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Energiewende
"Staatlich falsche Regulierung hat Markt zerstört"

Bei der Förderung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes habe es eine "absolute Fehlentwicklung" gegeben, sagte Hans-Joachim Reck vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) im DLF. Der Verband fordert, ein System zu implementieren, "was volkswirtschaftlich sinnvoll ist, aber auch marktkonform". Zudem müsse der Emissionshandel reformiert werden, so Reck.

Hans-Joachim Reck im Gespräch mit Jule Reimer | 17.06.2014
    Die Reform des EEG sorgt für Diskussionen.
    Gaskraftwerke sollten als Übergangstechnologie der Energiewende eingesetzt werden, doch die lohnen sich derzeit nicht. (dpa / picture-alliance / Julian Stratenschulte)
    Jule Reimer: Der Verband Kommunaler Unternehmen - kurz VKU genannt - vertritt über 1400 Stadtwerke in den Bereichen Wasser, Energie, Abwasser und Abfallwirtschaft. Viele kommunale Unternehmen haben sich auf die Energiewende eingelassen und beispielsweise in Gaskraftwerke investiert, die als Übergangstechnologie der Energiewende zur Bereitstellung des Grundangebots von Strom gepriesen wurden, weil die Sonne ja nicht immer scheint. Doch genau die Gaskraftwerke lohnen sich derzeit nicht. Das große Angebot an Sonnen- und Windenergie hat den Großhandelspreis für Strom fast halbiert und Braunkohle ist derzeit einfach billiger, denn die Preise für CO2-Emissionsrechte sind auch im Keller.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Herr Reck, Ihr Verband fordert jetzt eine Bezahlung für das vorsorgliche Bereithalten von Strom, um auch an sonnenarmen und windstillen Tagen in Deutschland die Energieversorgung zu sichern. Jetzt ist aber die EEG-Umlage bereits so hoch, dass es für viele Stromkunden schwierig ist, die Rechnung zu zahlen - und da wollen Sie noch was draufsetzen?
    Forderung nach einem marktkonformen System
    Hans-Joachim Reck: Nein, das wollen wir nicht, sondern wir wollen aufgrund einer absoluten Fehlentwicklung bei der Förderung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, die ja momentan geändert wird durch die Große Koalition - man muss sagen Gott sei Dank -, wir wollen, um Versorgungssicherheit für den Industriestandort Deutschland auch zukünftig zu gewährleisten, ein System implementieren, was volkswirtschaftlich sinnvoll ist, aber auch marktkonform, also wettbewerblich orientiert ist. Wir wollen ein System, was finanziert die Zurverfügungstellung von Leistungskapazitäten. In einer dezentralen wettbewerblichen Ausschreibung sollen entsprechende Zertifikate erstellt werden und vor allen Dingen von den Kunden erworben werden, die hier gesicherte Leistung brauchen.
    Reimer: Was ist denn dann das Kriterium? Diverse Unternehmen - das eine hat ein Gaskraftwerk, das andere hat ein Atomkraftwerk, das dritte hat ein braunkohlebetriebenes Kraftwerk und die Bundesregierung sagt, wir haben Sorge, es gibt Engpässe und wir brauchen jetzt so und so viel Megawatt Kapazität, oder es sind dann größere Mengen natürlich. Wie funktioniert das dann?
    Reck: Das ist genau das Problem. Momentan haben wir ein System, das die erneuerbaren Energien, deren Aufwuchs wir grundsätzlich aus Klimaschutzgründen befürworten, aber dazu führen aufgrund ihrer Privilegierung der Direktvermarktung, dass sich hoch effiziente Kraftwerke, die nur noch geringe Laufzeiten haben, nicht mehr rechnen. Wir brauchen aber gleichzeitig, um den Atomausstieg, auch was die Grundlast angeht, abzusichern, konventionelle Kraftwerke in einer Größenordnung von 60 bis 80 Gigawatt. Das ist herrschende Meinung aller Beteiligter.
    Reimer: Aber wie soll es konkret funktionieren?
    Reck: Ja, das will ich Ihnen sagen, indem die Vertriebe, die jetzt bisher den Strompreis über die Arbeit verkaufen, noch eine zusätzliche Komponente veräußern, nämlich einen Leistungszuschlag erheben. Der wird nach unseren Berechnungen durchschnittlich einen normalen Haushalt mit acht Euro pro Jahr belasten. Wir machen einen Vorschlag, weil eine Marktimplementierung ist dreimal sinnvoller als das jetzige System, was wir haben, wo nämlich die Regulierungsbehörde Kraftwerke einfach in intransparenten Formen in den Markt stellt, also nicht marktlich organisiert, oder aber wir haben auch Diskussionen in Bayern, wo Staatskraftwerke gefordert werden. Das hat mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Wir stellen ein Modell vor, wo die Vertriebe, die in dem jetzigen System schon Strom verkaufen, für diejenigen, die gesicherte Leistung brauchen, einen entsprechenden Zuschlag erheben, um in den Bilanzkreisen diese gesicherte Leistung marktlich konform, EU-binnenmarktkonform zur Verfügung stellen.
    Reimer: Klingt nach wieder einer Art indirekter Beihilfe.
    Reck: Nein!
    Reimer: Wie wollen Sie denn sicherstellen, wer dann tatsächlich den Zuschlag kriegt?
    Reck: Der Markt! – Der Markt!
    Reform des Emissionshandels
    Reimer: Aber wird dann die Klimafreundlichkeit eine Rolle spielen?
    Reck: Die muss obendrein noch eine Rolle spielen, natürlich, aber insbesondere durch einen Zertifikatehandel. Ich weiß ja, dass das sehr kompliziert ist, aber Sie müssen zur Kenntnis nehmen, auch die deutsche Bevölkerung muss zur Kenntnis nehmen, dass durch die Subventionsmechanik der erneuerbaren Energien momentan effiziente Kraftwerke nicht mehr im Geld sind. Das heißt, eine staatlich falsche Regulierung hat einen Markt zerstört, und wofür wir plädieren, ist jetzt die Integration eines Marktsystems, wo auch die konventionellen effizienten Kraftwerke marktgetrieben und nicht durch staatliche Regulierung wieder in den Markt gebracht werden. Das ist sehr kompliziert.
    Reimer: Warum möchten Sie nicht den Emissionshandel reformieren?
    Reck: Den müssen wir auch reformieren, weil momentan die Zertifikatepreise bei unter sechs Euro liegen und natürlich dann die alten Dreckschleudern - Sie haben es ja gerade zurecht beschrieben -, nämlich die Braunkohlekraftwerke, die schon längst abgeschrieben sind, wieder im Geld sind und wir momentan in Deutschland trotz Energiewende einen höheren CO2-Ausstoß haben. Also was wir machen ist momentan: Wir haben eine paradoxe Situation. Die Regierung hat das eigentlich auch erkannt, ist auf dem richtigen Weg. Was wir einfordern ist im Herbst eine Debatte über Leistungssicherung über Kapazitätsmärkte. Das fordern wir politisch.