Wieczorek-Zeul: Guten Morgen.
Spengler: Es heißt, Frau Wieczorek-Zeul, dass deutsche Zivilkräfte nach Kundus gehen sollen, um dort Wiederaufbauhilfe zu leisten. Was ist denn dort in Kundus notwendig an Hilfe?
Wieczorek-Zeul: Wichtig ist noch einmal, dass es eben eine Initiative ist, bei der es um das UN-ISAF-Mandat, ein erweitertes UN-ISAF-Mandat geht, das praktisch den Bereich der Sicherheit umfasst, und im Kontext des Petersberg-Prozesses für den politischen und wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Wiederaufbau Afghanistans steht, und umgekehrt gleichzeitig eben den Wiederaufbau, für den unser Ministerium zuständig ist und zuständig wäre. Und denkbar, darüber haben wir hier auch gesprochen, muss aber natürlich noch genauer bewertet werden, ist ganz sicher die Frage des Aufbaus ländlicher Entwicklung und Einkommen, damit Alternativen zum Einkommen dann auch da sind, wenn Soldaten demobilisiert werden; dazu gehört dann auch zum Beispiel der Zugang zur Elektrizitätsversorgung und zu sauberem Trinkwasser. Eigentlich ein Großteil dessen, was im besonderen Bereich unserer Entwicklungszusammenarbeit liegt.
Spengler: Das klingt aber danach, als würde es nicht mit einigen Dutzend Helfern getan sein, als müsste man doch ein paar mehr haben, oder?
Wieczorek-Zeul: Ja, wir werden das natürlich bewerten, was gemacht wird, und das muss ja eben auch mit den afghanischen Partnern besprochen werden, und dann werden wir das danach entscheiden. Es ist jedenfalls klar, dass es praktisch dann auch eine eigene Gruppe vor Ort sein muss, denn das ist bei der großen Entfernung zu Kabul so zusagend von Kabul aus nicht zu leisten.
Spengler: Das heißt, zum Schutz dieser zivilen Helfer, die ja nach Kundus sollen, sollen ja diese 250 deutschen Soldaten auch geschickt werden. Das hat die Regierung in Kabul Ihnen gegenüber begrüßt. Das heißt aber auch, dass Sie persönlich auch diese Entsendung begrüßen?
Wieczorek-Zeul: Es geht ja darum, dass die Soldaten, die dann in einem solchen erweiterten ISAF-Einsatz sind, den Bereich der Sicherheit umfassen. Das ist ja auch ihre Aufgabe hier in Kabul. Und das andere ist der Wiederaufbau. Insofern gibt es die eigenständigen, neben einander stehenden Konzeptionen. Das ist eben was anderes als die amerikanische Konzeption, die kritisiert worden ist. Die Nichtregierungsorganisationen, die erst mal Fragen hatten an das Konzept, haben dann natürlich festgestellt, dass es eben doch etwas anderes ist, als wenn es ein Einsatz im Rahmen des so genannten "Enduring Freedom"-Mandats, also der Terrorbekämpfung, unter amerikanischem Kommando wäre.
Spengler: Um es noch ganz klar zu sagen: Also die deutschen Soldaten wären nur zum Schutz der Aufbauhelfer da und würden selbst keine Aufbauarbeiten übernehmen?
Wieczorek-Zeul: Die deutschen Soldaten sind zur Sicherheit in dieser Region da. Das ist auch noch etwas anderes. In Kabul gibt es, wenn man es jetzt mal rechnet, rund 1.500 deutsche ISAF-Soldaten. Und es gibt rund hundert, vielleicht etwas weniger, im weitesten Sinne im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätigen deutschen Mitarbeiter, Helfer und Helferinnen. Und da akzeptiert das jeder. Da sagt jeder, das ist wunderbar, das es das nebeneinander gibt. Und was in Kabul gut läuft, oder jedenfalls doch gute Erfolge auch gehabt hat, das kann doch für Kundus und andere Regionen nicht schlecht sein.
Spengler: Woran liegt es denn, dass Hilfsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" oder Caritas von der Bundeswehr gar nicht geschützt werden wollen? Die haben gestern gesagt, sie fürchteten, dass durch die Vermischung militärischer und humanitärer Aufgaben die Gefahr für die Helfer eher größer wird, also wenn zum Beispiel Helfer von Militärs in Uniform geschützt würden?
Wieczorek-Zeul: Ich glaube, das liegt daran, dass bisher in der Öffentlichkeit eher dieses amerikanische Konzept, dieser so genannten Preventional-Reconstruction-Teams, diskutiert worden ist. Da gibt es sozusagen die Vorherrschaft des Militärs in einem solchen Aufbauteam. Unser Ansatz ist ein absolut anderer, und ich habe ja hier vor Ort in Kabul auch mit Nichtregierungsorganisationen gesprochen, die das auch für ein verständliches und überzeugendes Konzept gehalten haben. Es geht darum, dass so, wie es in Kabul ist, wo die ISAF dazu beiträgt, ein Klima der Sicherheit zu schaffen, auch in anderen Regionen ein Klima der Sicherheit geschaffen wird. Es geht nicht darum, dass die Wiederaufbauhelfer von den Militärs so zusagend beschützt werden. Und schon gar nicht geht es darum, dass irgendeine Nichtregierungsorganisation ihre Arbeit in irgendeiner Form beeinträchtigt sehen sollte.
Spengler: Frau Wieczorek-Zeul, könnten Sie mir einen für mich Widerspruch vielleicht aufklären: Es heißt einerseits, Sie haben es eben gesagt, man wolle die Soldaten dahin entsenden, um die Sicherheitslage nicht nur in Kabul, sondern eben auch in anderen Teilen des Landes zu verbessern. Das würde ja aber nur dann Sinn machen, wenn Kundus jetzt noch gar nicht sicher wäre. Und andererseits sagt man, es sei sicher, das sagt der Bundesverteidigungsminister. Weswegen sind dann die deutschen Soldaten dort nötig?
Wieczorek-Zeul: Also, Sie gehen doch sicher auch davon aus, dass die Menschen und diejenigen, die Politik in Afghanistan gestalten, ihr Land etwas besser kennen als der eine oder andere Kommentator, der das mit dem Fernstecher auch der Bundesrepublik macht. Und die sagen, es ist für sie eine wichtige Entscheidung, wie sie es auch im Übrigen von einer Reihe von anderen erwarten, in anderen Regionen tätig zu sein. Und insofern ist doch absolut klar, dass für dieses Land in mehreren Regionen solche Ansätze sinnvoll sind, dass die Regierung das entsprechend mit unterstützt und auch erwartet.
Spengler: Das heißt, Kundus kann auch nur ein Anfang sein?
Wieczorek-Zeul: Also, Sie können mich trotzdem jetzt auch nicht in irgendwelche Fangfragen locken. Es geht um die Frage, wie es die afghanische Regierung sieht, die auch mögliche andere Länder mit einbeziehen will. Es geht nicht darum, dass die Bundesrepublik jetzt über weitere Einsätze nachdenkt. Also da sollten Sie sich das gleich abschminken, solchen Versuch.
Spengler: Das war die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, in Kabul. Wir haben das Interview vor unserer Sendung aufgezeichnet, inzwischen ist die Ministerin auf dem Rückflug von Afghanistan.
Link: Interview als RealAudio
Spengler: Es heißt, Frau Wieczorek-Zeul, dass deutsche Zivilkräfte nach Kundus gehen sollen, um dort Wiederaufbauhilfe zu leisten. Was ist denn dort in Kundus notwendig an Hilfe?
Wieczorek-Zeul: Wichtig ist noch einmal, dass es eben eine Initiative ist, bei der es um das UN-ISAF-Mandat, ein erweitertes UN-ISAF-Mandat geht, das praktisch den Bereich der Sicherheit umfasst, und im Kontext des Petersberg-Prozesses für den politischen und wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Wiederaufbau Afghanistans steht, und umgekehrt gleichzeitig eben den Wiederaufbau, für den unser Ministerium zuständig ist und zuständig wäre. Und denkbar, darüber haben wir hier auch gesprochen, muss aber natürlich noch genauer bewertet werden, ist ganz sicher die Frage des Aufbaus ländlicher Entwicklung und Einkommen, damit Alternativen zum Einkommen dann auch da sind, wenn Soldaten demobilisiert werden; dazu gehört dann auch zum Beispiel der Zugang zur Elektrizitätsversorgung und zu sauberem Trinkwasser. Eigentlich ein Großteil dessen, was im besonderen Bereich unserer Entwicklungszusammenarbeit liegt.
Spengler: Das klingt aber danach, als würde es nicht mit einigen Dutzend Helfern getan sein, als müsste man doch ein paar mehr haben, oder?
Wieczorek-Zeul: Ja, wir werden das natürlich bewerten, was gemacht wird, und das muss ja eben auch mit den afghanischen Partnern besprochen werden, und dann werden wir das danach entscheiden. Es ist jedenfalls klar, dass es praktisch dann auch eine eigene Gruppe vor Ort sein muss, denn das ist bei der großen Entfernung zu Kabul so zusagend von Kabul aus nicht zu leisten.
Spengler: Das heißt, zum Schutz dieser zivilen Helfer, die ja nach Kundus sollen, sollen ja diese 250 deutschen Soldaten auch geschickt werden. Das hat die Regierung in Kabul Ihnen gegenüber begrüßt. Das heißt aber auch, dass Sie persönlich auch diese Entsendung begrüßen?
Wieczorek-Zeul: Es geht ja darum, dass die Soldaten, die dann in einem solchen erweiterten ISAF-Einsatz sind, den Bereich der Sicherheit umfassen. Das ist ja auch ihre Aufgabe hier in Kabul. Und das andere ist der Wiederaufbau. Insofern gibt es die eigenständigen, neben einander stehenden Konzeptionen. Das ist eben was anderes als die amerikanische Konzeption, die kritisiert worden ist. Die Nichtregierungsorganisationen, die erst mal Fragen hatten an das Konzept, haben dann natürlich festgestellt, dass es eben doch etwas anderes ist, als wenn es ein Einsatz im Rahmen des so genannten "Enduring Freedom"-Mandats, also der Terrorbekämpfung, unter amerikanischem Kommando wäre.
Spengler: Um es noch ganz klar zu sagen: Also die deutschen Soldaten wären nur zum Schutz der Aufbauhelfer da und würden selbst keine Aufbauarbeiten übernehmen?
Wieczorek-Zeul: Die deutschen Soldaten sind zur Sicherheit in dieser Region da. Das ist auch noch etwas anderes. In Kabul gibt es, wenn man es jetzt mal rechnet, rund 1.500 deutsche ISAF-Soldaten. Und es gibt rund hundert, vielleicht etwas weniger, im weitesten Sinne im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätigen deutschen Mitarbeiter, Helfer und Helferinnen. Und da akzeptiert das jeder. Da sagt jeder, das ist wunderbar, das es das nebeneinander gibt. Und was in Kabul gut läuft, oder jedenfalls doch gute Erfolge auch gehabt hat, das kann doch für Kundus und andere Regionen nicht schlecht sein.
Spengler: Woran liegt es denn, dass Hilfsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" oder Caritas von der Bundeswehr gar nicht geschützt werden wollen? Die haben gestern gesagt, sie fürchteten, dass durch die Vermischung militärischer und humanitärer Aufgaben die Gefahr für die Helfer eher größer wird, also wenn zum Beispiel Helfer von Militärs in Uniform geschützt würden?
Wieczorek-Zeul: Ich glaube, das liegt daran, dass bisher in der Öffentlichkeit eher dieses amerikanische Konzept, dieser so genannten Preventional-Reconstruction-Teams, diskutiert worden ist. Da gibt es sozusagen die Vorherrschaft des Militärs in einem solchen Aufbauteam. Unser Ansatz ist ein absolut anderer, und ich habe ja hier vor Ort in Kabul auch mit Nichtregierungsorganisationen gesprochen, die das auch für ein verständliches und überzeugendes Konzept gehalten haben. Es geht darum, dass so, wie es in Kabul ist, wo die ISAF dazu beiträgt, ein Klima der Sicherheit zu schaffen, auch in anderen Regionen ein Klima der Sicherheit geschaffen wird. Es geht nicht darum, dass die Wiederaufbauhelfer von den Militärs so zusagend beschützt werden. Und schon gar nicht geht es darum, dass irgendeine Nichtregierungsorganisation ihre Arbeit in irgendeiner Form beeinträchtigt sehen sollte.
Spengler: Frau Wieczorek-Zeul, könnten Sie mir einen für mich Widerspruch vielleicht aufklären: Es heißt einerseits, Sie haben es eben gesagt, man wolle die Soldaten dahin entsenden, um die Sicherheitslage nicht nur in Kabul, sondern eben auch in anderen Teilen des Landes zu verbessern. Das würde ja aber nur dann Sinn machen, wenn Kundus jetzt noch gar nicht sicher wäre. Und andererseits sagt man, es sei sicher, das sagt der Bundesverteidigungsminister. Weswegen sind dann die deutschen Soldaten dort nötig?
Wieczorek-Zeul: Also, Sie gehen doch sicher auch davon aus, dass die Menschen und diejenigen, die Politik in Afghanistan gestalten, ihr Land etwas besser kennen als der eine oder andere Kommentator, der das mit dem Fernstecher auch der Bundesrepublik macht. Und die sagen, es ist für sie eine wichtige Entscheidung, wie sie es auch im Übrigen von einer Reihe von anderen erwarten, in anderen Regionen tätig zu sein. Und insofern ist doch absolut klar, dass für dieses Land in mehreren Regionen solche Ansätze sinnvoll sind, dass die Regierung das entsprechend mit unterstützt und auch erwartet.
Spengler: Das heißt, Kundus kann auch nur ein Anfang sein?
Wieczorek-Zeul: Also, Sie können mich trotzdem jetzt auch nicht in irgendwelche Fangfragen locken. Es geht um die Frage, wie es die afghanische Regierung sieht, die auch mögliche andere Länder mit einbeziehen will. Es geht nicht darum, dass die Bundesrepublik jetzt über weitere Einsätze nachdenkt. Also da sollten Sie sich das gleich abschminken, solchen Versuch.
Spengler: Das war die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, in Kabul. Wir haben das Interview vor unserer Sendung aufgezeichnet, inzwischen ist die Ministerin auf dem Rückflug von Afghanistan.
Link: Interview als RealAudio