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Eppler nennt NSDAP-Antrag eine Dummheit

Erhard Eppler kritisiert die Berichterstattung über seine mutmaßliche NSDAP-Mitgliedschaft. "Dass man einem 80-Jährigen vorwirft, was er als 16-Jähriger an Dummheiten gemacht hat, das finde ich ein bisschen albern", sagte der SPD-Politiker. Zudem habe er selbst vor 13 Jahren bereits in einem Buch geschildert, wie sein Name auf die Mitgliederliste gekommen sei.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 16.07.2007
    Dirk-Oliver Heckmann: Guten Morgen, Herr Eppler!

    Erhard Eppler: Ja, Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Eppler - haben Sie von Ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP gewusst?
    Eppler: Ja, dass ich auf einer Liste war, das habe ich gewusst. Und das habe ich vor 13 Jahren in einem Buch erwähnt und dargestellt, das inzwischen, glaube ich, acht Auflagen erreicht hat, also ein Buch, das nicht irgendwo in einem Hinterhof erschien sondern bei Suhrkamp Insel, und das jeder lesen konnte. Und was mich eigentlich ärgert, ist, dass das, was ich da dargestellt habe, nämlich wie wir da eine Liste bekommen haben und wie wir die Liste ausgefüllt haben, und dass da auch mein Name draufsteht und dass ich mich deshalb nicht wundern würde, wenn ich in einer Mitgliederkartei erwähnt werde, das alles haben die Herren vom "Focus", die das jetzt angezettelt haben, nie gelesen. Die haben das nicht nötig, sich mit einer Biografie zu beschäftigen, die interessiert auch die Biografie gar nicht, sondern die interessiert nur die Schlagzeile, möglichst hämisch. Das ist das, was mich eigentlich ärgert.

    Heckmann: Sie haben gerade gesagt, Sie hätten geschrieben damals in Ihrem Buch, dass Sie sich nicht wundern würden, wenn Ihr Name in einer Mitgliederkartei dann auch auftauchen würde, aber Sie haben selbst nie recherchiert im Bundesarchiv. Weshalb eigentlich nicht?

    Eppler: Weil mir das alles nie so wichtig war. Sehen Sie, das, was vom Bundesarchiv jetzt gekommen ist, die haben mir natürlich jetzt auch einen Brief geschrieben, was sie auf Anfrage von "Focus" mitgeteilt haben, da steht drin, ich hätte einen Antrag gestellt am 6. September 1943. Bisher war das immer für mich das Datum, an dem wir zu Flak eingezogen wurden.

    Heckmann: Da waren Sie 17 Jahre?

    Eppler: Da war ich noch keine 17 Jahre, da war ich genau 16 Jahre und 9 Monate alt. Und jetzt ist mir auch wieder klar geworden, wie das war durch dieses Datum. Das heißt, die [Anm. d. Red.: im Hörprotokoll unverständlich] und die Kreisleitung, die hatten Angst, dass, wenn wir nun mal unter das Dach der Wehrmacht kämen, in diesem Fall der Luftwaffe, dass sie uns dann nicht mehr bekommen würde. Und deshalb hat sie an unsere Einheit - das war eine Spielschar, die sehr aufmüpfig war und frech - hat sie eine Liste geschickt, und die sollte, ehe wir eingerückt sind, sollte die noch ausgefüllt werden. Und deshalb, und damals haben wir dann die Liste ausgefüllt, und ich habe meinen Namen auch reinsetzen lassen.
    Heckmann: Weshalb? Spielte da auch die Frage eine Rolle, dass Sie damals auch eine gewisse Sympathie für die Nazis gehegt haben?
    Eppler: Na, also, zuerst einmal waren wir in einem Staat, ich war sechs Jahre, als Hitler an die Macht kam, da kam ich gerade in die Schule. Wir haben eigentlich eine reine NS-Erziehung immer genossen. Und gut, ich wollte auf keinen Fall zur Waffen-SS, aber dass man zur Partei geht, na ja, das fand ich nicht sensationell und nicht besonders. Aber es kam bei mir noch ein weiterer Grund dazu: Diese Spielschar, in der ich war, die galt bei der Partei als unzuverlässig und die wurde dann ein Jahr später, als ich beim Kommiss war, auch aufgelöst wegen politischer und weltanschaulicher Unzuverlässigkeit. Und ein Grund, warum ich mich eintragen ließ, war, ich wollte nicht denen noch ein weiteres Argument geben, gegen diese Spielschar vorzugehen. Aber gut, dass das eine Dummheit war mit 16 Jahren und 9 Monaten, das bestreite ich doch nicht, habe ich nie bestritten. Nur, dass man einem 80-Jährigen vorwirft, was er als 16-Jähriger an Dummheiten gemacht hat, das finde ich ein bisschen albern.
    Heckmann: Hätten Sie denn damals eigentlich Nein sagen können? Was wären da für Konsequenzen absehbar gewesen? Haben Sie sich darüber Gedanken gemacht?
    Eppler: Doch, ich hätte Nein sagen können. Das ist kein Zweifel. Und es hätte mir wahrscheinlich vorläufig nicht geschadet, jedenfalls nicht bei der Wehrmacht, vielleicht später beim Studium hätte mir das geschadet, wenn das NS-Reich weitergegangen wäre. Aber es hätte dieser Spielschar geschadet, die ja ohnehin das große Misstrauen der Partei aus vielen Gründen erregt hatte. Und wenn nun derjenige, der organisatorisch diese Spielschar jedenfalls auf der männlichen Seite zu leiten hatte, wenn der nicht bereit war beizutreten, dann hätte man wahrscheinlich noch ein bisschen früher den Laden verboten. Also, ich will das ja gar nicht beschönigen, ich finde nur, eigentlich hätte die Diskussion stattfinden müssen anhand meines Buches. Und da war das in einem Kontext, und keiner der Rezensenten ist auf diesen Abschnitt eingegangen, und ich habe seither mindestens 200 Briefe zu diesem Buch bekommen. Und in keinem dieser Briefe ist jemand auf diesen Abschnitt eingegangen. Jetzt kommt also das so, als müsste man da einen Menschen einer bösen Tat überführen.
    Heckmann: Herr Eppler, der Historiker Ulrich Herbert spricht von einem Rückspiel, das heißt also, all jene, die damals mit dem Finger auf die Globkes und die Filbingers gezeigt hätten, also zur Beginn der Bundesrepublik, an denen werde nun Rache geübt. Das hört sich ein bisschen nach einer Verschwörungstheorie an, oder?

    Eppler: Na, das, also, jedenfalls bei mir stimmt das gar nicht. Sehen Sie, erstens habe ich mich zum Thema Globke nie geäußert, und da war ich auch noch gar nicht in einer Position, wo ich mich äußern konnte. Und was Filbinger angeht, so habe ich dem ja nicht vorgeworfen, dass er ein Nazi war. Das habe ich ja absichtlich nie getan, sondern ich habe ihm vorgeworfen, dass er keinerlei Gewissensbisse empfindet dafür, dass er einen Menschen zum Tode verurteilt hat und an der Exekution eines Menschen teilgenommen hat oder sie geleitet hat. Sie werden bei mir wahrscheinlich kein Beispiel finden können, wo ich jemanden, ich sage mal, wegen seiner Nazivergangenheit angegriffen hätte.
    Heckmann: Glauben Sie, dass es Ihrer Karriere geschadet hätte, wenn Ihre Mitgliedschaft in der NSDAP früher bekannt geworden wäre?
    Eppler: Ich glaube nicht. Aber, wie gesagt, ich habe sie bekannt gemacht, nicht irgendjemand anders. Und das hätte eine vernünftige Diskussion auslösen können in dem Kontext dieses Buches "Als Wahrheit verordnet wurde. Briefe an meine Enkelin". Da hätte das hingepasst. Aber jetzt, ja?
    Heckmann: Herr Eppler, in anderen Fällen mag das anders sein, da wurde diese Tatsache eben nicht beschrieben, aber mal generell gesprochen: Welchen Erkenntniswert hat das heute, wenn Woche für Woche berichtet wird, der oder der damals 17-Jährige ist Mitglied in der NSDAP gewesen?
    Eppler: Ja, ich glaube eben, dass es Missverständnisse weckt, weil sich niemand vorstellen kann, wie das war. Die HJ war ja Pflicht, da konnte man nicht rausgehen, sondern das war gesetzliche Pflicht. Und am Ende der HJ kam die Frage, und nun? Wo willst du hin? Und dann musste man praktisch in irgendeine NS-Organisation gehen. Manche gingen dann in das Fliegerkorps oder in das Kraftfahrkorps (NSKK) oder so etwas, und andere gingen dann eben in die NSDAP. Das kann man sich heute einfach nicht mehr so richtig vorstellen, und deshalb entsteht der Eindruck, das müssen Fanatiker gewesen sein, aber das waren sie im Großen und Ganzen nicht.
    Heckmann: Ganz kurz gesagt, Herr Eppler, zum Abschluss, haben Sie das Gefühl, dass da jemand auch Ihr Lebenswerk in einer gewissen Weise in den Schmutz ziehen möchte?
    Eppler: Ach Gott, ja, dass das jemand möchte und dass das hier diese Journalisten vom "Focus", die das angeleiert haben, nun nicht gerade zur Elite des Journalismus gehören, das ist mir schon klar. Nur, ich glaube nicht, dass ein vernünftiger Mensch einen 80-Jährigen danach beurteilt, was der 16-Jährige getan hat.

    Heckmann: Erhard Eppler war das, der ehemalige Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Vordenker der Sozialdemokratie. Herr Eppler, besten Dank für das Gespräch.

    Eppler: Bitteschön.