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Entwicklung in der AfD
"Die Fraktion ist schon seit längerer Zeit zerrüttet"

Man wolle sich von den Radikalen in der AfD-Fraktion abgrenzen, begründete Matthias Manthei, Ex-Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, seinen Fraktionsaustritt. Er stehe nicht mehr hinter den öffentliche Äußerungen einiger AfD-Protagonisten.

Matthias Manthei im Gespräch mit Stefan Heinlein | 28.09.2017
    Matthias Manthei, ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern. *
    Matthias Manthei, ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern. * (dpa / Christian Charisius)
    Stefan Heinlein: Die AfD ist die drittstärkste Kraft im neuen Bundestag. Mit 12,6 Prozent schaffte die Partei erstmals den Sprung in das neue Parlament. Der größte Triumph in der noch jungen Geschichte der Partei, und doch scheint es unter der Oberfläche kräftig zu gären. Mit Frauke Petry verlor die AfD ihre Vorsitzende und ihr lange Zeit prominentestes Gesicht. Doch auch in den Landesparlamenten gehen immer mehr Abgeordnete der AfD von der Fahne. So zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern. Dort haben vier Landtagsabgeordnete der AfD-Fraktion den Rücken gekehrt und eine neue Fraktion "Bürger für Mecklenburg-Vorpommern" gegründet.
    Einer, der die AfD-Fraktion verlassen hat, ist Matthias Manthei, bislang Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion in Schwerin. Guten Morgen, Herr Manthei.
    Matthias Manthei: Guten Morgen.
    Heinlein: Herr Manthei, warum kehren Sie der AfD-Fraktion den Rücken?
    Manthei: Wie Sie schon sagten: Vier Abgeordnete der alten AfD-Fraktion sind aus der Fraktion ausgetreten. Die Fraktion ist schon seit längerem, ich will mal sagen, zerrüttet. Es gibt grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über den Weg, den man als Oppositionsfraktion gehen sollte. Es ist im Grunde der gleiche Streit, der sich durch die Bundespartei, durch die Landespartei bis hin zu den Kreisverbänden durchzieht, und diese Auseinandersetzung haben wir in der Fraktion bislang nicht hinreichend führen können, sodass wir uns gezwungen sahen, diesen Schritt zu gehen.
    Heinlein: Ist Ihnen die AfD zu rechts, zu radikal geworden?
    Manthei: Wir sind ja nur erst einmal jedenfalls aus der Fraktion ausgetreten. Wir sind alle vier noch Mitglieder in der AfD. Im Übrigen sind auch alle vier Abgeordnete, die aus der Fraktion ausgetreten, alles Mitglieder der ersten Stunde. Wir sind alle seit dem Jahr 2013 dabei. Nein, wir sind noch Parteimitglieder. Und die Frage, ob die AfD zu rechts geworden ist, das sind so Dinge, Fragen, die immer gestellt werden. Ich persönlich bin nicht so ein Freund von Links- und Rechtseinteilungen. Ich halte das für Atavismen. Es ist eher eine andere Frage, finde ich. Es ist eine Frage, ob ich eher so einen radikalen Kurs gehen will, oder einen konservativen Kurs. Das ist eher so meine Denkweise und diese Frage muss die Fraktion jetzt entscheiden. Wir haben gestern offiziell die alte Fraktion angeschrieben und gebeten, hier ein gemeinsames Gespräch zu führen, weil wir die Wiedervereinigung der Fraktion anstreben.
    Heinlein: Kann man sagen, Herr Manthei, mit Ihnen und Ihren drei Kollegen, die jetzt die Fraktion verlassen haben, wird der bürgerlich-gemäßigte, der konservative Flügel der AfD, wie Sie es formuliert haben, in Schwerin geschwächt?
    "Wir vier verstehen uns alle als konservative Politiker"
    Manthei: Ja. Ich finde, das kann man auf jeden Fall so sagen. Wir vier verstehen uns alle als konservative Politiker. Wir sind definitiv keine Anhänger von Radikalisierungen, die wir in der Partei haben. Wir wollen hier eigentlich den Weg weitergehen, den die AfD damals eingeschlagen hat, mit anderen Schwerpunkten als denen, die jetzt so in der Öffentlichkeit präsent sind. Ich erinnere da an die Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Vernunft, Meinungsfreiheit, Subsidiarität in der EU. Das sind so unsere politischen Schwerpunkte.
    Heinlein: Und drohen diese Werte jetzt verloren zu gehen, wenn Sie und andere die AfD verlassen, und Frauke Petry auf Bundesebene genauso?
    Manthei: Ich würde mal so sagen: Ja, sie drohen verloren zu gehen. Die Schwerpunkte haben sich ein bisschen verschoben. Und das ist etwas, was uns sehr ärgert. Die öffentlichen Äußerungen von Protagonisten in der AfD sind einfach Positionen, hinter denen wir nicht mehr stehen. Wobei ich noch mal sagen muss: Für uns wäre jetzt die erste Frage erst mal in der Fraktion, wie es da weitergeht, wie verhalten wir uns im Parlament, werden wir dort eine Fraktion, die auf totalen Konflikt geht und mit keiner anderen Fraktion in irgendeiner Form zusammenarbeiten will und einen anderen Politikstil pflegt. Oder machen wir hier einen sachlich-positiven konstruktiven Kurs, weil ich mir immer gesagt habe, bei meiner Politik geht es mir ausschließlich darum, was ist das Beste fürs Land. Und wir haben ja immer die Ideologien auch bekämpft der anderen Parteien. Sie wissen, in Schwerin gab es ja mal diesen Schweriner Weg in der letzten Wahlperiode. Solche ideologischen Vorgehensweisen lehnen wir ab. Wir wollen uns einfach immer inhaltlich mit den Anträgen auseinandersetzen und nicht alte Ideologien durch neue Ideologien ersetzen.
    Heinlein: Lassen Sie uns, Herr Manthei, noch ein wenig teilhaben am Innenleben Ihrer Partei. Wie tief sind denn die Gräben innerhalb der AfD? Ist die AfD ein Sammelbecken höchst unterschiedlicher politischer Strömungen – so verstehe ich Sie gerade – und niemand weiß ganz genau, in welche Richtung es geht in den kommenden Monaten und Jahren?
    Manthei: Das kann man auf jeden Fall so sagen. Es wird ja gerne gesagt, dass es normal ist in einer Partei, dass es verschiedene Strömungen gibt. Das ist ja sicherlich so gesehen erst mal richtig. Allerdings gibt es hier doch in unserer Partei – und das zieht sich leider auch bis in die Fraktion, worum es uns jetzt in erster Linie im Moment erst einmal geht – Richtungen, die man gar nicht mehr vertreten kann. Wenn es in die radikalen Denk- und Handlungsweisen geht, dann ist das natürlich irgendwo eine Grenze, die man ziehen muss. Und das ist so eines der Grundprobleme, die wir in der Fraktion, generell auch in der AfD haben. Dieses Wort "abgrenzen" ist für die radikale Seite ein Schimpfwort. Man nennt es dann Abgrenzeritis. Wobei wir klar sagen: Eine Partei ist Partei, sie muss parteiisch sein, sie vertritt bestimmte Dinge. Aber vor allem: Sie vertritt bestimmte Dinge eben auch nicht. Und das muss, glaube ich, so manches Parteimitglied noch lernen. Es kommt immer wieder das Argument der Meinungsfreiheit. Auch das ist nicht überzeugend, weil Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht, ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat und hat nichts mit einer Partei zu tun.
    "Die Handlungsweisen von Radikalen sind immer gleich"
    Heinlein: Herr Manthei, wenn ich Sie richtig verstanden habe: Es gibt auch Rechtsradikale, die ihre politische Heimat in der AfD haben. Und das stört Sie und deswegen treten Sie jetzt aus der Fraktion aus, in der Hoffnung, dass man sich noch abgrenzen kann von diesem Rechtsradikalen, diesen strammen Nationalisten?
    Manthei: Ich sagte schon, diese Einteilung in links und rechts halte ich für überholt. Radikale gibt es in jedem Fall. Das ist mir eigentlich egal, ob Sie sie Links- oder Rechtsradikale nennen. Die Handlungsweisen von Radikalen sind eigentlich immer gleich: Sie wollen keine Kompromisse eingehen, sie wollen auf die Straße gehen, sie wollen Radau machen, sie wollen, was weiß ich, andere Kundgebungen von politischen Mitbewerbern stören. Das sind alles so Dinge, die wir ablehnen. Wir wollen eine sachliche Auseinandersetzung. Und da versuchen wir, vielleicht hier noch die Fraktion wieder auf Kurs zu bringen.
    Heinlein: Kurz noch zum Schluss, Herr Manthei. Es wird spekuliert derzeit in den Medien, Frauke Petry und ihr Mann hatten sich so geäußert, dass man eine bundesweite CSU gründen will, also eine bürgerlich-konservative Partei.
    Manthei: Ja.
    Heinlein: Können Sie sich vorstellen, dass Sie und Ihre Mitstreiter auch dort dann eine politische Heimat finden, außerhalb der AfD, bei dieser bürgerlich-konservativen Partei, die jetzt noch "Die Blauen" heißt als Arbeitstitel?
    Manthei: Wir müssen jetzt erst mal abwarten, was in den Verhandlungen mit der Altfraktion passiert. Wir hatten eigentlich gehofft, dass wir uns da wiedervereinigen können. Allerdings sind die Signale seitens der alten Fraktion doch sehr ablehnend und wenig konstruktiv. Wir haben schon die Äußerung vernommen, dass überhaupt gar nicht verhandelt wird, entweder man tritt wieder ein in die alte Fraktion oder nicht. Das heißt, unsere Gedanken oder Sorgen werden offenbar überhaupt nicht ernst genommen, sodass wir dann überlegen müssen. Wir wollen wieder die Einheit der Fraktion. Wir wollen in der AfD bleiben. Wenn es natürlich nicht gewollt ist vonseiten der alten AfD-Fraktion, dann müssen wir tatsächlich überlegen, welche Option wir dann wählen.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Matthias Manthei. Herr Manthei, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Manthei: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    *Redaktioneller Hinweis: In der Bildunterschrift zu dem Interview wurde Herr Manthei fälschlicherweise als Landessprecher der AfD in Mecklenburg-Vorpommern bezeichnet. Er hat diesen Posten nicht mehr inne.