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Energiesparen beim Mobilfunk

Die Infrastruktur, die den guten Handyempfang in Deutschland ermöglicht, benötigt viel Energie. Doch wie kann diese eingespart werden? Um das zu untersuchen, hat das Projekt "ComGreen" das Bundesland Hessen in einer digitalen Simulation nachgebaut.

Von Jan Rähm | 17.12.2012
    Aktuell verschlingt die Mobilfunkinfrastruktur in Deutschland allein um die zehn Terawattstunden pro Jahr – das entspricht rund einem Zehntel der Jahresproduktion aller deutschen Kernkraftwerke. Pessimistische Schätzungen in den vergangenen Jahren gingen bisher davon aus, dass sich dieser Wert noch verdoppeln oder sogar verdreifachen könnte. Allerdings stützten sich die Prognosen auf unzureichendes Datenmaterial. Im Rahmen des Projekts ComGreen haben Wissenschaftler darum eine Simulation entwickelt, die sehr genaue Abschätzungen erlaubt. Dazu haben sie sich des Bundeslands Hessen bedient.

    "Wir haben die Besonderheiten des Bundeslands Hessen berücksichtigt, in dem wir einige Ballungsräume haben wie Frankfurt, Darmstadt, den Rhein-Main-Bereich. Da haben wir Kassel, aber wir haben auch ländliche Gebiete, auch Gebiete, wo reine Land- und Forstwirtschaft ist. Wo wirklich eine ganz geringe Netzabdeckung auch nur notwendig ist, was das Verkehrsaufkommen angeht. Und das war ein schöner Mix für dieses Bundesland für Deutschland. Wir haben eben nicht gesamt Deutschland simulieren können, weil das dann wieder den Rahmen der Simulationsumgebung gesprengt hätte. So kann man aber eben sehr schön, wenn man die Ergebnisse des Bundeslandes Hessen sieht, hochrechnen: Wie wären die Effekte für ein Mobilfunknetz in gesamt Deutschland."

    Jörg Aelken vom Netzwerkausrüster Ericsson steht vor einem großen Bildschirm. Über eine Landkarte Hessens sind Unmengen kleiner und größerer Punkte verteilt. Dazwischen Dutzende Linien gleich einem Spinnennetz. Neben der Karte sieht man bunte Diagramme.

    "Das ist das, was wir jetzt hier sehen. Einzelne Elemente betrachten den Energieverbrauch, die Verkehrslast über die Zeit und eben die Leistungsaufnahmen über die Zeit vom Gesamtnetz. Und wir haben eben auch eine Kartenimplementierung, wo wir alle 7000 Standorte aus dem Mobilfunknetz auch geografisch aufbereitet haben. Und da kann man eben auch selber reingucken und wenn man sich dafür interessiert, auch einzelne Standorte genauer untersuchen. Wie war die Verkehrslast genau an diesem Standort in der Simulation? Und eben auch: Wie war der Energieverbrauch?"

    Das Netzwerk, dass der Bildschirm zeigt, entspricht allerdings nicht ganz der Realität.

    "Als Referenznetz haben wir anhand von existierenden Netzplanungsempfehlungen und auch unter Berücksichtigung der Kapazitäten der einzelnen momentan zur Verfügung stehenden Geräte die Netztopologie aufgebaut. Ich muss dazu sagen, es entspricht nicht den tatsächlichen Standorten im Bundesland Hessen, weil die sind nicht unbedingt zugänglich. Deswegen haben wir ein virtuelles Netz für das Bundesland Hessen ermittelt und simuliert."

    Nachdem dieser erste Schritt fertig war, verfeinerten die Entwickler ihr gedachtes Abbild und förderten dabei gleich noch die ein oder andere Optimierungsidee zu Tage.

    "Wir haben mehrere Netztopologien hinterher miteinander verglichen und das sind dann eben auch Netztopologien, wie man sie heute eigentlich nicht finden würde. Insbesondere in den Zugangsnetzen, die heutzutage hauptsächlich als nicht redundante Baumstrukturen ausgeführt sind."

    Die Entwickler denken dabei an einen stark vernetzten Aufbau statt der einfach verzweigten Strukturen wie im Moment. So ließe sich durch gezielte Abschaltung einzelner Netzbereiche bei Bedarf Energie sparen und gleichzeitig würden Engpässe vermieden. In der fertigen Simulation können die Wissenschaftler um Jörg Aelken nun den Verlauf von Energieverbrauch, Datenaufkommen und Leistungsaufnahme auch einzelner Komponenten detailliert berechnen. Erste Ergebnisse gibt es bereits.

    "Das größte Einsparpotenzial ist, dass man lastadaptive Geräte insbesondere bei Basisstationen und bei Transportknoten hat. Die wirklich autark selber sich an die Verkehrslast anpassen, auch so entsprechend Schlafmodi unterstützen. Durch die reine Anzahl dieser Geräte im Netz ist das absolut das größte Einsparpotenzial. Wir können aber auch sehen, dass wenn wir aus den drei Bereichen redundante Netztopologie, lastadaptive Geräte und auch energieeffiziente Routingmechanismen, also wenn man alle drei miteinander kombiniert, können wir durchaus noch mehr Effekte und größeres Einsparpotenzial erzielen."

    Auf Basis der Ergebnisse wollen die Wissenschaftler nun den Mobilfunkbetreibern Vorschläge unterbreiten, an welchen Stellen die Netze auch einmal in Standby gehen könnten und wo zusätzliche Infrastruktur den Datenverkehr besser verteilen kann. Werden die Empfehlungen umgesetzt, könnte sich der Energiebedarf der Netze in Zukunft stabilisieren oder sogar wieder etwas zurückgehen.