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Energiewende in den Niederlanden (4/5)
Utrecht will Vorreiter sein

Energieberater sind gefragt wie noch nie. Vor allem in der Stadt Utrecht, die so bald wie möglich von Erdgas auf erneuerbare Energie umsteigen will. Die Hoffnung ist, dass sich damit auch das soziale Klima in manchen Stadtvierteln verbessert.

Von Andrea Lueg | 13.12.2018
    Die Oudegracht in Utrecht. Im Hintergrund ist der Utrechter Dom zu sehen.
    Die Gemeinde Utrecht will mit ihren rund 350.000 Einwohnern ein Vorreiter beim Energieumstieg werden. Deshalb gibt es hier Unterstützung für alle, die selbst aktiv werden, etwa durch den Energieberater. (imago / Joana Kruse)
    Inneke und Bart Loeters kochen Kaffee und warten auf den Energieberater, der heute kommt. Sie wohnen in einer hübschen 30er-Jahre Wohnung in Utrecht. Die beiden wollen sich auf den Ausstieg vom Gas vorbereiten. Einen Energieberater kann man in der Gemeinde Utrecht online buchen. Das kostet erstmal 220 Euro. Werden die Maßnahmen umgesetzt, zu denen der Energieberater rät, dann erhält man diese Kosten zurück.
    Energieberater Hilbrand Kok erklärt den beiden erstmal, welche Möglichkeiten zur Isolierung des Hauses es gibt: Das Dach, der Boden, die Fenster – alles kann noch besser gedämmt werden. Dann nimmt Kok das Haus genauer unter die Lupe und betrachtet die Sache erstmal von unten:
    "Also der Fußboden kann komplett isoliert werden, hier im Kriechkeller ist genug Platz, um zu arbeiten. Wenn man das mit einer wärmereflektierenden Folie macht, das ist auch umweltfreundlich und wird etwa 1.200 bis 1.300 Euro kosten."
    Isolierung ist immer sinnvoll
    Auch die Wände und das Dach können besser isoliert werden. Isolierung mache immer Sinn, erklärt Kok, denn das spare Kosten, egal welchen Energieträger man nutze. Auf dem Dach lassen sich zudem leicht Sonnenpaneele anbringen, die etwa 2.000 Kilowattstunden Strom liefern könnten. Das reicht für das warme Wasser. Doppelverglasung hat das junge Paar dagegen schon in allen Räumen, also kein Grund für Veränderung.
    Die Gemeinde Utrecht will mit ihren rund 350.000 Einwohnern ein Vorreiter beim Energieumstieg werden. Deshalb gibt es hier Unterstützung für alle, die selbst aktiv werden, etwa durch den Energieberater. Im Stadtviertel Overvecht-Noord haben die Bewohner dagegen keine Wahl. Der Stadtteil ist einer von sechs sogenannten Proeftuinen, Versuchsgärten, im ganzen Land. In Overvecht-Noord müsste das Gasnetz ohnehin in den kommenden Jahren erneuert werden, erklärt Fred Jonker, Projektmanager Energie bei der Gemeinde Utrecht.
    "Logisch, dass man sich dann fragt: Sollen wir das überhaupt noch erneuern oder nicht? Außerdem gibt es in Overvecht viele Mietwohnungen und die Wohnungsgesellschaften, denen die gehören, die müssen in den nächsten Jahrzehnten auch gründlich sanieren. Es ist also sinnvoll, das miteinander zu verbinden. Overvecht-Noord ist außerdem eines der Gebiete, dem wir besondere Aufmerksamkeit schenken wollen, wo wir soziale Probleme lösen und für mehr Jobs sorgen wollen."
    Ein Problembezirk als Versuchskaninchen
    Overvecht-Noord gilt als Problembezirk, in den Mietkasernen wohnen viele Menschen mit niedrigem Einkommen, aber es gibt auch Gebiete mit Einfamilienhäusern. Doch auch deren Besitzer können sich in der Regel so grade die Hypothek fürs Haus leisten. 8.000 bis 9.000 Wohnungen müssen hier von Gas auf andere Energiequellen umsteigen. Aber warum soll gerade Overvecht-Noord mit seinen vielen Problemen Versuchskaninchen spielen?
    "Ich würde sogar sagen: gerade da. Dass die Gemeinde in soziale Verbesserungen und mehr Jobmöglichkeiten investieren will, dafür ist es natürlich eine schöne Kombination, wenn man auch dafür sorgen kann, dass die Menschen da eine niedrigere Energierechnung haben und für die Zukunft gerüstet sind."
    Ein Wärmenetz besteht in Overvecht bereits. Es muss nur durch eine andere Energiequelle versorgt werden. Erdwärme wäre möglich, Geothermie oder auch Biomasse, diese Wärme könnte dann in das bestehende Netz fließen, erklärt Jonker.
    Vorschläge für ein erdgasfreies Viertel
    Welche Energieform es dann letztendlich wird, weiß die Gemeinde noch nicht. Überhaupt sind viele Fragen noch offen. Doch die Gemeinde will den Einstieg im Einvernehmen mit den Bewohnern schaffen.
    "Wir haben ein Projektteam, da sitzt der Netzbetreiber mit drin, das Unternehmen, dem das Wärmenetz gehört, die Wohnungsgenossenschaften, das sind drei, Vertreter der Bürger und auch einer lokalen Energiegenossenschaft von Bürgern. Da besprechen wir die Pläne und jeder kann da Vorschläge machen, wie wir zu einem erdgasfreien Viertel kommen."
    Es sind viele Parteien, die man in diesen Prozess mit einbeziehen muss. Und die Sorgen und Bedürfnisse sind ganz unterschiedlich. Kann Overvecht bis 2030 gasfrei werden? Projektmanager Jonker ist optimistisch. In zwölf Jahren könne man sehr viel schaffen, meint der Projektmanager.
    Und auch in der Wohnung von Inneke und Bart Loeters macht sich Optimismus breit. Der Energieberater meint, der Ausstieg aus dem Gas sei hier recht einfach machbar. Jetzt müssen die beiden nur noch entscheiden, welche Energiequelle sie anstelle von Gas nutzen wollen. Und wie sie es finanzieren.