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Entscheidungen im Schweinsgalopp

Karl-Theodor zu Guttenberg habe in erster Linie Überschriften produziert, kritisiert der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Durch sein vorschnelles Agieren habe die Qualität seiner Arbeit gelitten. Bestes Beispiel sei die Aussetzung der Wehrpflicht.

Rainer Arnold im Gespräch mit Jasper Barenberg | 02.03.2011
    Jasper Barenberg: Gerade einmal 16 Monate war Karl-Theodor zu Guttenberg Chef im Verteidigungsministerium und hat doch die Bundeswehr in dieser kurzen Zeit umgekrempelt, wie kaum ein Minister vor ihm. Dazu gehört die Abschaffung der Wehrpflicht nach über 50 Jahren, dazu gehört auch der Plan, die Bundeswehr zu verkleinern und in eine Armee von Freiwilligen umzuwandeln. Politisch eine Herkules-Aufgabe, die gerade erst begonnen hat. Wie aber geht es jetzt weiter?

    Darüber möchte ich in den nächsten Minuten mit Rainer Arnold sprechen, dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD–Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen, Herr Arnold.

    Rainer Arnold: Schönen guten Morgen.

    Barenberg: Kann man zunächst einmal sagen, Herr Arnold, dass Karl-Theodor zu Guttenberg als bleibendes Verdienst behalten wird, die größte Reform in der Geschichte der Bundeswehr angestoßen zu haben?

    Arnold: Nein, es ist nicht die größte Reform. Es gab schon Vorgänger, die die Einheit bewältigen mussten, das heißt eine Bundeswehr von über 600.000 Soldaten deutlich kleiner machen mussten auf 340.000. Peter Struck hat die Bundeswehr so gewandelt, dass aus einer Armee des Kalten Krieges eine Einsatzarmee wurde. Und jetzt kommt – und das ist notwendig – eine weitere Reform. Es ist nicht die größte, es ist eine Reform in einer langen Reihe.

    Barenberg: Hat er Maßstäbe gesetzt als Verteidigungsminister?

    Arnold: Ich denke, die Maßstäbe sind nicht sehr positiv, weil er hat in erster Linie Überschriften produziert, aber keine Entscheidungen getroffen, und er hat immer durch sein vorschnelles Agieren dafür gesorgt, dass Themen im Schweinsgalopp bearbeitet werden mussten, und darunter hat die Qualität ganz, ganz stark gelitten. Das sieht man gerade beim Punkt der Aussetzung der Wehrpflicht. Er hat ohne Not den 1. Juli als Datum genannt, es war aber überhaupt nichts vorbereitet auf diesen Tag hin, und so ein gravierender Schritt, auf die Wehrpflicht zu verzichten, bedarf einer sehr, sehr sorgfältigen Vorbereitung für die Bundeswehr im gesetzlichen Verfahren, damit es keine große Lücke gibt bei der Gewinnung des Nachwuchses, und wir erleben gerade in diesen Wochen, wie groß die Lücke ist, und die wird in den nächsten zwei, drei Jahren die Bundeswehr sehr, sehr negativ prägen.

    Barenberg: Hätte ein SPD-Minister diese Reform durchsetzen können? Die Sozialdemokraten haben sich ja sehr schwer getan, einer Abschaffung der Wehrpflicht, einem Abschied von der Wehrpflicht zuzustimmen.

    Arnold: Nein, das ist ja nicht ganz so. Wir haben ja vor drei Jahren bereits auf unserem Parteitag in Hamburg gesagt, man kann bei der Wehrpflicht nicht einfach so weitermachen. Die sicherheitspolitische Analyse hat sich bewährt, oder aber auch die Frage der Dienstgerechtigkeit für die jungen Menschen ist eine drängendere, und deshalb haben ja auch wir vorgeschlagen, wir setzen zukünftig auf einen freiwilligen Grundwehrdienst, wollen aber den Gedanken des Engagements für junge Menschen in der gesamten gesellschaftlichen Breite noch stärken, auch in den sozialen Bereichen, auch im Umweltbereich, auch bei "Weltwärts", und insofern ist die Idee als solches, die Guttenberg jetzt vorgeschlagen hat, eine richtige. Wir hätten die gerne schon in der Großen Koalition gemacht, damals hat sich die CDU ja massiv dagegen gesperrt. Die Idee wird allerdings jetzt so schlecht umgesetzt, dass es schade ist für die eigentlich richtige Überlegung zu sagen, stärkt Freiwilligkeit für junge Menschen in der gesamten Breite.

    Barenberg: ... , sagt der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank, Rainer Arnold, für das Gespräch.

    Arnold: Danke auch.