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Energiewende
Peter: Gabriels Plan ist zu kurz gefasst

Grünen-Parteichefin Simone Peter hat die Pläne von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur Einschränkung der Förderung Erneuerbarer Energien kritisiert. Sie kämen einer Ausbaubremse gleich und würden für die Verbraucher keine Entlastung bringen, sagte sie im DLF.

Simone Peter im Gespräch mit Christane Kaess | 20.01.2014
    Ein Porträt-Foto von Grünen-Chefin Simone Peter vor dem Parteilogo
    Grünen-Chefin Simone Peter fordert weniger Entlastungen für die Industrie bei der Ökostromumlage (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Christiane Kaess: Die Bundesregierung macht Tempo bei der Reform der Ökostrom-Förderung. Mit Einschnitten bei Subventionen und einer Ausbaubremse will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Energiewende zumindest nicht noch teurer machen. Ein Kernpunkt ist, dass es weniger Fördergelder beim Ökostrom geben soll und eine Abkehr von den auf 20 Jahre garantierten Vergütungen. Der garantierte Abnahmepreis für Ökostrom wird derzeit über eine Umlage auf der Stromrechnung von allen Bürgern gezahlt. Gabriels Plan sieht gleichzeitig vor, die erneuerbaren Energien insgesamt weiter auszubauen. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Insbesondere die Pläne für einen gedrosselten Ausbau der Windkraft an Land seien unsinnig, das meint Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig von der SPD. Am Telefon ist jetzt Simone Peter, Parteivorsitzende der Grünen. Guten Morgen!
    Simone Peter: Guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Frau Peter, was ist dagegen zu sagen, wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärt, wir bauen die erneuerbaren Energien weiter aus?
    Peter: Na ja, seine Ausbaudefinition hat einen Pferdefuß. Wir haben schon im Rahmen der Koalitionsverhandlungen beziehungsweise der Verabschiedung des Koalitionsvertrages kritisiert, dass eine Ausbaubremse für die erneuerbaren Energien vorgesehen ist, und genau das hat Wirtschaftsminister Gabriel nun umgesetzt in diesem Eckpunktepapier. Das heißt, es wird einen Deckel geben für die erneuerbaren Energien. Die sollen über einen bestimmten Prozentsatz nicht hinaus wachsen, und das kommt einer Ausbaubremse gleich. Zudem muss man sagen: Er hat die einzelnen Vergütungsförderungen für die erneuerbaren Energien so heruntergefahren, dass wir befürchten, dass es in Süddeutschland zu einem eingeschränkten Ausbau kommt, und vor allem die Bürgerenergie wird deutlich Verluste mit sich bringen.
    Kaess: Noch mal zurück zum Ausbau. Sie glauben nicht, dass der Plan aufgeht, 2025 einen Anteil von 40 bis 45 Prozent Ökostrom zu erreichen? Jetzt sind es ja 25 Prozent.
    Peter: Wir können deutlich mehr erreichen. Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2020 bereits 40 bis 45 Prozent erreichen können. Von daher ist diese Zielsetzung, bis 2025 diesen Prozentsatz zu haben, deutlich unambitioniert. Wir brauchen stärkere Ausbausignale und vor allen Dingen kommt es darauf an, den gesamten Strommarkt ins Auge zu fassen. Es kann nicht sein, dass die erneuerbaren Energien den Kosteneffizienz-Beitrag bringen sollen und auf der anderen Seite die Kohle weiter in die Netze gedrückt wird, die Kohle weiter boomt und man möglicherweise über einen sogenannten Kapazitätsmechanismus die Kohle auch noch weiter subventioniert. Dann gerät das ganze System ins Wanken und man kann nicht mehr von Energiewende sprechen.
    "Die EEG-Umlage ist der kostentreibende Faktor"
    Kaess: Aber bisher sind ja die Erneuerbaren der eigentliche Kostentreiber, und das versucht Gabriel jetzt einzuschränken, indem er diesen planlosen Ausbau von Ökostrom einschränken will. Was soll dagegen zu sagen sein?
    Peter: Nein, das ist ja genau nicht richtig, dass die Erneuerbaren der Kostenfaktor sind. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde in den letzten Jahren so verändert, dass die Bestandteile rundherum, jenseits der immer günstiger werdenden Quellen wie Wind und Solar, teurer wurden, nämlich die EEG-Umlage ist der kostentreibende Faktor, vor allen Dingen beruhend auf den umfassenden Ausnahmen für die Industrie. Die Industrie hat in den letzten Jahren immer mehr Subventionen bekommen beziehungsweise ist von der EEG-Umlage befreit worden, und das hatte die Kosten nach oben getrieben. Wir rechnen damit, dass es dieses Jahr einen Anteil von fünf Milliarden Euro sind, der allein die Industrie entlastet und die Verbraucherinnen und Verbraucher und den Mittelstand belastet. Hier muss man ran, hier drückt auch die EU-Kommission. Von daher ist unser klarer Appell - und da bleibt Gabriel auch sehr unverbindlich -, wir brauchen hier stärkere Entlastung und wir müssen vor allen Dingen auch das ganze Stromsystem angehen, damit der Kohlestrom zurückgedrängt wird. Sonst kommen wir nicht zu wirklichen Entlastungen.
    Kaess: Aber auch die garantierten Vergütungen sind der Kostentreiber, und da will Sigmar Gabriel jetzt ran.
    Peter: Das ist ja richtig. Das haben wir ja auch immer gesagt, dass man bestimmte Standorte, Windstandorte an Küstenorten zum Beispiel, dass da Puffer drin sind. Aber das, was Gabriel jetzt angeht, ist wirklich ein Rundumschlag. Er konzentriert sich vor allen Dingen auf die erneuerbaren Energien, die wir ja ausbauen wollen. Die Menschen wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir wollen die Bürgerenergie. Es wird jetzt immerhin schon fast jede zweite Kilowattstunde von Bürgerinnen und Bürgern als Ökostrom erzeugt. Es kann nicht sein, dass man hier nur die erneuerbaren Energien als Kostentreiber sieht und alle anderen Faktoren außen vor lässt. Das ist einseitig und lässt vor allen Dingen Klimaschutzaspekte außen vor.
    Kaess: Aber wenn die Grünen jetzt kritisieren, dass dieser Plan von Gabriel sozial und wirtschaftlich unausgewogen sei, was ist denn daran sozial, dass jetzt Mieter von Wohnungen über die hohen Stromkosten schlussendlich den Hausbesitzern die Solaranlagen finanzieren?
    Peter: Es ist grundsätzlich nicht in Ordnung, dass in den letzten Jahren nichts getan wurde, um den Strompreis irgendwie einzudämmen. Ich habe es eben angesprochen. Hauptkostentreiber unter Schwarz-Gelb sind die massiven Privilegien der großen Unternehmen.
    "Wir brauchen andere Ansätze"
    Kaess: Das haben wir verstanden. Aber auch die will Gabriel ja zurückfahren.
    Peter: Na ja, das hat er nicht konkret geäußert. Da steht drin, man will sich mit der EU-Kommission verständigen, aber uns ist das viel zu vage. Da steht weiterhin drin, dass man möglicherweise Kohlstrom subventionieren will. Das heißt, man will einen weiteren Markt eröffnen, der wieder die Kosten nach oben fährt. Wir brauchen neben der verständlichen Kürzung bei einzelnen erneuerbaren Energien - da sind wir ja ganz bei Gabriel - aber auch ein Gesamtkonzept, wie wir die Kosten dauerhaft stabil halten. Das erklärt er nicht. Mit Kapazitätsmärkten und mit mangelndem Engagement in dem gesamten Energiesystem voranzugehen, ein neues Energiesystem-Design zu etablieren, wird er nicht weit kommen mit einer Strompreis-Bremse. Das heißt, wir brauchen andere Ansätze. Das reicht nicht aus.
    Kaess: Aber wenn wir noch mal auf die Verbraucher schauen: Die Verbraucherzentrale sieht in den Plänen von Gabriel durchaus einen Schritt nach vorne. Stehen die Grünen also nicht so nahe an den Verbrauchern, wie zum Beispiel jetzt die Verbraucherzentralen sich äußern?
    Peter: Nein. Die Verbraucherzentralen setzen auch darauf, dass die Bürgerenergie, erneuerbare Energie, erhalten bleibt, und das muss im Fokus stehen. Wenn wir Sonne und Wind in den Fokus stellen wollen bei der Energieerzeugung, was ja Gabriel auch will, muss man aber trotzdem die anderen Faktoren mit aufnehmen. Es muss darum gehen, die Industrieprivilegien zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu ändern. Da ist spontan Einsparpotenzial von vier Milliarden Euro möglich. Es muss darum gehen, den Kohlestrom zurückzudrängen, dem CO2 einen Preis zu geben, damit wir vorankommen und nicht zu viel Strom in den Netzen haben, sodass Gaskraftwerke unrentabel bleiben. Das wird ja dann weiterhin leider so bleiben. Und wir brauchen klare Signale an die Bürgerinnen und Bürger, wie wir die Kosten eindämmen. Da ist Gabriels Plan zu kurz gefasst.
    "Eine dezentrale, eine demokratische Energieversorgung"
    Kaess: Frau Peter, wenn Sie die Bürgerenergie ansprechen, was wäre denn eigentlich so schlimm daran, wenn der Ausbau von Ökostrom nur noch professionellen Investoren überlassen werden würde?
    Peter: Das kann ich ganz und gar nicht unterschreiben. Wenn ich sehe, wie professionell hier zum Beispiel gerade die Energiegenossenschaften arbeiten, wenn Sie sich ansehen, dass da Bürgerinnen und Bürger vom ersten Tag an beteiligt werden und teilweise Projekte geplant werden ohne eine einzige Einwendung, dann kommt mir das oft professioneller vor, als wenn es von großen Energiekonzernen gemacht wird. Es ist ja gerade der Reiz, nachdem die Strommarkt-Liberalisierung nicht in dem Umfang passiert ist, wie das hätte sein sollen, dass über die Bürgerinnen und Bürger, über die Genossenschaften, über die Kommunen, über die Stadtwerke endlich eine dezentrale, eine demokratische Energieversorgung aufgebaut wird, und das darf man jetzt nicht abwürgen. Die zahlreichen Mechanismen, die Gabriel im Papier vorsieht, werden den Markt wieder eher auf große Energiekonzerne konzentrieren und die bürgernahe Energieversorgung, die auch akzeptiert ist vor Ort, weil man sich konkret beteiligen kann, die wird zurückgefahren. Das ist nicht im Sinne des Erfinders.
    Kaess: Aber dennoch ist es ja so, dass die Bundesregierung den Investoren bisher jedes Risiko abgenommen hat, und der Verbraucher hat letztendlich bezahlt.
    Peter: Bei größeren Projekten war das durchaus der Fall. Die Gesamtsystematik ist ja so, dass man verursachergerecht vorgeht. Keine andere Energiequelle, weder Atom noch Kohle, hat bisher die Preise transparent wiedergegeben, wie das bei den erneuerbaren Energien der Fall ist. Von daher bin ich sehr dafür, wenn man Kostenvergleiche angeht, dass es dann darum geht, alles genau zu analysieren. Die Atomenergie, die Kohleenergie wurde in den letzten Jahrzehnten mit weitaus mehr Mitteln subventioniert, während man bei den Erneuerbaren von verursachergerechten Umlagen spricht. Von daher geht es jetzt darum, einen ehrlichen Kostenvergleich anzustellen, und weil Kohle ein Klimakiller ist, geht es auch darum, dem CO2 einen preiszugeben und diese Energieversorgung zu den Erneuerbaren in einen ehrlichen Vergleich zu setzen.
    Förderung von Windenergie ist nötig, um einen Anreiz zu schaffen
    Kaess: In der Diskussion ist jetzt auch die Windenergie. Die Förderung für windstarke Standorte, die soll gesenkt werden. Warum sollten die auch Förderung nötig haben?
    Peter: Wir brauchen nach wie vor noch eine gewisse Förderung, die überhaupt den Anreiz setzt, Windenergie auszubauen. Natürlich ist es so, dass man die Förderung an küstennahen Standorten - und das haben wir ja in unserem grünen Eckpunktepapier auch klar gemacht - zurückfahren. Wir wollen auch Kosteneffizienz bei den Erneuerbaren erzielen. Nur Windenergie an Land ist einfach der Billigmacher unter den Energiequellen. Wir sind mittlerweile bei der Windstrom-Erzeugung auf dem gleichen Level wie Kohle- und Gaskraftwerke. Warum machen wir da nicht weiter und kriegen dauerhaft einen heimischen Energieträger, der uns umweltfreundliche und bezahlbare Energie liefert? Hier jetzt zu stoppen, nachdem wir so viel da reininvestiert haben, ist betriebs- und volkswirtschaftlicher Unsinn.
    Kaess: …, sagt Simone Peter. Sie ist Parteivorsitzende der Grünen. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Peter: Gerne geschehen! - Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.