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Entwurf für Zuwanderungsgesetz trifft auf starken Widerspruch bei der Union

    Breker: Herr Bosbach, stimmen Sie Ihrem bayerischen Kollegen von der CSU Beckstein zu, dass das Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Koalition in der bisherigen Form für die Union nicht akzeptabel ist?

    Bosbach: Da wird Ihnen die ganze Union zustimmen, ich natürlich auch. Wir haben bereits bei der ersten Vorstellung des Entwurfes von Herrn Schily Anfang August ausführlich begründet, warum die Vorstellungen von Herrn Schily für uns unter keinem Gesichtspunkt zustimmungsfähig sind. Mittlerweile hat ja Herr Schily eine ganze Reihe von Forderungen der Grünen, die er bis vor wenigen Tagen noch als völlig falsch abgelehnt hat, akzeptiert, das heißt: Der jetzige Gesetzentwurf von Rot-Grün ist noch weniger zustimmungsfähig als das ursprüngliche Werk von Herrn Schily.

    Breker: Innenminister Schily hat ja lange Zeit den Schulterschluss mit der Union gesucht. Fühlen Sie sich nun getäuscht von ihm?

    Bosbach: Nein, wir fühlen uns deswegen nicht getäuscht, weil wir von Anfang an dem Braten nicht getraut haben. Schily hat über Wochen hinweg einen waghalsigen Spagat ausprobiert, denn er hat der Union gegenüber signalisiert, unsere Anregungen und Bedenken berücksichtigen zu wollen, und das gleiche hat er auch gegenüber den Grünen gesagt. Allerdings vertreten die Grünen eine ganz andere Auffassung als die Union, die wollen ja die Zuwanderung nach Deutschland sehr weit ausdehnen. Wir wollen eine Begrenzung der uns belastenden Zuwanderung. Herr Schily hat in den letzten Tagen den Forderungen der Grünen zumindest teilweise nachgegeben und damit zu erkennen gegeben, dass er auf den Koalitionsfrieden mehr Wert legt, also auf Einigkeit mit den Grünen, als er Wert legt auf eine Zusammenarbeit und ein Zugehen auf die Union.

    Breker: Die Kritik von Seiten der CSU besteht vor allem darin, mit dieser Regelung würde man mehr Einwanderung schaffen. Mehr Einwanderung will auch die Wirtschaft und von der Wirtschaft geht ja auch ein gewisser Druck auf die Regierung aus, doch endlich eine Regelung für Zuwanderung zu finden.

    Bosbach: Ja, diese Argumentation überrascht, also das ist sehr zurückhaltend formuliert. Hier wird ja gelegentlich der Eindruck erweckt, als gäbe es kaum Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland. Wir haben im vergangenen Jahr einen Zuzug von 767.000 Ausländern gehabt. Jedes Jahr kommt eine Stadt etwa in der Größenordnung von Nürnberg oder Dortmund nach Deutschland, und alle diese Menschen müssen in unsere Gesellschaft, aber auch, wenigstens zu einem gewissen Umfang, auf dem deutschen Arbeitsmarkt integriert werden. Jetzt behauptet Herr Schily dadurch, durch die neue Regelung, würde die Zuwanderung nach Deutschland begrenzt. Das ist doch Volksverdummung! Wenn man neue Bleiberechte schafft und darüber hinaus neue Zuwanderungstatbestände und zwar sowohl aus humanitären Gründen als auch auf den deutschen Arbeitsmarkt, obwohl die Arbeitslosenzahlen stetig steigen, kann es im Ergebnis - logischerweise - nur zu einer erheblichen Ausweitung der Zuwanderung führen, nicht etwa zu einer Reduzierung kommen.

    Breker: Nun ist sich die rot-grüne Koalition allerdings ihrer Sache ziemlich sicher, sogar für den Bundesrat, wo die Regierung ja keine Mehrheit hat. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler hat heute erklärt, es bedarf lediglich ein paar anständiger Leute im Bundesrat, und dann könne das Gesetz durch. Teilen Sie seinen Optimismus?

    Bosbach: Das ist kein Optimismus, das ist Frechheit, hier zu unterteilen zwischen den Anständigen, das sind diejenigen, die Rot-Grün zustimmen, und den Unanständigen, denen offensichtlich das richtige politische Bewusstsein fehlt, die nicht damit einverstanden sind, dass wir die erhebliche Zuwanderung nach Deutschland noch weiter ausweiten. Das ist übrigens mit der Union eine breite Mehrheit der Bevölkerung. Diese breite Mehrheit der Bevölkerung wird von Herrn Stiegler mal eben als unanständige Mitbürgerinnen und Mitbürger bezeichnet. Weder die Union hat im Bundesrat eine Mehrheit noch die SPD-Seite. Ich kenne kein einziges Bundesland, das unionsgeführt ist, das die Auffassung vertritt, dass das, was Rot-Grün jetzt verabredet hat, zustimmungsfähig ist. Bleibt es bei dem, wird es keine Zustimmung der unionsgeführten Bundesländer geben. Wenn man deren Zustimmung haben will, muss das Gesetz von Grund auf neu gefasst werden und sich zumindest an den Kernforderungen der Union orientieren.

    Breker: Allerdings ist es so, dass auch die Union ihre Erfahrungen im Bundesrat mit dieser Regierung Schröder gemacht hat, denn er schafft es ja schon, den ein oder anderen aus Ihren Reihen zu überzeugen.

    Bosbach: Herr Breker, weil wir - Sie meinen jetzt die Steuerreform - die Erfahrung gemacht haben im Bundesrat, und weil das eine bittere Erfahrung war der Union, bin ich der festen Überzeugung, dass sich das nicht noch einmal wiederholen wird.

    Breker: Es könnte sein, dass die Zuwanderung so zu einem Wahlkampfthema wird. Ist Ihnen das Recht?

    Bosbach: Also die Zuwanderung wird sicherlich ein Wahlkampfthema werden, das beherrschende, das glaube ich nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Themen Äußere und Innere Sicherheit, Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Finanzpolitik beherrschendere Themen sein werden. Wir haben in den letzten ein-, anderthalb Jahren über die Themen Zuwanderung und Integration sehr ausführlich gesprochen, auch sehr sachlich gesprochen. Warum sollte man diese sachliche Debatte im Bundestagswahlkampf nicht fortsetzen? Die Menschen, die am 22. September den Deutschen Bundestag wählen, die müssen natürlich auch wissen, für welche ausländerpolitischen und integrationspolitischen Forderungen die Parteien stehen.

    Breker: Allerdings werden natürlich die Rechtsaußen auch dieses Thema sichern.

    Bosbach: Genau, und deswegen ist es wichtig, und wichtig, dass sich die im Bundestag vertretenen Parteien, insbesondere die beiden großen Volksparteien, ausführlich, aber auch sehr sachlich beschäftigen. Würden wir das nicht tun, dann bestünde allerdings die Gefahr, dass dieses Thema instrumentalisiert wird von rechtsradikalen Parteien, und das würde dem Thema und dem Land und den betroffenen Menschen nicht gut tun

    Breker: Das war in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach. Herr Bosbach, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!

    Bosbach: Ich danke Ihnen auch.

    Link: Interview als RealAudio