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Energiewende
"Die Energiewende ginge billiger"

Niels Schnoor vom Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert den möglichen Anstieg der EEG-Umlage für Verbraucher. Schuld an der Erhöhung sei unter anderem der massive Zubau von Offshore-Windenergie im letzten Jahr, sagte Schnoor im DLF. Der sei gar nicht nötig - die Energiewende ließe sich auf anderem Wege günstiger gestalten.

Niels Schnoor im Gespräch mit Jule Reimer |
    Die Installationshubinsel "Thor" steht am 21.05.2014 bei Montagearbeiten an der Konverterplattform "Meerwind Süd/Ost" im Offshore Windpark von WindMW in der Nordsee rund 16 Seemeilen vor Helgoland, Schleswig-Holstein.
    Die Installationshubinsel "Thor" steht bei Montagearbeiten im Offshore Windpark von WindMW in der Nordsee rund 16 Seemeilen vor Helgoland. (picture-alliance / dpa / Christian Charisius)
    Jule Reimer: Vergangenen Herbst atmeten Stromkunden auf. Die EEG-Umlage, mit der die Erzeuger von Wind- und Sonnenstrom den Unterschied zwischen Stromgroßhandelspreis und deren höheren Erzeugerkosten vergütet bekommen, sank leicht ab nach Jahren stetigen und deutlichen Anstiegs. Doch dieses Jahr soll sie wieder leicht anziehen auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde, warnt heute die Denkfabrik Agora, die auch die Bundesregierung berät.
    In Berlin begrüße ich Niels Schnoor, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Herr Schnoor, die Bundesregierung hatte die Vergütung für Windstrom an Land und für Sonnenstrom deutlich abgesenkt. Damit sollten auch die Verbraucher weniger Kosten tragen müssen. Überrascht Sie jetzt der verkündete Anstieg der EEG-Umlage um 0,4 Cent? Im Mittel ist das 15 Euro pro Jahr für den durchschnittlichen Haushalt.
    Niels Schnoor: Überrascht bin ich eigentlich nicht, denn es war absehbar, dass die EEG-Umlage weiter steigen wird.
    Reimer: Warum?
    Schnoor: Das hat zweierlei Gründe. Zum einen, Sie haben es eben angesprochen: der niedrige Börsenpreis. Die Ökostrom-Anbieter bekommen für ihren Ökostrom nicht mehr so viel Geld an der Börse und da sie eine feste Vergütung bekommen, muss mehr über die EEG-Umlage ausgeglichen werden. Das ist der eine Grund. Und der andere Grund ist der massive Zubau an Offshore-Windenergie, den wir in diesem Jahr erlebt haben. Offshore-Windenergie ist die teuerste Erzeugungstechnologie bei erneuerbarem Strom und es werden sehr viele Anlagen gebaut weit draußen im Meer. Das kostet eine Menge Geld und auch das schlägt sich in der EEG-Umlage nieder.
    Reimer: Wir hatten aber in der Vergangenheit die Meldung, in dieser Berechnung für 2015 sei bereits ein großzügiger Puffer eingebaut gewesen. Der reicht dann nicht?
    Schnoor: Der reicht anscheinend nicht aus. Es sind zwar noch knapp drei Milliarden Puffer drauf auf dem EEG-Konto. Das wird auch nächstes Jahr ausgeglichen. Aber anscheinend ist der Offshore-Zubau zu teuer, um das abfedern zu können.
    Reimer: Und dieser Anstieg liegt jetzt nicht daran, dass vielleicht noch an anderen Stellschrauben gedreht wurde, zuungunsten der Verbraucher? In der Vergangenheit waren ja die Ausnahmen für die Industrie häufig ein Grund, warum die EEG-Umlage angestiegen ist.
    Schnoor: Genau. Das ist auch ein Grund. Da wurde im Zuge der EEG-Reform im letzten Jahr einiges verändert, auch zuungunsten der Verbraucher. Wir hatten uns da eigentlich was anderes erhofft, aber leider wurden die Industrieausnahmen ausgeweitet ein Stück weit, und auch das bedeutet für die Verbraucher höhere Kosten beim Strom.
    Reimer: Ginge die Energiewende billiger aus Ihrer Sicht, aus der Sicht eines Verbraucherschützers?
    Schnoor: Die Energiewende ginge billiger, definitiv. Windenergie an Land und Solarenergie sind sehr günstig mittlerweile. Paradoxerweise hat die Bundesregierung da in dem Bereich gebremst, während die teure Offshore-Windenergie weiter ausgebaut wird. Das muss nicht sein. Mit ein bisschen mehr Windenergie an Land und mehr Solarenergie geht die Energiewende deutlich günstiger.
    "Versorgungssicherheit ist überhaupt nicht gefährdet"
    Reimer: Aber teure Offshore-Energie bedeutet große Mengen Windstrom. Windenergie an Land ist eher Klein-Klein nebeneinander, oder?
    Schnoor: Nicht wirklich. Auch die Offshore-Windenergie ist nicht so zuverlässig, wie sie immer angepriesen wird, und sie ist sehr teuer. Die Kilowattstunde kostet mal fast doppelt so viel wie bei Windenergie an Land und ich glaube, da ist es offensichtlich, dass wir eigentlich den Zubau von Offshore-Windenergie ein bisschen reduzieren sollten und dafür mehr an Land ausbauen sollten.
    Reimer: Spielt bei der Preisentwicklung eine Rolle, dass die Bundesregierung gesagt hat, wir wollen Braunkohlekraftwerke oder wir brauchen auf jeden Fall Kraftwerke als Reserve für die sonnenarmen, für die windarmen Zeiten?
    Schnoor: Genau. Das wird sich auch noch mal in der Stromrechnung der Verbraucher niederschlagen, so wie die Bundesregierung das jetzt plant mit einer Kapazitäts- und Klimareserve, in die alte Braunkohlekraftwerke ausgelagert werden sollten, quasi Hartz IV für alte Kraftwerke. Das wird die Verbraucher auch noch mal Geld kosten, ist aber eigentlich überhaupt nicht notwendig. Zum Klimaschutz gibt es bessere Instrumente und eine Absicherung brauchen wir auch nicht, weil es gibt genug Kraftwerke am Markt und die Versorgungssicherheit ist überhaupt nicht gefährdet in Deutschland.
    Preise vergleichen
    Reimer: Was empfehlen Sie Verbrauchern?
    Schnoor: Verbraucher sollten auf jeden Fall sich ihre Stromrechnung genau anschauen und gucken, ob nicht ein anderer Anbieter günstiger ist. Gerade die Grundversorger verlangen doch höhere Preise als der Durchschnitt, geben vor allem auch die gesunkenen Börsenpreise nicht an ihre Kunden in vollem Umfang weiter. Da können Verbraucher sparen. Und natürlich ist Energieeffizienz auch immer ein großes Thema. Auch mit einer Ausstattung besserer Geräte kann man Strom sparen und damit auch Geld sparen.
    Reimer: Niels Schnoor vom Verbraucherzentrale Bundesverband zu der voraussichtlich erneut etwas steigenden EEG-Umlage. Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.