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Entscheidung über Austrittsabkommen
Brüssel vor dem Brexit-Gipfel

Am Sonntag treffen sich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel. Im Konsens werden sie dem Austrittsabkommen mit Großbritannien zustimmen, so zumindest ist es geplant. Scheitern könnte das Abkommen noch an Spanien und dem offenen Streit um die britische Exklave Gibraltar.

Von Paul Vorreiter | 24.11.2018
    Theresa May und Jean-Claude Juncker in Brüssel (21.11.2018).
    Theresa May und Jean-Claude Juncker in Brüssel (AP / Virginia Mayo)
    Sonntag Vormittag soll alles besiegelt sein: Dann müssen die 27 Staats- und Regierungschef im Konsens - also ohne den Widerspruch eines einzelnen Landes - das Austrittsabkommen und die politische Erklärung billigen, die das Zusammenleben von Großbritannien und EU in den Jahren nach dem Austritt skizziert. Danach treten die Vertreter vor die Presse und bewerten das Ergebnis. Ein solches Szenario ist anvisiert, doch ob es so kommt, ist noch nicht hundertprozentig sicher.
    Die hohen Regierungsbeamten der 27 EU-Staaten, die den Gipfel vorbereiten, haben in Brüssel über beide Dokumente zum Brexit beraten. Es gab weitgehend Zustimmung. Offen blieb der Streit über die britische Exklave Gibraltar. Hier liegt es nun an Madrid und London unter der Vermittlung der Kommission, eine Einigung bis zum Gipfel am Sonntag zu finden.
    Spanien besteht auf Veto-Recht bei Fragen rund um Gibraltar
    Spanien bestand zuletzt darauf, ein im Austrittsvertrag verbrieftes Veto-Recht zu erhalten - zu allen künftigen Entscheidungen rund um Gibraltar. Das will sich Madrid auch schriftlich von London zusichern lassen und droht mit einem "Nein" beim Brexit-Gipfel, wenn London nicht einlenkt. Im Interview mit dem britischen Sender BBC ließ die britische Regierungschefin Theresa May allerdings keine Kompromissbereitschaft erkennen:
    "Wir sind sehr eindeutig, unsere Haltung zur Souveränität Gibraltars hat sich nicht geändert und wird sich auch nicht ändern. Und das entspricht auch dem Willen der Menschen in Gibraltar. Sowohl, was die Verhandlungen zum Austrittsabkommen und der politischen Erklärung angeht, waren die Regierungen von Gibraltar und von Spanien eingebunden und wir haben uns dafür eingesetzt, dass Maßnahmen bezüglich Gibraltar getroffen werden. Nochmal, was die Regierung in London angeht, unsere Position ist klar, was die Souveränität von Gibraltar angeht."
    Könnte also am Streit über Gibraltar der Brexit-Gipfel scheitern? Noch bevor das Treffen der hohen Regierungsvertreter in Brüssel zu Ende ging, verbreitete der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, in Berlin verhalten Optimismus:
    "Das Verhandlungsergebnis ist das Ergebnis von sehr langen und sehr schwierigen Verhandlungen und was es an offenen Fragen gibt, daran wird noch gearbeitet. Wir gehen davon aus, dass bis zum Sonntag noch offene Fragen geklärt sind."
    Am Abend wird Theresa May zum zweiten Mal in dieser Woche mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude-Juncker sprechen. Am Mittwoch hatten beide schon etwa zwei Stunden lang über die politische Erklärung beraten. Darin anvisiert ist eine "umfassende Partnerschaft" inklusive einer Freihandelszone und enger Kooperation in vielen Bereichen.
    Übergangszeit bis 2022 möglich
    Das Vereinigte Königreich reklamiert für sich den Anspruch, eine unabhängige Handelspolitik zu führen. Großbritannien und die EU bezeichnen sich außerdem als "fest entschlossen", eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland zu vermeiden. Um Zeit zu haben, dieses Problem zu lösen, könnte eine längere Übergangsphase nach dem Brexit nützlich sein. Bisher waren anderthalb Jahre ins Auge gefasst. Nach neuestem Stand kann die Übergangszeit, in der sich für die Bürger Großbritanniens und der EU so gut wie nichts ändert, bis 2022 einmalig verlängert werden.
    Das Treffen von May und Juncker soll um 18 Uhr beginnen. Worum es da genau gehen wird, ist noch unklar. Fest steht dagegen, dass spätestens ab dann die entscheidenden Stunden beginnen, hin auf der Zielgerade zu einer möglichen Einigung beim Brexit-Gipfel am Sonntag.
    Ob Theresa May inzwischen der Stress rund um die Verhandlungen zusetze, wollten BBC-Hörer gestern von ihr wissen, wann sie zur Zeit ins Bett gehe und ob sie wohl sogar schon vom Brexit träume.
    Unterhaus entscheidet am 10. Dezember
    Auch wenn May es gelingen sollte, mit einem Austrittsabkommen und einer politischen Erklärung aus Brüssel zurückzukehren, dürften die schlaflosen Nächte erst noch folgen. Am 10. Dezember entscheidet das britische Unterhaus über das Brexit-Paket: Theresa May muss mit vielen Abweichlern in ihren eigenen Reihen rechnen. Erst dann entscheidet sich, was vom Brexit-Gipfel an diesem Wochenende noch übrig bleibt.