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"Er hat mir aus der Seele gesprochen"

Der Kultusminster von Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz, hat die Berliner Rede von Bundespräsident Horst Köhler als hervorragend bezeichnet. Köhler habe die Mängel des Bildungssystems sehr gut zusammengefasst. In Deutschland beschäftige man sich mit fruchtlosen Strukturdebatten und denke wenig über einen klaren Lehrplan nach, sagte der Minister.

Moderation: Michael Köhler |
    Michael Köhler: Deshalb die Frage an den Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Professor Jan-Hendrik Olbertz, er ist Pädagoge: Der Bundespräsident hat heute Mittag in einer 45-minütigen Rede über Bedeutung und Notwendigkeit von Bildung in Deutschland gesprochen, für eine moderne Wissensgesellschaft.

    Die Wichtigkeit der Schule hat er betont, aber auch der Familie, über Kanon haben wir gehört, Spracherwerb, Deutschkenntnisse, Anerkennung junger Menschen und Religionsunterricht. Zukunft insgesamt fuße auf Bildung. Wovon hängen die Bildungschancen junger Menschen Ihrer Meinung nach ab?

    Jan-Hendrik Olbertz: Also ich denke, das hat der Bundespräsident in seiner, wie ich finde, hervorragenden Rede, sehr gut und auch mit einem universellen Anspruch zusammengefasst. Also es hängt einerseits ab von einer schonungslosen, aber nicht entmutigenden Analyse des Status quo. Und da haben wir ja ein paar durchaus besorgniserregende Anzeichen in unserem Bildungssystem, die man wirklich auch ohne Wenn und Aber ansprechen muss.

    Köhler: Welche sind das bitte?

    Olbertz: Na ja, das was er auch sagt: Es sind also beispielsweise die relativ hohe Quote an Schülerinnen und Schülern, die das Schulabschlussziel verfehlen, die deshalb unter Umständen Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, und letzten Endes die starke soziale Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft reproduzieren, während wir doch eigentlich den Anspruch haben, die Chancen auf alle Menschen in unserer Gesellschaft gleichmäßig zu verteilen. Also insofern, wenn Sie sich nur allein ankucken, die Abhängigkeit zwischen der sozialen Herkunft eines Kindes und seinen Bildungschancen, dann haben wir in Deutschland eine ganze Menge zu tun.

    Köhler: Herr Professor Olbertz, Bildungszugang ist aber nicht nur, zu weiten Teilen, aber nicht nur, eine Frage des Portemonnaies der Eltern. Woran krankt unser Bildungssystem, wenn man sich diese Probleme ankuckt, die Sie gerade benannt haben?

    Olbertz: Es krankt daran, dass es sich seit Jahrzehnten beschäftigt mit fruchtlosen Strukturdebatten, über die wirklich ernsthafte und nachhaltige Impulse zu einer inneren Schulreform ins Hintertreffen geraten sind. Und genau diese Dinge nennt ja der Bundespräsident, also die Fragen Anerkennung und Anstrengung, die Rolle von Vorbildern. Ich finde ganz wichtig, dass er über den Kanon und damit letzten Endes über einen klar gegliederten, überschaubaren und Grundkenntnisse vermittelnden Lehrplan nachdenkt.

    Das was ich ja auch immer wieder fordere, denn ein komplett überfrachteter Lehrplan frustriert nicht nur die Lernenden, er dereguliert auch den Lernprozess selbst in seiner Qualität. Solche Sachen sagt er ja und er zählt viele andere Punkte einer inneren Schulreform auf, ohne einen Bildungsgang, oder eine Schulform dabei zu stigmatisieren. Deswegen gefällt mir die Rede sehr. Sie zeigt auf, wo die Kräfte, die inneren Kräfte unseres Bildungssystems - zu dem ich die Schulen, die Eltern, die außerschulische Lebenswelt zähle - worin die bestehen. Und die nennt er deutlich beim Namen. Also mir ist diese Rede aus der Seele gesprochen.

    Köhler: Das sagt Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister von Sachsen-Anhalt.