Jochen Spengler: Am Telefon ist nun Antje Hermenau, Fraktionschefin der oppositionellen Grünen im sächsischen Landtag und Haushaltsexpertin. Guten Tag, Frau Hermenau!
Antje Hermenau: Guten Tag!
Spengler: Frau Hermenau, haben Sie andere Forderungen als die mitregierende SPD? Sagen Sie also auch, erst einmal das Problem klären und dann reden wir über personelle Konsequenzen, oder sagen Sie nein, personelle Konsequenzen müssen jetzt schon her?
Hermenau: Es ist mir eigentlich ziemlich egal, was aus Herrn Milbradt wird. Das ist im Moment auch für mich nicht das Hauptthema. Für mich ist entscheidend, wie viel strukturelles Haushaltsrisiko den Sachsen für die nächsten 10, 15 oder 20 Jahre aufgebürdet werden wird.
Spengler: Wie viel sind denn verkraftbar?
Hermenau: Relativ wenig. Wir haben heute im Landtag deutlich gemacht, ich habe heute im Landtag deutlich gemacht, dass er eigentlich maximal mit einer Belastung in Höhe seines Kreditrahmens, was im Haushaltsgesetz festgeschrieben ist, nach Hause kommen kann, und der Kreditrahmen beträgt 1,7 Milliarden Euro.
Spengler: Gut. Nun hört man, dass Baden-Württemberg Landesbürgschaften aus Sachsen fordert von 4,3 Milliarden Euro.
Hermenau: Die Zahl kommt wahrscheinlich zu Stande, weil irgendjemand mal das Volumen aller Zweckgesellschaften addiert hat. Da kommt man ungefähr auf 43 Milliarden Euro. Und davon hat er 10 Prozent Wertberechtigung abgezogen. Deswegen schwirrt wahrscheinlich diese Zahl durch den Raum. Die ist für den sächsischen Landeshaushalt nicht verkraftbar. Wir können nur die Hälfte unseres Haushaltes durch eigene Steuermittel erwirtschaften und sind dabei noch ein sehr gutes ostdeutsches Land. Auf der anderen Seite kriegen wir das ganze Geld vom Bund über den Länderfinanzausgleich. Das würde im Prinzip heißen, dass die Baden-Württemberger erwarten, dass alle Bundesländer über den Länderfinanzausgleich und der Bund über den Solidarpakt das mit abfinanzieren.
Spengler: Höchstens die Hälfte der 4,3 Milliarden sind also von Sachsen zu tragen, sagen Sie. Was würde das denn bedeuten, wenn es nur die Hälfte wäre?
Hermenau: Selbst diese Summe tut schon furchtbar weh. Wir müssen ja davon ausgehen, dass diese Bürgschaft auch fällig wird und wahrscheinlich sogar schon im nächsten Jahr, denn alle Experten auf den Kapitalmärkten sind sich einig, dass sich der Markt nie wieder auf die alten Kaufwerte erholen wird. Vor diesem Hintergrund wird das Geld ausgezahlt werden müssen. Sachsen müsste wahrscheinlich verschulden. Wir sind nicht in der Lage, das jetzt alles aus irgendwelchen Sparbüchsen herauszufummeln. Man kann vielleicht ein bisschen Geld aus dem Pensionsfonds nehmen, wo ich persönlich dagegen bin, weil dann ein anderes strukturelles Haushaltsrisiko aufgemacht wird. Aber im Prinzip ist an Bargeld nicht viel im Haus. Man müsste sich verschulden und dann den Kredit mühsam abstottern.
Spengler: Das hieße auch, dass jeder Sachse sozusagen mehr in der Kreide stünde als heute. Rechnet man richtig, wenn man sagen würde, wenn es jetzt die Hälfte von den 4,3 Milliarden wäre, dann wären es 500 Euro pro Sachse mehr Verschuldung?
Hermenau: Ja. Das ist natürlich ein Drama. Die Sachsen haben jahrelang die eiserne Haushaltsdisziplin mitgemacht, damit man eben innerhalb Deutschlands als zweitbestes Bundesland dasteht, was die Pro-Kopf-Verschuldung betrifft. Unsere Pro-Kopf-Verschuldung wird sowieso steigen, weil wir immer weniger Sachsen werden durch Geburtenrückgang und durch Abwanderung. Das heißt die Schulden, die wir haben, werden auf weniger Köpfe verteilt und damit steigt die Pro-Kopf-Verschuldung sowieso schon. Und jetzt soll das noch oben draufkommen und gleichzeitig werden aber die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich weniger, weil wir eben weniger Sachsen sind, und natürlich werden auch die Zahlungen aus dem Solidarpakt II weniger, weil das vertraglich so geregelt ist.
Spengler: Wäre es nicht besser, Frau Hermenau, man würde die Bank einfach Pleite gehen lassen?
Hermenau: Auch dann bleiben wir ja auf einem Schuldenberg sitzen. Im Moment ist es einfach nur so, dass man nüchtern abwägen muss, welches von den beiden Finanzproblemen das kleinere ist, und das muss dann genommen werden.
Spengler: Was würden Sie denn sagen? Was ist das kleinere Problem?
Hermenau: Das hängt von den Verhandlungen der nächsten Tage ab. Wenn er mit 4,3 Milliarden nach Hause kommt, braucht er sich hier nicht blicken lassen. Er wird keinen Nachtragshaushalt in dieser Höhe mit einer Mehrheit des Parlaments hinbekommen. Die Unruhe in den Fraktionen von CDU und SPD war mit den Händen zu greifen.
Spengler: Sie haben ja gesagt, er ist Ihnen ziemlich egal. Glauben Sie trotzdem, dass er sich als Ministerpräsident - wir reden hier von Georg Milbradt, dem Ministerpräsidenten Sachsens - halten können wird?
Hermenau: Ich gehe davon aus, dass der Ministerpräsident Milbradt in wenigen Wochen oder Monaten Geschichte ist.
Spengler: Warum?
Hermenau: Weil man nach so einer Sache, egal wie man nach Hause kommt, mit welchem Verhandlungsergebnis, einfach gehen muss. Er hat als Finanzprofessor eine Idee gehabt, wie man mit einer Landesbank Schuldenmanagement der öffentlichen Hand betreibt. Das ist grandios gescheitert und damit ist im Prinzip das Anliegen, warum man ihn zum Ministerpräsidenten hätte machen sollen, erledigt.
Spengler: Sie würden also sagen, dass es besser gewesen wäre, keine Landesbank Sachsen zu gründen, so wie ja auch andere ostdeutsche Länder keine Landesbanken haben?
Hermenau: Das muss nicht unbedingt sein. Die Frage ist, wie das Geschäftsmodell der Landesbank aussieht. Wir hatten im Jahre 2005 heftige Debatten im Haushaltsausschuss. Die habe ich angezettelt, weil ich der Meinung war, dass das Geschäftsmodell zu riskant ist.
Karl Nolle von der SPD hat mich damals in diesem Ansinnen unterstützt. Die anderen in der Koalition haben das eher nicht interessant oder wichtig gefunden. Und dann wurden wir von der Bank belogen und auch von der Staatsregierung, die uns dann versprachen na gut, wir werden versuchen, das riskante Modell runterzufahren. Wir sprechen von Ormond Quay. Dann wurde aber nicht runtergefahren, sondern weiter draufgesattelt und noch mal eine neue Zweckgesellschaft aus der Taufe gehoben, nämlich die Sachsen Funding, die wahrscheinlich oder vielleicht ein Totalverlust sein wird.
Spengler: Und Sie glauben, dass für dieses riskante Geschäftsmodell der Ministerpräsident mit verantwortlich zu machen ist?
Hermenau: Aber natürlich! Selbst wenn er nicht mehr in den Gremien saß, so ist ihm doch klar gewesen, dass das ihr Geschäftsmodell ist, mit dem sie ihr Geld verdient. Über 80 oder vielleicht sogar 90 Prozent der Profite der Sachsen LB aus dem Jahre 2007 kamen aus Irland.
Spengler: Jetzt soll weiter verhandelt werden. Es soll mit einem guten Ergebnis, möglichst guten Ergebnis nach Hause gekommen werden. Die Landesbank soll gerettet werden und dann soll der Ministerpräsident gehen?
Hermenau: Natürlich! Er muss die Suppe auslöffeln, die er eingebrockt hat, das bitte mit Anstand und kernigem Ergebnis. Dann gehe ich davon aus, dass er sich hier nicht halten kann. Bevor er wie ein Hund vom Hof gejagt wird, wäre es vielleicht mit seiner Würde besser vereinbar, er zöge selbst die Konsequenzen.
Spengler: Wäre das dann auch das Ende der Großen Koalition aus CDU und SPD?
Hermenau: Ich höre ständig von der SPD, man habe ja einen Koalitionsvertrag mit einer Fraktion geschlossen und nicht mit einem Ministerpräsidenten. Das klingt für mich nicht so, als ob Neuwahlen geplant sind.
Spengler: Antje Hermenau, Fraktionschefin der oppositionellen Grünen im sächsischen Landtag. Danke für das Gespräch!
Hermenau: Ja, gerne.
Antje Hermenau: Guten Tag!
Spengler: Frau Hermenau, haben Sie andere Forderungen als die mitregierende SPD? Sagen Sie also auch, erst einmal das Problem klären und dann reden wir über personelle Konsequenzen, oder sagen Sie nein, personelle Konsequenzen müssen jetzt schon her?
Hermenau: Es ist mir eigentlich ziemlich egal, was aus Herrn Milbradt wird. Das ist im Moment auch für mich nicht das Hauptthema. Für mich ist entscheidend, wie viel strukturelles Haushaltsrisiko den Sachsen für die nächsten 10, 15 oder 20 Jahre aufgebürdet werden wird.
Spengler: Wie viel sind denn verkraftbar?
Hermenau: Relativ wenig. Wir haben heute im Landtag deutlich gemacht, ich habe heute im Landtag deutlich gemacht, dass er eigentlich maximal mit einer Belastung in Höhe seines Kreditrahmens, was im Haushaltsgesetz festgeschrieben ist, nach Hause kommen kann, und der Kreditrahmen beträgt 1,7 Milliarden Euro.
Spengler: Gut. Nun hört man, dass Baden-Württemberg Landesbürgschaften aus Sachsen fordert von 4,3 Milliarden Euro.
Hermenau: Die Zahl kommt wahrscheinlich zu Stande, weil irgendjemand mal das Volumen aller Zweckgesellschaften addiert hat. Da kommt man ungefähr auf 43 Milliarden Euro. Und davon hat er 10 Prozent Wertberechtigung abgezogen. Deswegen schwirrt wahrscheinlich diese Zahl durch den Raum. Die ist für den sächsischen Landeshaushalt nicht verkraftbar. Wir können nur die Hälfte unseres Haushaltes durch eigene Steuermittel erwirtschaften und sind dabei noch ein sehr gutes ostdeutsches Land. Auf der anderen Seite kriegen wir das ganze Geld vom Bund über den Länderfinanzausgleich. Das würde im Prinzip heißen, dass die Baden-Württemberger erwarten, dass alle Bundesländer über den Länderfinanzausgleich und der Bund über den Solidarpakt das mit abfinanzieren.
Spengler: Höchstens die Hälfte der 4,3 Milliarden sind also von Sachsen zu tragen, sagen Sie. Was würde das denn bedeuten, wenn es nur die Hälfte wäre?
Hermenau: Selbst diese Summe tut schon furchtbar weh. Wir müssen ja davon ausgehen, dass diese Bürgschaft auch fällig wird und wahrscheinlich sogar schon im nächsten Jahr, denn alle Experten auf den Kapitalmärkten sind sich einig, dass sich der Markt nie wieder auf die alten Kaufwerte erholen wird. Vor diesem Hintergrund wird das Geld ausgezahlt werden müssen. Sachsen müsste wahrscheinlich verschulden. Wir sind nicht in der Lage, das jetzt alles aus irgendwelchen Sparbüchsen herauszufummeln. Man kann vielleicht ein bisschen Geld aus dem Pensionsfonds nehmen, wo ich persönlich dagegen bin, weil dann ein anderes strukturelles Haushaltsrisiko aufgemacht wird. Aber im Prinzip ist an Bargeld nicht viel im Haus. Man müsste sich verschulden und dann den Kredit mühsam abstottern.
Spengler: Das hieße auch, dass jeder Sachse sozusagen mehr in der Kreide stünde als heute. Rechnet man richtig, wenn man sagen würde, wenn es jetzt die Hälfte von den 4,3 Milliarden wäre, dann wären es 500 Euro pro Sachse mehr Verschuldung?
Hermenau: Ja. Das ist natürlich ein Drama. Die Sachsen haben jahrelang die eiserne Haushaltsdisziplin mitgemacht, damit man eben innerhalb Deutschlands als zweitbestes Bundesland dasteht, was die Pro-Kopf-Verschuldung betrifft. Unsere Pro-Kopf-Verschuldung wird sowieso steigen, weil wir immer weniger Sachsen werden durch Geburtenrückgang und durch Abwanderung. Das heißt die Schulden, die wir haben, werden auf weniger Köpfe verteilt und damit steigt die Pro-Kopf-Verschuldung sowieso schon. Und jetzt soll das noch oben draufkommen und gleichzeitig werden aber die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich weniger, weil wir eben weniger Sachsen sind, und natürlich werden auch die Zahlungen aus dem Solidarpakt II weniger, weil das vertraglich so geregelt ist.
Spengler: Wäre es nicht besser, Frau Hermenau, man würde die Bank einfach Pleite gehen lassen?
Hermenau: Auch dann bleiben wir ja auf einem Schuldenberg sitzen. Im Moment ist es einfach nur so, dass man nüchtern abwägen muss, welches von den beiden Finanzproblemen das kleinere ist, und das muss dann genommen werden.
Spengler: Was würden Sie denn sagen? Was ist das kleinere Problem?
Hermenau: Das hängt von den Verhandlungen der nächsten Tage ab. Wenn er mit 4,3 Milliarden nach Hause kommt, braucht er sich hier nicht blicken lassen. Er wird keinen Nachtragshaushalt in dieser Höhe mit einer Mehrheit des Parlaments hinbekommen. Die Unruhe in den Fraktionen von CDU und SPD war mit den Händen zu greifen.
Spengler: Sie haben ja gesagt, er ist Ihnen ziemlich egal. Glauben Sie trotzdem, dass er sich als Ministerpräsident - wir reden hier von Georg Milbradt, dem Ministerpräsidenten Sachsens - halten können wird?
Hermenau: Ich gehe davon aus, dass der Ministerpräsident Milbradt in wenigen Wochen oder Monaten Geschichte ist.
Spengler: Warum?
Hermenau: Weil man nach so einer Sache, egal wie man nach Hause kommt, mit welchem Verhandlungsergebnis, einfach gehen muss. Er hat als Finanzprofessor eine Idee gehabt, wie man mit einer Landesbank Schuldenmanagement der öffentlichen Hand betreibt. Das ist grandios gescheitert und damit ist im Prinzip das Anliegen, warum man ihn zum Ministerpräsidenten hätte machen sollen, erledigt.
Spengler: Sie würden also sagen, dass es besser gewesen wäre, keine Landesbank Sachsen zu gründen, so wie ja auch andere ostdeutsche Länder keine Landesbanken haben?
Hermenau: Das muss nicht unbedingt sein. Die Frage ist, wie das Geschäftsmodell der Landesbank aussieht. Wir hatten im Jahre 2005 heftige Debatten im Haushaltsausschuss. Die habe ich angezettelt, weil ich der Meinung war, dass das Geschäftsmodell zu riskant ist.
Karl Nolle von der SPD hat mich damals in diesem Ansinnen unterstützt. Die anderen in der Koalition haben das eher nicht interessant oder wichtig gefunden. Und dann wurden wir von der Bank belogen und auch von der Staatsregierung, die uns dann versprachen na gut, wir werden versuchen, das riskante Modell runterzufahren. Wir sprechen von Ormond Quay. Dann wurde aber nicht runtergefahren, sondern weiter draufgesattelt und noch mal eine neue Zweckgesellschaft aus der Taufe gehoben, nämlich die Sachsen Funding, die wahrscheinlich oder vielleicht ein Totalverlust sein wird.
Spengler: Und Sie glauben, dass für dieses riskante Geschäftsmodell der Ministerpräsident mit verantwortlich zu machen ist?
Hermenau: Aber natürlich! Selbst wenn er nicht mehr in den Gremien saß, so ist ihm doch klar gewesen, dass das ihr Geschäftsmodell ist, mit dem sie ihr Geld verdient. Über 80 oder vielleicht sogar 90 Prozent der Profite der Sachsen LB aus dem Jahre 2007 kamen aus Irland.
Spengler: Jetzt soll weiter verhandelt werden. Es soll mit einem guten Ergebnis, möglichst guten Ergebnis nach Hause gekommen werden. Die Landesbank soll gerettet werden und dann soll der Ministerpräsident gehen?
Hermenau: Natürlich! Er muss die Suppe auslöffeln, die er eingebrockt hat, das bitte mit Anstand und kernigem Ergebnis. Dann gehe ich davon aus, dass er sich hier nicht halten kann. Bevor er wie ein Hund vom Hof gejagt wird, wäre es vielleicht mit seiner Würde besser vereinbar, er zöge selbst die Konsequenzen.
Spengler: Wäre das dann auch das Ende der Großen Koalition aus CDU und SPD?
Hermenau: Ich höre ständig von der SPD, man habe ja einen Koalitionsvertrag mit einer Fraktion geschlossen und nicht mit einem Ministerpräsidenten. Das klingt für mich nicht so, als ob Neuwahlen geplant sind.
Spengler: Antje Hermenau, Fraktionschefin der oppositionellen Grünen im sächsischen Landtag. Danke für das Gespräch!
Hermenau: Ja, gerne.