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Entwicklungspolitik der G7
"Wir müssen hart daran arbeiten"

Die G7-Vertreter diskutieren über die Entwicklungspolitik - und die USA treten auf die Bremse. Dadurch werde eine Einigung schwieriger, dennoch müssten die Staaten das Thema weiter verfolgen, mahnte Sibylle Pfeiffer, entwicklungspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, im DLF. Das liege in unserem eigenen Interesse.

Sibylle Pfeiffer im Gespräch mit Stephanie Rohde | 27.05.2017
    Mehrere Bewohner sitzen auf Säcken, in denen Hilfsgüter angeliefert wurden.
    Wie USA wollen ihre Mittel für Entwicklungsfinanzierung kürzen. (dpa-picture-alliance/Joe Giddens)
    Stephanie Rohde: Der Ort sollte die Botschaft sein: Nicht zufällig hat Gastgeber Italien den prestigeträchtigen G7-Gipfel auf die Insel Sizilien gelegt und damit nahe an das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer. Italien wollte damit unterstreichen, wie wichtig das Thema Migration für die italienische G7-Präsidentschaft ist. Und um das auch mit Inhalt zu unterfüttern, sollte auf den G7-Gipfel ein umfassender zur Bewältigung der Flüchtlingskrise erarbeitet werden und eine eigene Erklärung zur Migration, aber daraus wird wohl nichts. Die amerikanische Regierung hat das verhindert.
    Der zweite Kernpunkt der italienischen G7-Präsidentschaft war eine Initiative zur Ernährungssicherheit, aber auch die ist offenbar gescheitert. Heute steht die Entwicklungshilfe im Vordergrund. Es ist ein Treffen mit Vertretern mehrerer afrikanischer Länder geplant. Dort soll es dann um den Kampf gegen Hungersnöte gehen.
    Was bedeutet die Blockadehaltung der USA für die Entwicklungshilfe in afrikanischen Staaten und damit auch für die Migrationsfrage, die Europa weiterhin beschäftigt? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Sibylle Pfeiffer. Sie ist entwicklungspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion. Guten Morgen!
    Sibylle Pfeiffer: Guten Morgen, Frau Rohde!
    Rohde: Europa kriegt es nicht hin, G7 kriegt es offenbar auch nicht hin. Müssen wir uns jetzt also einfach damit abfinden, dass die Migrationsfrage in nächster Zeit staatenübergreifend nicht geklärt wird?
    Pfeiffer: Es wird sicherlich die Klärung länger dauern. Das ist tatsächlich das Problem. Die Einigung war vielleicht auch vorauszusehen, dass sie nicht passieren kann, aber wir müssen hart daran arbeiten, und wir werden daran hart arbeiten, weil wir in unserem eigenen Interesse daran arbeiten.
    "Wir vermerken steigende Zahlen bei Privatinvestitionen"
    Rohde: Sie sagen hart daran arbeiten. Die USA fahren ja einen Konfrontationskurs in der Migrationspolitik, aber auch bei der Entwicklungshilfe. Die USA sind die größte Gebernation, wollen sich aber, wenn es nach Trump geht, massiv aus der Entwicklungsfinanzierung zurückziehen. Muss man da nicht eingestehen, dass man in Zukunft eher weniger als mehr Entwicklungshilfe leisten wird und damit auch nicht die Migration in dem Maße beeinflussen wird, wie man das jetzt verspricht?
    Pfeiffer: Einerseits stimmt das, andererseits stimmt es nur bedingt, weil der Anteil der staatlichen Unterstützung, die sogenannte Oberquote, geht immer weiter zurück. Wir vermerken steigende Zahlen bei Privatinvestitionen, steigende Zahlen auch bei eigenen Ressourcen, die man in den Ländern durch Steuereinnahmen, durch Zölle, aber auch durch Einnahmen aus Ressourcen und so weiter erzielen kann. Das wird immer mehr, vielleicht zu langsam, aber da müssen wir auch unterstützend tätig sein.
    Rohde: Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller, der setzt ja mit seinem Marshall-Plan mit Afrika ganz wesentlich darauf, dass solche privaten Investitionen in den afrikanischen Staaten auch ankommen, aber ist das realistisch, darauf zu setzen, dass der deutsche Mittelstand jetzt in Burkina Faso, in Uganda oder in Äthiopien investiert, die ja zu den am wenigsten entwickelten Ländern des Kontinents gehören?
    Pfeiffer: Ja, das ist es.
    Rohde: Inwiefern?
    Pfeiffer: Wir haben dort einen Zukunftsmarkt, den man nicht unterschätzen darf. Wir sind da in Verhandlung auch mit der Industrie, aber vor allen Dingen auch mit dem deutschen Mittelstand. Wir haben große mittelständische Unternehmen, und die sind durchaus in der Lage, auch dort tätig zu sein, zu investieren, um dort einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Ja, das ist realistisch. Wir müssen es nur geschickt hinbekommen. Darum geht es auch in unserer Entwicklungszusammenarbeit, die wir vorwiegend auf die Rechtstaatlichkeit, auf die Rechtsicherheit, auf Dezentralisierung, auf die Infrastrukturmaßnahmen setzen, sodass die Voraussetzungen für eine Investition immer besser werden, und natürlich dauert das auch leider etwas länger, als wir glauben, aber es wird geschehen.
    "Wir müssen uns die Länder aussuchen, die willig sind"
    Rohde: Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise CARE bemängeln, dass sich diese Hilfe vor allem auf Länder konzentriert, die für die Migrationskontrolle auch interessant sind, und damit dann eben Gelder woanders, in anderen Ländern fehlen. Ist das wirklich nachhaltige deutsche Entwicklungspolitik?
    Pfeiffer: Ich würde es so nicht formulieren wollen. Ich würde es so formulieren, und auch die Praxis zeigt es, dass wir mit den Ländern zusammenarbeiten, die sich selber entwickeln wollen, die bekommen unsere Unterstützung. Da sind tatsächlich auch welche dabei, die genau da auch Hilfestellung bei der Migration leisten können, aber wir müssen uns die Länder aussuchen, die willig sind, die schon selber daran arbeiten, sich weiter wirtschaftlich zu entwickeln. Das sind unsere Ansprechpartner, und dort werden wir diese Unterstützung leisten, die notwendig ist.
    Rohde: Wo sehen Sie denn da genau Erfolge der aktuellen Entwicklungspolitik, vor allen Dingen im Bezug auf Migration? Also Kritiker sprechen ja davon, dass weniger Migranten kommen wegen der restriktiven Maßnahmen der EU, also Zäune in den spanischen Exklaven oder die Frontex-Schiffe im Mittelmeer, aber eben nicht die Entwicklungshilfe.
    Pfeiffer: Auch das stimmt nur bedingt. Das ist tatsächlich leider auch immer noch der Fall. Wir sehen aber auch, dass gerade diese Länder wichtig sind, weil wer verlässt schon gerne seine Heimat, und wir glauben, dass es wichtig ist, Arbeitsplätze dort zu schaffen, wo sie vorhanden sind, wo die Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben, wo sie ihre Familien haben. Deshalb müssen wir genau dort ansetzen, damit sie ihre Heimat eben nicht verlassen müssen, und da sind natürlich Länder dabei, die verstärkt auch in der Migration (…), Senegal zum Beispiel. Dort müssen wir investieren, und dort müssen wir den Menschen vor Ort eine Zukunftsperspektive schaffen.
    Rohde: Der "Guardian" hat ja im vergangenen Jahr berichtet, die EU wolle gemeinsam mit zum Beispiel dem Sudan und Eritrea regional Migration bekämpfen, und Partner in der Zusammenarbeit sei dabei die deutsche Entwicklungshilfeorganisation GIZ, die dem Entwicklungshilfeministerium untersteht. Können Sie ausschließen, dass Deutschland gerade solche Partnerschaften mit Diktaturen hat oder diese plant?
    Pfeiffer: Nein, können wir nicht ausschließen.
    Rohde: Warum?
    Pfeiffer: Wir müssen mit den Menschen zusammenarbeiten, die wir vor Ort vorfinden. Zum Teil sind die ja relativ demokratisch gewählt. Wir müssen mit den Menschen zusammenarbeiten, die diese Länder halt eben führen. Schauen Sie, wir müssen natürlich auch mit Trump zusammenarbeiten, wir müssen mit Erdogan zusammenarbeiten. Wir müssen auch mit Putin zusammenarbeiten. Alles vielleicht Länder und Regierungschefs, wo man sagt, das ist schon ein bisschen schwierig, aber …
    Rohde: Und dass man dann Diktatoren fördert, vor denen die Menschen wiederum fliehen, das nimmt man dann hin.
    Pfeiffer: Ich glaube, dass wir dort sehr große Erfolge erzielt haben in dieser Richtung, indem wir die Entwicklungszusammenarbeit und die Gelder, die fließen, konditioniert haben.
    Rohde: Können Sie da ein Beispiel nennen?
    "OECD-Kriterien, nach denen Gelder angerechnet werden können"
    Pfeiffer: Ich sage mal, diese Kriegsländer eher nein. Dort reduziert sich die Zusammenarbeit auf die humanitäre Zusammenarbeit, wie Somalia, wie Sudan und so weiter, aber dort, wo wir auch auf Despoten unter Umständen treffen, die trotzdem sich für ihr Volk einsetzen, dort funktioniert das schon, ja.
    Rohde: Ich würde gerne noch auf Deutschland ganz kurz gucken. Da gibt es diese Zielmarke von 0,7 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe. Die hat Deutschland jetzt endlich erreicht, aber Entwicklungshilfeorganisationen kritisieren, dass das nur geschafft werden konnte, indem die Flüchtlingsausgaben im Inland umdeklariert wurden als Entwicklungsausgaben. Ist das die richtige entwicklungspolitische Antwort auf Migrationsfragen?
    Pfeiffer: Die Antwort darauf ist, dass es von der OECD Kriterien gibt, nach denen Gelder angerechnet werden können, das gehört mit dazu. Das ist nicht etwas, was Deutschland alleine macht, das machen alle. Das sind offizielle, internationale Kriterien, und nach denen rechnen wir.
    Rohde: Das sagt Sibylle Pfeiffer, sie ist entwicklungspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion. Danke für das Gespräch!
    Pfeiffer: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.