Donnerstag, 28. März 2024

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Entwicklungshelfer mahnt Einhaltung der G8-Zusagen an

Christoph Klitsch-Ott, Afrika-Experte der Hilfsorganisation Caritas International, betrachtet die Entwicklungshilfezusagen der Industrienationen anlässlich des G8-Gipfels mit Skepsis. "Man wird genau hinschauen müssen, was das für Geld ist, ob es wirklich um neues Geld geht und was da eingerechnet wird", sagte Klitsch-Ott. In den vergangenen Jahren habe es einige Rechentricks gegeben, zum Beispiel die Einrechnung von Schuldenerlassen in Zahlungen zur Entwicklungshilfe.

Moderation: Stefan Heinlein | 06.06.2007
    Stefan Heinlein: Sie sind nur Zaungäste in Heiligendamm: die sechs Staats- und Regierungschefs aus Afrika, die am Tisch der Großen und Reichen Platz nehmen dürfen. Schon in der Vergangenheit stand der ärmste Kontinent mehrfach im Mittelpunkt der Gipfeltreffen. Doch Afrika ist und bleibt das Sorgenkind der internationalen Politik. Hunger und Seuchen, Korruption, Kriege und Gewaltherrschaft prägen trotz aller Hilfen nach wie vor den Alltag in vielen afrikanischen Staaten. In Heiligendamm soll nun ein neuer Anlauf gewagt werden, die Entwicklung in Afrika voranzubringen. Im Vorfeld kündigten die USA und Deutschland eine deutliche Erhöhung ihrer Finanzhilfen an, andere G8-Staaten werden auf dem Gipfel vermutlich folgen.

    Ein möglicher Geldsegen für Afrika, über den ich jetzt reden möchte mit Christoph Klitsch-Ott, er ist Afrika-Experte der Hilfsorganisation Caritas International. Guten Morgen nach Bonn!

    Christoph Klitsch-Ott: Guten Morgen!

    Heinlein: Africa on the rise, Afrika im Aufbruch, so das Motto beim Deutschen Weltbankforum. Wunschdenken oder eine Beschreibung der Realität mit Blick auf diesen Gipfel?

    Klitsch-Ott: Nun, kurz vorweg, ich sitze hier in Freiburg, wo unsere Zentrale ist. Afrika vor dem Aufbruch, ich bezweifle das etwas, weil diese Ankündigungen ja schon mehrfach getätigt wurden auf dem letzten G8-Gipfel in Schottland, und schon vor 30 Jahren haben sich die Industrienationen verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe zu geben, wovon gerade die G8-Staaten sehr weit entfernt sind. Dieses Ziel haben nur einige skandinavische Staaten und Luxemburg erreicht bis jetzt.

    Heinlein: Sie haben Schottland, Sie haben den Gipfel vor zwei Jahren in Gleneagles angesprochen, in der Tat gab es damals viele Zusagen, die in der Tat längst nicht alle eingelöst wurden. Warum folgen so wenig Taten nach den großen Worten auf diesen Gipfeln?

    Klitsch-Ott: Zum einen hat natürlich jedes Land seine eigenen wirtschaftlichen Probleme, und die Entwicklungshilfe steht nicht ganz oben auf der politischen Agenda. Die meisten Länder haben die Probleme mit Haushaltskonsolidierung, so auch die deutsche Regierung, so dass also man weit entfernt ist davon, diese Zusagen von Gleneagles einzuhalten. Immerhin muss man der deutschen Bundesregierung zugute halten, dass sie trotz Haushaltskonsolidierung den Entwicklungshilfe-Etat nicht gekürzt und in letzter Zeit sogar leicht erhöht hat.

    Heinlein: Macht Ihnen das Hoffnung, dass die Bundesregierung die 750 Millionen jetzt angekündigt hat an zusätzlicher Afrika-Hilfe, und auch die Amerikaner haben ja im Vorfeld des Gipfels sich recht spendabel gezeigt.

    Klitsch-Ott: Man wird genau hinschauen müssen, was das für Geld ist, ob es wirklich um neues Geld geht und was da eingerechnet wird. Es gibt ja da in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Rechentricks, dass man zum Beispiel gerade den Schuldenerlass für die ärmsten Länder in die Entwicklungshilfe mit eingerechnet hat und so seine Quote nach oben gerechnet hat. Ob das legitim ist, erlassene Schulden, die sowieso niemand mehr eintreiben konnte, als Entwicklungshilfe zu verkaufen, das lasse ich mal dahingestellt sein. Die entwicklungspolitischen Organisationen werden sicherlich genau darauf schauen, ob wirklich der Entwicklungshilfe-Etat in den nächsten Jahren erhöht werden wird.

    Heinlein: Genügt denn, Herr Klitsch-Ott, Geld allein, um die Probleme Afrikas in den Griff zu bekommen?

    Klitsch-Ott: Geld alleine im Entwicklungshilfe-Etat reicht sicherlich nicht. Und von daher finde ich es auch gut, dass Afrika und Entwicklungshilfe immer wieder ein Thema auf dem G8-Gipfel ist. Es funktioniert natürlich nicht so, dass man oben Geld in das System hineinsteckt, und unten kommen glückliche Menschen heraus. Worüber man neben ganz konkreten Entwicklungshilfeprojekten im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich, im landwirtschaftlichen Bereich reden muss, sind natürlich auch die politischen Rahmenbedingungen. Und da sind wir noch weit davon entfernt. Ich nenne mal ein Beispiel: Die ganzen Agrarsubventionen in Europa oder auch in Nordamerika sind natürlich absolutes Gift für jede Entwicklung Afrikas oder die Länder der Dritten Welt. Wenn sie hoch subventionierte Hähnchen in Ghana oder in der Elfenbeinküste billiger kaufen können als lokal produzierte Hähnchen, dann ist das einfach ein riesiger wirtschaftlicher Nachteil. Ähnliches gilt für Baumwolle, die hoch subventioniert zum Beispiel von den USA auf den Weltmarkt gebracht wird, wo eigentlich Afrika viel billiger und günstiger produzieren könnte, aber eben aufgrund der Subventionen und Handelsrestriktionen keinen Zugang zum Markt hat.

    Heinlein: Die Probleme und die möglichen Lösungsansätze sind also bekannt. Glauben Sie, dass die Bereitschaft der großen Industrienationen, an diesen Regelungen etwas zu ändern, gestiegen ist?

    Klitsch-Ott: Wir haben zumindest einige Ansätze. Ein anderes Feld ist ja der ganze Rohstoffhandel, wenn Sie an die Kriege in Afrika denken. Jetzt steht ja Charles Taylor, der Ex-Präsident von Liberia, vor Gericht in Den Haag. Der hat ja seinen ganzen Krieg wie viele andere in Afrika finanziert über Rohstoffexporte, und diese Diamanten, Tropenholz haben viele Kriege in Afrika finanziert. Und da gibt es für Diamanten, für andere Rohstoffe einige Ansätze, diesen Handel besser zu kontrollieren, aber das müsste wesentlich besser organisiert und überwacht werden, um gerade auch die Geldströme, die in solchen Konflikten laufen, besser zu kontrollieren.

    Heinlein: Also der Erfolg der Entwicklungshilfe, der hängt auch von der Beteiligung und der Reformbereitschaft in den Empfängerländern ab. Hat sich da in den letzten Jahren etwas geändert, orientiert man sich an einem realistischen Afrika-Bild mittlerweile?

    Klitsch-Ott: Da ist zumindest für Afrika das Bild unterschiedlich. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, wo es sehr positive Entwicklungen gibt, wenn Sie zum Beispiel Mosambik nehmen oder Tansania, Länder, die einfach ein ganzes Stück vorangekommen sind auf dem Weg zu einer besseren Zukunft. Es hat eine ganze Reihe von Konflikten gegeben in den letzten Jahren, die beendet werden konnten und wo Hoffnung besteht. Aber da bleibt noch viel zu tun, gerade auch an den politischen Rahmenbedingungen. Und lassen Sie mich vielleicht noch einen Satz sagen: Wir haben in den letzten Jahren natürlich ein neues Problemfeld, das neue Akteure, internationale Akteure, insbesondere China, in Afrika auf den Plan getreten sind, die dort massiv in Wirtschaftsprojekte investieren, Staaten unterstützen, um im Gegensatz Rohstoffe zu bekommen, als Beispiel sei Sudan genannt, und die wenig Rücksicht auf Menschenrechte, auf Entwicklung für die Gesamtbevölkerung schauen.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk Christoph Klitsch-Ott, Afrika-Experte der Hilfsorganisation Caritas International. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Freiburg.

    Klitsch-Ott: Vielen Dank.