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Entschädigungen für NS-Zwangsarbeiter

Nutz: Am Telefon begrüße ich nun Wolfgang Gibowski, Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft. Guten Morgen!

    Gibowski: Schönen guten Morgen.

    Nutz: Herr Gibowski, das waren ja deutliche Worte von Deborah Sturman. "Beschämend" sagt sie. Schämen Sie sich für die, die Sie vertreten?

    Gibowski: Um Gottes Willen! Frau Sturman drückt natürlich ihre Enttäuschung aus, dass die Summe nicht sehr viel höher geworden ist, wobei sie sich hier an den zum Teil fantastischen Summen orientiert in Amerika für Auseinandersetzungen nicht vergleichbarer Art. Wir kennen ja diese Fälle, wo solche Beträge gezahlt werden. Das war von vornherein hier in diesem Fall nicht zu erwarten.

    Nutz: Aber fünf Milliarden sind ja doch eine klägliche Summe im Vergleich, wenn man zumal weiß, dass man die Hälfte ohnehin steuerlich absetzen kann?

    Gibowski: Wieso sollen fünf Milliarden eine klägliche Summe sein? Fünf Milliarden sind fünf tausend Millionen. Wer da von kläglich spricht der weiß nicht, um wie viel Geld es geht.

    Nutz: Trotzdem noch einmal: Der Druck war ja groß auf die Industrie, mehr zu leisten. Es haben sich inzwischen mehr Firmen bereit erklärt, wie zum Beispiel Melitta oder Vorwerk erst gestern noch, sich an dem Fonds zu beteiligen. Kann das denn diese Summe möglicherweise doch noch einmal ändern?

    Gibowski: Auf keinen Fall! Die fünf Milliarden, die von der Wirtschaft zugesagt worden sind, verteilen sich im Augenblick auf zirka 60, vielleicht etwas mehr Firmen. Die können diese Summe alleine gar nicht aufbringen. Das heißt, sie sind darauf angewiesen, dass noch sehr, sehr viel mehr Firmen mitmachen. Erst dann wird es möglich sein, diese fünf Milliarden aufzubringen.

    Nutz: Waren Sie eigentlich, Herr Gibowski, in diesen Weg zum Vergleich mit eingebunden? Wussten Sie rechtzeitig, dass es nun zu einer Einigung kommen wird?

    Gibowski: Man konnte seit Beginn dieser Woche annehmen, dass es zu einer Einigung kommen wird. Man muss sich das so vorstellen, dass unabhängig von den Differenzen, die es über das Geld gab und der Vorstellung der Frage, wie soll das Geld zustande kommen, wer soll es aufbringen, schon eine ganze Weile ziemlich klar war, dass einfach aus politischen Gründen, auch aus moralischen Gründen, aus Gründen, die etwas mit den Anfängen Deutschlands zu tun haben, diese Gespräche nicht scheitern durften.

    Nutz: Ist es für Sie dennoch eine gewisse Art von Niederlage, wenn es, wie Sie es eben selber ja noch einmal erwähnt haben, nur gelungen ist, so wenige Firmen in diesen Fonds mit einzubinden?

    Gibowski: Auf keinen Fall, denn jetzt geht es ja erst los. Jetzt beginnt erst das weitere Einwerben von weiteren Firmen. Nachdem klar sein wird, wie groß der Betrag ist, um den es geht, nachdem die Firmen wissen werden, dass sie nichts mehr zuschießen müssen über das hinaus, was sie zu erwarten haben, man mit ihnen spricht, wenn klar sein wird, wie die Rechtssicherheit aussieht, dann werden auch mehr Firmen hinzukommen.

    Nutz: Die Rechtssicherheit aber kann ja, wie Frau Sturman eben erläutert hat, nicht wirklich festgeschrieben werden?

    Gibowski: Das ist alles anders zu verstehen, als es eben in diesem Interview zum Ausdruck kam. Es ist geplant, dass die amerikanische Regierung in Abstimmung mit der deutschen Regierung ein sogenanntes statement of interest formuliert, das den amerikanischen Gerichten empfiehlt, derartige Fälle nicht anzunehmen. Dass vergleichbare Fälle bereits jetzt abgewiesen wurden spricht dafür, dass auch dieses statement of interest in Zukunft von den amerikanischen Gerichten beachtet werden wird. Tatsächlich kann man rein theoretisch keine hundertprozentige Rechtssicherheit festschreiben. Da hat Frau Sturman Recht. Aber in der Praxis funktioniert dieses Verfahren.

    Nutz: Herr Gibowski, noch ganz kurz, wie werden jetzt die fünf Milliarden in den Fonds gelangen, so dass sie wie das übrige Geld auch möglichst rasch ausgezahlt werden können?

    Gibowski: Dieses Geld wird erst mal eingesammelt werden von den Firmen. Da haben wir klargemacht, dass wir einige Zeit dafür brauchen. Dann wird etwas anders, als Frau Sturman sich das vorstellt, die Verteilung des Geldes im Gesetz, das im Augenblick im Entstehen ist, bereits festgeschrieben werden, die Verteilung auf die verschiedenen Versöhnungsstiftungen in Mittel- und Osteuropa und auf die Claims-Conference. Insofern wird schon relativ bald klar werden, wie das Geld verteilt werden wird und wie es dann auch zu den Menschen kommt.

    Nutz: Das heißt, die Rechnung der Anwälte, dass Mitte nächsten Jahres die ersten Auszahlungen erfolgen könnten, trifft nicht Ihre Vorstellung?

    Gibowski: Doch. Wir wollen auch, dass das Geld so schnell wie möglich zu den Überlebenden kommt. Das ist das wichtigste überhaupt im Augenblick. Voraussetzung ist natürlich, dass das Gesetz verabschiedet wird. Da sind wir durchaus guter Hoffnung. Der Bundestag wird das bestimmt rasch machen, wenn die Einzelheiten klar sind, so dass man dann im Verlauf des Frühsommers nächsten Jahres mit den Auszahlungen wird anfangen können.

    Nutz: Vielen Dank. - Das war Wolfgang Gibowski, Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft im Deutschlandfunk in den Informationen am Morgen. Auf Wiederhören!

    Link: Liste von Firmen

    /cgi-bin/es/neu-interview/482.html