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Entwicklung der Rentenbeiträge

Heuer: Der Arbeitgeberpräsident rechnet mit einem Rentenbeitragsanstieg auf mindestens 19,9 Prozent im kommenden Jahr. Tun Sie das auch?

    Engelen-Kefer: Also, ich denke, wir sollten erst mal abwarten, wie sich das wirtschaftliche Wachstum entwickelt und das ist auch für uns die oberste Priorität. Bei den gesamten Reformen, die anstehen, fehlt uns diese Perspektive für mehr Wachstum, mehr Beschäftigung, weniger Arbeitslosigkeit, das ist für uns der Schlüsselfaktor und nicht das Herumkurieren an Symptomen und die ständige Verunsicherung, hier in diesem Fall von Rentnern.

    Heuer: Aber ausschließen tun Sie einen massiven Rentenbeitragsanstieg auch nicht?

    Engelen-Kefer: Also, ob massiv oder nicht massiv, wie gesagt, das hängt ab von der wirtschaftlichen Entwicklung und da muss gegengesteuert werden, dann kann man auch eben einen solchen Anstieg verhindern.

    Heuer: Nehmen wir mal zur Grundlage, was Dieter Hundt, was die Arbeitgeber, berechnet haben, nämlich diesen Rentenbeitragsanstieg auf 19,9 Prozent oder vielleicht sogar noch mehr. Vor diesem Hintergrund hat Dieter Hundt ja Sofortmaßnahmen vorgeschlagen: eine Nullrunde für Rentner, spätere Rentenauszahlungen und Einschnitte in der Hinterbliebenenversorgung. Lehnen Sie alle diese Maßnahmen ab, Frau Engelen-Kefer?

    Engelen-Kefer: Also, ich halte sie für alles andere als hilfreich, denn was passieren wird, ist, dass die Rentner ihr Portmonee noch mehr zuhalten. Das gilt dann wahrscheinlich genauso für die rentennahen Jahrgänge und auch vielleicht für Arbeitsnehmer im mittleren Lebensalter, die ja gar nicht groß mehr was verändern können und die mit Schrecken sehen, was da einige ihnen zumuten wollen. Und das wird die Binnennachfrage und die Binnenkonjunktur noch eher schwächen und deshalb, finde ich, sollte man sich wirklich seriöser mit den mittel- und längerfristigen Perspektiven befassen. Dass Änderungen erforderlich sind, die auch zusätzlich Rentner belasten werden, schließen wir nicht aus, aber dieses kurzfristige, hektische In-die-Tasche-Greifen grade bei den Rentner halte ich nicht für den geeigneten Weg.

    Heuer: Welche Änderungen, die auch Rentner belasten würden, würden Sie, würde der DGB, denn akzeptieren können?

    Engelen-Kefer: Ja, also das Allererste wäre, und da habe ich leider nichts von Herrn Hundt gehört, ist, wie wir denn Menschen im höheren Lebensalter länger im Erwerbsleben halten können. Das ist für uns einer der Schlüsselfaktoren. Die gesetzliche Rentenversicherung ist heute noch mit Milliardenbeträgen belastet aus dem Tatbestand, dass Arbeitsgeber und Unternehmen ältere Arbeitnehmer vorzeitig in den Ruhestand drängen. Ich bezweifle ja nicht, dass es in dem einen oder anderen Fall keine Alternative gibt, aber das ist bei weitem zu stark ausgedehnt heute, und da muss gegengesteuert werden, und da höre ich nichts von Herrn Hundt. Und da wollen wir ja anpacken als Gewerkschaften. Wir haben ja ein eigenes Konzept, was wir derzeit entwickeln, mit den Gewerkschaften, auch mit anderen Institutionen, hoffentlich auch mit den Arbeitgebern, wie wir Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen, Qualifizierung verändern, damit die Menschen länger im Erwerbsleben verbleiben können. Wenn es uns nur gelingen würde, das jahresdurchschnittliche Renteneintrittsalter von 60,5 Jahren um ein Jahr nach oben zu setzen, würden wir erhebliche Einsparungen bei den Beiträgen erreichen und da sollten wir alle anpacken.

    Heuer: Nun hat Herr Hundt sich aber doch, jedenfalls am Rande, zu solchen Vorruhestandregelungen geäußert. Er fordert Abschläge auch bei der Frühverrentung. Das würde doch zumindest die Attraktion der Frühverrentung geringer machen und vielleicht die Menschen länger im Job halten.

    Engelen-Kefer: Aber das ist immer das gleiche Schema, wir setzen nur an bei der Bestrafung der älteren Arbeitsnehmer. Wir wissen doch, wie die Realitäten sind. Die werden doch mehr oder weniger rausgedrängt aus den Betrieben, herausgemobbt. Heute können grade die Älteren häufig gar nicht mehr mithalten mit dem Tempo, das ihnen abverlangt wird. Sie hatten während ihres Erwerbslebens kaum Gelegenheit, an Weiterbildungen teilzunehmen, die von den Betrieben angeboten werden. Betriebe bieten Weiterbildung an für die Qualifizierten, für die Manager, für die hochqualifizierten Techniker, aber für den Rest, da ist es sehr, sehr mager und genau da muss angesetzt werden. Denn sonst haben wir keine Chance, sonst werden wir eine Verschlechterung nach der anderen machen, immer zu Lasten der Betroffenen. Und dann wundern wir uns hinterher, wenn die Menschen nichts mehr ausgeben und wenn die Konjunktur nicht auf die Beine kommt und es wäre schön, wenn dieser Zusammenhang einmal deutlicher gemacht werden könnte.

    Heuer: Frau Engelen-Kefer, eine mehr fiskalische Frage zu Schluss: Nach Hundts Berechnungen muss bei den Renten ein Betrag von 5 Milliarden Euro eingespart werden. Das passt nicht ganz zu Hans Eichels Sparetat. Ginge es nach dem, müssten sieben Milliarden bei der Rente gespart werden. Glauben Sie, Hans Eichel verzichtet auf Ulla Schmidts Sparerbeitrag von zwei Milliarden Euro zum Etat?

    Engelen-Kefer: Also, die Rentenversicherung ist keine Sparkasse des Bundesfinanzministers und es ist abenteuerlich, die Löcher, die aufgerissen wurden durch Fehler in der Steuerpolitik... Wir haben heute kaum mehr Unternehmenssteuern, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, und ich denke, da sollten erst einmal die Hausaufgaben gemacht werden und nicht jetzt die Rentenversicherung als Lückenbüßer herangezogen werden. Rentenleistungen sind Ansprüche der Betroffenen, die sie über ihre Beiträge erworben haben und der hohe Anteil des Staates über Steuern, der ist dafür da, versicherungsfremde Leistungen, Familienleistungen abzudecken. Das ist in Ordnung so und da soll man nicht immer versuchen, wieder reinzugreifen, das trägt auch nicht bei, Vertrauen zuschaffen und die notwendige Stabilisierung unseres Wirtschaftswachstums zu erreichen.

    Heuer: Ursula Engelen-Kefer, die stellvertretende DGB-Vorsitzende, war das im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Engelen-Kefer.

    Link: Interview als RealAudio