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Energiewende in den Niederlanden (3/5)
Hausbesitzer vom Gasausstieg überrumpelt

Ein Großteil der niederländischen Haushalte ist es gewohnt, mit Erdgas zu kochen und zu heizen. Jetzt werden Alternativen gesucht, ganze Viertel sollen sofort gasfrei werden. Vielen Wohnungs- und Hausbesitzern geht das zu schnell. Denn wer die Kosten dafür trägt, ist unklar.

Andrea Lueg | 12.12.2018
    Niederländische Reihenhäuser in Vollendam
    7,2 Millionen Häuser müssen in den Niederlanden für den Gasausstieg umgebaut werden (picture alliance/ dpa/ Thomas Muncke)
    Im niederländischen Werbespot sieht das alles ganz einfach aus. Der Mensch hat sich doch immer weiter entwickelt. Da wird der Neandertaler zum Sportler, aus Pferden werden Fahrräder und aus dem Fahrradständer eine Ladestation für E-Autos. Immer geht es weiter voran. Im rasanten Tempo.
    Heute kann sogar jeder heiraten, wen er will. Aber: Wie sieht's beim Energieverbrauch aus? Gar nicht so fortschrittlich: Wir heizen und kochen immer noch mit Erdgas, heißt es im Werbespot und das sei gar nicht umweltfreundlich.
    Aber: Auch da wollen wir den Fortschritt. Weg vom Gas – ist doch eigentlich logisch oder?
    Was in der Reklame so leichtfüßig, ja beinahe zwangsläufig evolutionär daherkommt, bereitet vielen Hausbesitzern in den Niederlanden Kopfzerbrechen. Denn der Beschluss der Regierung ist zwar gefallen, aber wie er umgesetzt werden und vor allem, wer die Kosten tragen soll, ist noch völlig unklar.
    "Wir haben ein normal isoliertes Haus und weiter nichts daran getan. Und jetzt fällt sowas vom Himmel. Also ich weiß noch nicht, was wir da tun müssen."
    Keine Antworten auf die Fragen der Hausbesitzer
    Jan Scherrenberg wohnt in Wageningen in einem gepflegten Reihenhäuschen aus den 50er-Jahren. Die Gemeinde hat beschlossen, dass sein Viertel sofort den Gasausstieg wagen soll. Für Jan Scherrenberg keine gute Nachricht. Wie er sind derzeit viele Hausbesitzer besorgt, weiß Hans Andre de la Porte von der Vereinigung Eigen Huis, so etwas ähnliches wie in Deutschland der Haus- und Grundbesitzerverband.
    "Die meisten Klagen hören wir darüber, dass die Hauseigentümer keine Antworten auf ihre Fragen bekommen und ihre Fragen lauten: Wie komme ich weg vom Erdgas, wie kann ich mein Haus nachhaltiger und sparsamer mit Energie versorgen und: Wie kann ich das bezahlen?"
    7,2 Millionen Häuser müssen in den Niederlanden für den Gasausstieg umgebaut werden. Für diejenigen, die das als erste wagen, hat die Regierung 90 Millionen Euro bereitgestellt. Doch wie das Geld verteilt wird, ist völlig unklar. Und auch, was am Ende der Hauseigentümer selbst tragen muss. Für Jan Scherrenberg ein Unding.
    Man könne doch erst dann etwas beschließen, wenn man weiß, wie man es umsetzen will. Welche alternative Energiequelle wird in Zukunft die richtige sein? Wo werden städtische Wärmenetze gebaut? Welche Maßnahmen kann man überhaupt jetzt schon ergreifen? Das wissen die Hauseigentümer bisher nicht.
    20.000 Euro pro Haus
    Auch Inge Koese zerbricht sich den Kopf über die Kosten des Gasausstiegs. Die Gemeinde hat ihr mitgeteilt, dass sie wie ihre ganze Nachbarschaft gasfrei werden soll. Sofort.
    "Da sind wir erstmal erschrocken! Das wird so 20.000 Euro pro Haus kosten. Und etwa zur gleichen Zeit, wo wir das bezahlen sollen, ist auch die Erbpacht für unser Haus fällig, und das sind auch so 20.000 bis 30.000 Euro."
    Jede Gemeinde, erklärt Hans Andre de la Porte, müsse bis zum Jahr 2021 einen Plan für den Übergang haben. Doch bis dahin stünden die Hausbesitzer ratlos da.
    Es gebe zudem eine Reihe von Unternehmen, die Lösungen anböten, die noch nicht ausgereift seien. Hybride Gasthermen zum Beispiel, also Wärme aus unterschiedlichen Energiequellen. Und die Lösungen, die schon gut funktionieren, wie etwa elektrische Wärmepumpen, würden in Zukunft sicher viel preisgünstiger werden. Deshalb rät Eigen Huis seinen Mitgliedern: nichts überstürzen. Und von der Regierung verlangt die Vereinigung: Der Energieumstieg müsse "Haalbar" und "Betaalbar" werden für die Hausbesitzer, also erreichbar und bezahlbar.
    Finanzierungsvorschläge und knapper Zeitplan
    Helfen sollen unter anderem spezielle Darlehen.
    "Gebäudegebundene Finanzierung. Das bedeutet, dass man ein Darlehen nicht auf seinen Namen, sondern auf sein Haus abschließt. Und wenn man sein Haus verkauft, dann geht dieses Darlehen auf den künftigen Eigentümer über. Das könnte eine Lösung für viele Finanzierungsprobleme sein, wir stehen der Idee positiv gegenüber, aber es gibt solche Darlehen noch nicht und sie dürfen auch keine großen Nachteile haben."
    Diese Darlehen sollen mit den Einsparungen aus niedrigeren Energiekosten zurückgezahlt werden. Doch das könne bis zu 20 Jahre dauern, warnt das Informationsbüro Milieu Centraal. Bisher, meint Hans Andre de la Porte, habe die Regierung die Hausbesitzer jedenfalls nicht auf ihrer Seite. Der Zeitplan sei zu knapp, es könne sein, dass das Ziel nicht erreicht werde.
    Dabei stehen die meisten Hausbesitzer durchaus hinter den gesteckten Zielen der Regierung, hat der Verband in einer Umfrage herausgefunden:
    "Unsere Mitglieder stehen dem sehr positiv gegenüber. Sie finden es wichtig wegen des Klimawandels, wir wollen einen sparsamen Umgang mit Energie, wir wollen helfen, den Klimawandel aufzuhalten und wollen zum Erreichen dieser Ziele beitragen."
    Diese positive Haltung zum Gasausstieg dürfe man nicht gefährden.