land umhergehen und für Marktwirtschaft predigen. Jedenfalls haben das die Vorgänger des derzeitigen Wirtschaftsministers häufig getan und ich glaube, dass das richtig ist.
    Klein: Und vermissen Sie das beim amtierenden Minister?
    Lambsdorff: Es ist sicherlich schwierig für ihn in einer großen Koalition, das zum Ausdruck zu bringen und das, was zum Ausdruck gebracht werden muss und was wohl auch seiner persönlichen Überzeugung entspricht. Aber ich erinnere daran, ich war ja auch Wirtschaftsminister in einer Koalition mit einem größeren Partner.
    Klein: Mit der SPD auch, ja.
    Lambsdorff: Ja, manchmal gibt das ja sogar die Chance, sich gegen den größeren Partner abzusetzen und sich ein wenig auch zu profilieren und seine Meinung darzustellen. Der Wirtschaftsminister müsste nach meiner Meinung schon das eine oder andere, wenn er es schon nicht verhindern kann, so doch sehr deutlich sagen, dass er mit dem einen oder anderem, was hier getan wird, nicht einverstanden ist. Stattdessen kommen aber manchmal Signale, die ich nicht begrüße. Ich halte es zum Beispiel nicht für richtig, dass der Wirtschaftsminister sich gegen eine Erweiterung der Zuwanderung in den Berufen, für die wir Bedarf haben, zur Wehr setzt.
    Klein: Michael Glos pflegt Kontakte zur FDP. Wir haben in den vergangenen Tagen das eine oder andere Signal gehört, dass es doch so auch Gespräche noch mal gibt, gibt es Gemeinsamkeiten, wo würden Schnittmengen liegen, wenn es um eine gemeinsame Koalition ginge. Wäre er denn Ihr Wunschwirtschaftsminister in einer Koalition mit der Union, soweit sie zustande käme?
    Lambsdorff: Frau Klein, dass ist nun wirklich nicht meine Aufgabe, ich weiß nicht, wir reden über Koalition in meinen Augen viel zu früh. Richtig ist, dass jedermann weiß, dass gerade wirtschaftspolitisch zwischen CDU/CSU und FDP die Zusammenarbeit leichter wäre als mit anderen Parteien. Aber über Personen zu reden und dann noch über einzelne Inhalte, dass ist wahrlich zwei Jahre zu früh. Bundestagswahlen sind in zwei Jahren und nicht jetzt schon.
    Klein: Dann lassen Sie uns kurz allgemein beim Thema bleiben. Entschiedene Marktwirtschaftler, heißt es, sind bei der Union nicht mehr gefragt, seit die Partei mit der 2005 mit der Linie vom Leipziger Parteitag nicht so ganz das gewünschte Ergebnis bekommen hat, diplomatisch formuliert. Für die nächste Bundestagswahl setzt die Kanzlerin offenbar eher auf soziale und Umweltthemen. Wäre natürlich doch auch die Frage, wie die FDP-Politik aus Ihrer Sicht dann dazu passen würde?
    Lambsdorff: Also soziale und umweltpolitische Themen sind doch kein Gegensatz zu marktwirtschaftlichen Positionen. Das gehört alles zusammen, das ist ein großes Bündel von marktwirtschaftlichen Instrumenten und marktwirtschaftlichen Überzeugungen. Dass die Bundeskanzlerin sich vom Leipziger Parteitag 2003 inhaltlich verabschiedet hat, bedauere ich, kritisiere ich auch, aber sie ist weit davon entfernt, zum Teil sind das Konzessionen, die sie an die Koalition macht. Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass es auch ihre eigene wirtschaftspolitische und gesamtpolitische Überzeugung ist. Sie sieht, es ist wohl mehr die Einsicht der Notwendigkeit.
    Klein: Zum Wirtschaftsministerium, es wurde mit dem Wechsel zur rot-grünen Bundesregierung in den Kompetenzen beschnitten, dann zusammengelegt mit dem Arbeitsministerium, dann wurde die Fusion rückgängig gemacht, dann hat Edmund Stoiber für sich eine Art Superministerium kreieren wollen, dazu kam es dann eigentlich auch nicht. Täuscht der Eindruck, oder gibt es in diesem Ressort, was ja ohnehin ein Querschnittsressort ist, so eine Art Sinnkrise?
    Lambsdorff: Ich glaube das eigentlich nicht, ich jedenfalls, wenn ich mit Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums spreche und erst Recht mit dem Wirtschaftsminister, kann ich keine Sinnkrise entdecken. Aber es gibt vielleicht Schwierigkeiten bei der Formulierung dessen, was notwendig ist und bei der Durchsetzungsmöglichkeit. Manchmal vielleicht auch beim Durchsetzungswillen. Ich habe Entscheidungen gesehen, wie zum Beispiel das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis, dass ich mit marktwirtschaftlicher Überzeugungen nicht in Deckung bringen kann und ich sehe auch bei der Energiepolitik Vorstellungen, die immer stärker vom Umweltminister, von Herrn Gabriel bestimmt und betont werden, aber nicht vom Wirtschaftsminister und das ist seine eigentliche Zuständigkeit. Der Umweltminister ist für Umwelt zuständig und für Reaktorsicherheit, aber die Energiepolitik ist Sache des Wirtschaftsministers.
    Klein: Dennoch sagt man, niemand, keiner von den Unionsministern reibt sich derzeit so stark an der SPD wie Herr Glos und auch gerade sozusagen in Streitigkeiten mit Umweltminister Gabriel.
    Lambsdorff: Das ist im Prinzip richtig und diese Position kann ich ihm auch nur empfehlen, nicht nur aus taktischen Gründen, sondern auch der Überzeugung wegen.
    Klein: Wer hat eigentlich das Sagen in diesem Ministerium? Die Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums hört man irgendwann mal, es heißt dort, egal wer dirigiert, wir spielen stets die Neunte. Also wie einflussreich ist ein Minister in diesem Ministerium?
    Lambsdorff: Frau Klein, das ist eine Frage, wenn ich dann zurückdenke, ich glaube, bei mir war die Grundsatzabteilung außerordentlich stark. Sie müssen immer bedenken, der Staatssekretär, der dafür zuständig war, war Otto Schlecht und der Leiter der Grundsatzabteilung war Hans Tietmeyer. Die spielten gewiss die Neunte, aber sie spielten sie unter der Stabführung des Ministers und so muss es auch sein. Die letzte Verantwortung für die Wirtschaftspolitik im Wirtschaftsministerium trägt der Minister. Das ist in der Politik so. Es sind demokratische Einrichtungen. Dennoch ist die letzte Entscheidung des Ministers unvermeidlich und manchmal fragt man sich, wie demokratisch das sein kann. Aber die Abteilung, die Grundsatzabteilung ist eine ganz entscheidende Position des Wirtschaftsministeriums. Ich halte sie im Augenblick für gut und kompetent besetzt und der Wirtschaftsminister muss mit ihr arbeiten, nicht etwa ohne sie, oder gegen sie und das tut er auch nicht.
    Klein: Und Sie haben den Eindruck, er tut das mit der Grundsatzabteilung, nicht gegen sie.
    Lambsdorff: Ich glaube schon, dass das so ist, ja.