Jürgen Zurheide: Herr Vöcking, zunächst einmal, es gibt ja immer zwei Aspekte. Man hat auf der einen Seite die Strukturen des Gesundheitssystems verändern wollen, auf der anderen Seite wollte man bei den Kosten, bei den Einnahmen etwas tun. Beginnen wir mit dem Thema, wo es die meiste Kritik gibt. Bei den Einnahmen sagen viele, hat man die Reformziele verfehlt. Ist das auch Ihre Analyse?
Johannes Vöcking: Das ist eindeutig richtig. Ich bin zwar froh, dass man überhaupt zum Konsens gekommen ist, aber mehr im Grunde aus Gründen der Staatraison. Die Einigung ist aber in meinen Augen nicht im Interesse der Versicherten, auch nicht im Interesse des Erhalts der sozialen Sicherheit. Was die Ziele angeht, Sicherung der nachhaltigen Finanzierung und Stärkung der Solidarität, muss man sagen: absolute Fehlanzeige.
Zurheide: Brauchen wir denn zum Beispiel, um kurz zunächst bei diesem Thema zu bleiben, brauchen wir diesen Fond, so wie er da konstruiert ist? Hat er aus Ihrer Sicht irgendeinen Vorteil?
Vöcking: Nein, man braucht ihn überhaupt nicht, um die Finanzströme abzuwickeln. Ich bin dessen so skeptisch, weil meine große Sorge ist, dass damit eher verbunden ist ein Systemwechsel, der vor der Tür steht. Insofern beziehe ich mich nachdrücklich auf die Äußerungen von Herrn Pofalla, dem Generalsekretär der Union, der mit einem Schreiben vom 5. Oktober seine Funktionäre in Bund und Ländern unterrichtet hat, und dort die Siege der Union feiert. Es sei gelungen, zum Beispiel die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abzukoppeln und insbesondere auch die private Krankenversicherung zu schonen. Das ist für mich eindeutig insofern eine Politik mit Tarnkappe. Da steht außen drauf "neue soziale Marktwirtschaft", aber innen drin mehr und mehr Kapitalismus. Und meine Sorge ist, wir kriegen eine zwei Klassengesellschaft. Was Herr Pofalla feiert, ist im Grunde das Einfrieren der Beteiligung des Arbeitgebers, Einfrieren des Bundeszuschusses und ganz am Ende soll stehen eine zunehmende Privatisierung der Finanzierung und eine Privatisierung des Krankheitsrisikos. Und das ist die völlig falsche Anlage des Fonds.
Zurheide: Jetzt kommen wir mal zu den Inhalten. Die Strukturen, da gibt es durchaus auch positivere Hinweise so unter der Überschrift, es wird mehr Wettbewerb möglich. Können Sie mit diesem Wettbewerb leben?
Vöcking: Es wird sicherlich mehr Wettbewerb geben. Wenngleich - ich glaube, was dort im Gesetz drin steht wird zunächst mal den Wettbewerb erschweren. Alle Kassen sollen sich einigen bei ganz bestimmten Verträgen, aber bekommen Sie mal dann 240 Kassen unter einen Hut.
Zurheide: Ja, aber brauchen wir so viele Kassen? Das ist ja die andere Frage.
Vöcking: Also man braucht sie nicht. Was wir wollen, das ist wirklich einen fairen Wettbewerb um die bessere medizinische Versorgung, auch um mehr Wirtschaftlichkeit. Da stehen wir dazu, dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Meine große Sorge ist aber im Grunde, so wie das jetzt angelegt ist, und zwar zur Vermeidung im Grunde einer Prämie, die ja im Grunde dann drohen kann für die Versicherten. Es wird einen Kampf geben im Grunde um die gesunden Versicherten, der ist nach wie vor im Grunde vorhanden und jetzt noch verschärft im Grunde. Auch ein Kampf im Grunde um die gesunden Reichen. Und das halte ich für fatal.
Zurheide: Nun gibt es immer so den Hinweis oder die Sorge, da sie, die Krankenkassen, dieses Argument immer bringen, weil sie eigentlich nicht wirklich Wettbewerb wollen. Wollen Sie denn wirklich Wettbewerb?
Vöcking: Wir wollen wirklich den Wettbewerb. Wir wollen, das dies System im Grunde wirklich seinen Vorteil bietet für die Versicherten, für die Mitglieder. Wobei ich feststelle, wir haben wirklich ein hervorragendes Gesundheitssystem. Das muss auch finanzierbar bleiben. Da sind auch eine Menge von insofern von Reserven noch im System drin. Viele Schnittstellen sind nicht wirklich besetzt. Und insofern sage ich, wir wollen den Wettbewerb im Grunde für den Versicherten um die Versorgung aber in sofern auch die Finanzierbarkeit.
Zurheide: Jetzt klären Sie uns doch mal auf. Wo ist denn da der Unterschied? Denn Wettbewerb, da reden alle Parteien, sowohl die Union auf der einen Seite, aber auch die SPD. Nur, wenn der eine Wettbewerb sagt, meint er im Zweifel etwas anderes als der andere. Klären Sie uns da mal auf, was denn dahintersteckt.
Vöcking: Also ich gehe davon aus, dass die Union im Grunde einen Wettbewerb will zum Schutz von Kapital und von Aktionären. Und die SPD in meinen Augen den richtigen Wettbewerb, wirklich um die bessere Versorgung. Ich habe nur große Sorgen, dass die Richtung falsch ist. Wir bekommen in der einen Richtung, im Grunde Richtung Union, möglicherweise praktisch eine Amerikanisierung des Systems. Eine Privatisierung, wo letztlich im Grunde der einfache, normale Bürger im Grunde sich das System von heute nicht mehr leisten kann. Die Gefahr auf der anderen Seite bei der SPD ist, dass man im Grunde eine Einheitsversicherung bekommt und insofern dann auch praktisch eine Staatsmedizin. Wir wollen den Weg im Grunde in der Mitte um wirklich einen fairen Wettbewerb um Versorgung und um Wirtschaftlichkeit.
Zurheide: Was heißt denn das, was da jetzt kommen wird, für die Versicherten. Die Ministerin, Frau Schmidt, weist ja immer darauf hin, das sei die erste Reform, wo nicht an Leistungen rumgeschnippelt wird, wo man das alles erhält. Sehen Sie das auch so?
Vöcking: Ja, das ist eine ganz geschickte Operation, wenngleich ich sagen muss, Frau Schmidt hat wie eine Löwin gekämpft im Grunde um den Erhalt der GKV, insofern mache ich ihr Komplimente.
Zurheide: Der gesetzlichen Krankenkasse.
Vöcking: Der gesetzlichen Krankenkassen, völlig richtig. Aber das im Grunde, was heute als Politik gemacht wird, in der Tat, man geht nicht an den Leistungskatalog dran. Aber das ist insofern etwas vordergründig, denn letztlich wird es so sein, dass das System etwas teurer wird. Wir müssen natürlich einen Preis zahlen für medizinischen Fortschritt. Und von der Anlage mit diesem Fond wird dazu führen, dass zunehmend im Grunde der Versicherte belastet wird. Das wird ganz abhängen von der politischen Konstellation. Insofern muss man sagen, ist es wichtig, dass die SPD dran festgehalten hat an der einprozentigen Überforderungsklausel. Das heißt, der Zusatzbeitrag soll in sofern die Ein-Prozent-Grenze vom Einkommen nicht überschreiten. Das ist wichtig. Damit im Grunde haben wir einen Druck darauf, dass die Arbeitgeber weiterhin beteiligt werden, das auch der Bund sich beteiligt. Aber das Ganze ist natürlich abhängig von den jeweiligen politischen Konstellationen.
Zurheide: Ich habe gerade schon mal versucht die unterschiedlichen Wettbewerbsbegriffe mit Ihnen heraus zu arbeiten, die da sind. Ich will auch noch mal den Begriff Gerechtigkeit einführen. Ich frage Sie auch, weil sie ja CDU-Mitglied sind und früher mit Norbert Blüm gemeinsam in einer Regierung auch gearbeitet haben als Staatssekretär. Gibt es auch bei der Gerechtigkeit zwischen beiden großen Parteien Unterschiede, die möglicherweise zu Problemen führen?
Vöcking: Ich glaube schon. Insofern, Sie haben meine parteipolitische Zugehörigkeit richtig beschrieben, aber ich sage, das, was die Union an Gesundheitspolitik betrieben hat, kann ich so im Grunde nicht nachvollziehen und kritisiere das. Gerechtigkeit bedeutet, glaube ich, für die Union, in diese Richtung gehen, im Grunde mehr Selbstverantwortung, mehr Selbstbeteiligung, aber letztlich im Grunde einfach nur eine Privatisierung des Risikos. Bei der SPD etwas anderes. Das geht in Richtung wirklich Bürgerversicherung. Das bedeutet wirklich Gerechtigkeit, auch eine Verbindung von Privatsystem und gesetzlichem System, und das halte ich für wirklich gerecht.
Zurheide: Sie haben vorhin schon mal die Qualität im System angesprochen. Wer unabhängig auf unser Gesundheitssystem blickt, stellt sicherlich fest, dass wir im internationalen Maßstab nicht schlecht dastehen. Aber dennoch gibt es gravierende Qualitätsmängel, die Schnittstellen, sie stimmen nicht. Sehen Sie denn, das jetzt bei dieser Reform an dieser ganz zentralen Frage irgend etwas getan wird für mehr Qualität im System?
Vöcking: Also der Wunsch ist da. Ich sehe aber noch nicht, dass wir gerade an dem Punkt einen wirklichen Schritt weiterkommen. Wir werden trotzdem als Kassen versuchen unabhängig von dem, was die Politik jetzt entscheidet, auch gesetzlich regelt, diesen Weg in mehr Qualität und mehr Wirtschaftlichkeit zu gehen.
Zurheide: Sind Sie dann immer an so einer schwierigen Schnittstelle, wo es dann heißt, na ja, wollen die eigentlich im Zweifel nur Geld sparen. Sie von der Barmer haben so eine Transparenzliste über Krankenhauskosten herausgegeben, wo die Ärzteschaft Ihnen schon wieder vorwirft und sagt, na ja, Sie wollen ja gar nicht Qualität, Sie wollen ganz billig machen. Trifft dieser Vorwurf Sie?
Vöcking: Der trifft uns natürlich, weil er unberechtigt ist. Wir wollen die gute Versorgung der Versicherten. Und wir wollen, dass Mittel, die aufgebracht werden insbesondere von den Beitragszahlern, von den Arbeitnehmern, dass diese nicht falsch eingesetzt werden, dass die nicht fehlgesteuert werden. Und deswegen sind wir für Qualität im Gesundheitssystem, auch für Wirtschaftlichkeit. Und eines wollen wir natürlich überhaupt nicht, wir wollen nicht eingreifen in die Therapiefreiheit des Arztes. Sondern der Mediziner, der Arzt soll entscheiden im Grunde, welche Versorgung die richtige ist. Wir können nur raten im Grunde, die richtigen Entscheidungen zu treffen, das heißt Qualität und natürlich Wirtschaftlichkeit immer im Auge zu haben.
Zurheide: Ich war allerdings irritiert als ich jetzt gelernt habe, dass es zum Beispiel Qualitätskriterien bei Krankenhäusern gibt. Die werden dann aber nicht veröffentlicht, bezogen auf einzelne Krankenhäuser. Müsste man da nicht viel, viel mehr tun auch im Sinne der Information der Patienten, dass man überhaupt weiß, wenn ich in ein Krankenhaus gehe, dann weiß ich, wie die vorher zum Beispiel operiert haben.
Vöcking: Das ist schon richtig. Insofern muss aber nichts Neues gesetzlich geregelt werden. Es gibt seit langem eine gesetzliche Vorschrift, danach sind die Krankenhausgesellschaften verpflichtet, Listen zu erstellen über Preis, aber auch über Qualität. Aber ich habe den Eindruck, dass man uns hier bewusst und zwar seit mehreren Jahren im Grunde dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt, weil man sich scheut im Grunde hier die Dinge wirklich offen zu legen. Und gerade da setzen wir an und sagen, wenn hier insofern ganz bestimmte Leistungserbringerseiten versagen, müssen wir als gesetzliche Krankenversicherung uns dieser Aufgabe stellen.
Johannes Vöcking: Das ist eindeutig richtig. Ich bin zwar froh, dass man überhaupt zum Konsens gekommen ist, aber mehr im Grunde aus Gründen der Staatraison. Die Einigung ist aber in meinen Augen nicht im Interesse der Versicherten, auch nicht im Interesse des Erhalts der sozialen Sicherheit. Was die Ziele angeht, Sicherung der nachhaltigen Finanzierung und Stärkung der Solidarität, muss man sagen: absolute Fehlanzeige.
Zurheide: Brauchen wir denn zum Beispiel, um kurz zunächst bei diesem Thema zu bleiben, brauchen wir diesen Fond, so wie er da konstruiert ist? Hat er aus Ihrer Sicht irgendeinen Vorteil?
Vöcking: Nein, man braucht ihn überhaupt nicht, um die Finanzströme abzuwickeln. Ich bin dessen so skeptisch, weil meine große Sorge ist, dass damit eher verbunden ist ein Systemwechsel, der vor der Tür steht. Insofern beziehe ich mich nachdrücklich auf die Äußerungen von Herrn Pofalla, dem Generalsekretär der Union, der mit einem Schreiben vom 5. Oktober seine Funktionäre in Bund und Ländern unterrichtet hat, und dort die Siege der Union feiert. Es sei gelungen, zum Beispiel die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abzukoppeln und insbesondere auch die private Krankenversicherung zu schonen. Das ist für mich eindeutig insofern eine Politik mit Tarnkappe. Da steht außen drauf "neue soziale Marktwirtschaft", aber innen drin mehr und mehr Kapitalismus. Und meine Sorge ist, wir kriegen eine zwei Klassengesellschaft. Was Herr Pofalla feiert, ist im Grunde das Einfrieren der Beteiligung des Arbeitgebers, Einfrieren des Bundeszuschusses und ganz am Ende soll stehen eine zunehmende Privatisierung der Finanzierung und eine Privatisierung des Krankheitsrisikos. Und das ist die völlig falsche Anlage des Fonds.
Zurheide: Jetzt kommen wir mal zu den Inhalten. Die Strukturen, da gibt es durchaus auch positivere Hinweise so unter der Überschrift, es wird mehr Wettbewerb möglich. Können Sie mit diesem Wettbewerb leben?
Vöcking: Es wird sicherlich mehr Wettbewerb geben. Wenngleich - ich glaube, was dort im Gesetz drin steht wird zunächst mal den Wettbewerb erschweren. Alle Kassen sollen sich einigen bei ganz bestimmten Verträgen, aber bekommen Sie mal dann 240 Kassen unter einen Hut.
Zurheide: Ja, aber brauchen wir so viele Kassen? Das ist ja die andere Frage.
Vöcking: Also man braucht sie nicht. Was wir wollen, das ist wirklich einen fairen Wettbewerb um die bessere medizinische Versorgung, auch um mehr Wirtschaftlichkeit. Da stehen wir dazu, dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Meine große Sorge ist aber im Grunde, so wie das jetzt angelegt ist, und zwar zur Vermeidung im Grunde einer Prämie, die ja im Grunde dann drohen kann für die Versicherten. Es wird einen Kampf geben im Grunde um die gesunden Versicherten, der ist nach wie vor im Grunde vorhanden und jetzt noch verschärft im Grunde. Auch ein Kampf im Grunde um die gesunden Reichen. Und das halte ich für fatal.
Zurheide: Nun gibt es immer so den Hinweis oder die Sorge, da sie, die Krankenkassen, dieses Argument immer bringen, weil sie eigentlich nicht wirklich Wettbewerb wollen. Wollen Sie denn wirklich Wettbewerb?
Vöcking: Wir wollen wirklich den Wettbewerb. Wir wollen, das dies System im Grunde wirklich seinen Vorteil bietet für die Versicherten, für die Mitglieder. Wobei ich feststelle, wir haben wirklich ein hervorragendes Gesundheitssystem. Das muss auch finanzierbar bleiben. Da sind auch eine Menge von insofern von Reserven noch im System drin. Viele Schnittstellen sind nicht wirklich besetzt. Und insofern sage ich, wir wollen den Wettbewerb im Grunde für den Versicherten um die Versorgung aber in sofern auch die Finanzierbarkeit.
Zurheide: Jetzt klären Sie uns doch mal auf. Wo ist denn da der Unterschied? Denn Wettbewerb, da reden alle Parteien, sowohl die Union auf der einen Seite, aber auch die SPD. Nur, wenn der eine Wettbewerb sagt, meint er im Zweifel etwas anderes als der andere. Klären Sie uns da mal auf, was denn dahintersteckt.
Vöcking: Also ich gehe davon aus, dass die Union im Grunde einen Wettbewerb will zum Schutz von Kapital und von Aktionären. Und die SPD in meinen Augen den richtigen Wettbewerb, wirklich um die bessere Versorgung. Ich habe nur große Sorgen, dass die Richtung falsch ist. Wir bekommen in der einen Richtung, im Grunde Richtung Union, möglicherweise praktisch eine Amerikanisierung des Systems. Eine Privatisierung, wo letztlich im Grunde der einfache, normale Bürger im Grunde sich das System von heute nicht mehr leisten kann. Die Gefahr auf der anderen Seite bei der SPD ist, dass man im Grunde eine Einheitsversicherung bekommt und insofern dann auch praktisch eine Staatsmedizin. Wir wollen den Weg im Grunde in der Mitte um wirklich einen fairen Wettbewerb um Versorgung und um Wirtschaftlichkeit.
Zurheide: Was heißt denn das, was da jetzt kommen wird, für die Versicherten. Die Ministerin, Frau Schmidt, weist ja immer darauf hin, das sei die erste Reform, wo nicht an Leistungen rumgeschnippelt wird, wo man das alles erhält. Sehen Sie das auch so?
Vöcking: Ja, das ist eine ganz geschickte Operation, wenngleich ich sagen muss, Frau Schmidt hat wie eine Löwin gekämpft im Grunde um den Erhalt der GKV, insofern mache ich ihr Komplimente.
Zurheide: Der gesetzlichen Krankenkasse.
Vöcking: Der gesetzlichen Krankenkassen, völlig richtig. Aber das im Grunde, was heute als Politik gemacht wird, in der Tat, man geht nicht an den Leistungskatalog dran. Aber das ist insofern etwas vordergründig, denn letztlich wird es so sein, dass das System etwas teurer wird. Wir müssen natürlich einen Preis zahlen für medizinischen Fortschritt. Und von der Anlage mit diesem Fond wird dazu führen, dass zunehmend im Grunde der Versicherte belastet wird. Das wird ganz abhängen von der politischen Konstellation. Insofern muss man sagen, ist es wichtig, dass die SPD dran festgehalten hat an der einprozentigen Überforderungsklausel. Das heißt, der Zusatzbeitrag soll in sofern die Ein-Prozent-Grenze vom Einkommen nicht überschreiten. Das ist wichtig. Damit im Grunde haben wir einen Druck darauf, dass die Arbeitgeber weiterhin beteiligt werden, das auch der Bund sich beteiligt. Aber das Ganze ist natürlich abhängig von den jeweiligen politischen Konstellationen.
Zurheide: Ich habe gerade schon mal versucht die unterschiedlichen Wettbewerbsbegriffe mit Ihnen heraus zu arbeiten, die da sind. Ich will auch noch mal den Begriff Gerechtigkeit einführen. Ich frage Sie auch, weil sie ja CDU-Mitglied sind und früher mit Norbert Blüm gemeinsam in einer Regierung auch gearbeitet haben als Staatssekretär. Gibt es auch bei der Gerechtigkeit zwischen beiden großen Parteien Unterschiede, die möglicherweise zu Problemen führen?
Vöcking: Ich glaube schon. Insofern, Sie haben meine parteipolitische Zugehörigkeit richtig beschrieben, aber ich sage, das, was die Union an Gesundheitspolitik betrieben hat, kann ich so im Grunde nicht nachvollziehen und kritisiere das. Gerechtigkeit bedeutet, glaube ich, für die Union, in diese Richtung gehen, im Grunde mehr Selbstverantwortung, mehr Selbstbeteiligung, aber letztlich im Grunde einfach nur eine Privatisierung des Risikos. Bei der SPD etwas anderes. Das geht in Richtung wirklich Bürgerversicherung. Das bedeutet wirklich Gerechtigkeit, auch eine Verbindung von Privatsystem und gesetzlichem System, und das halte ich für wirklich gerecht.
Zurheide: Sie haben vorhin schon mal die Qualität im System angesprochen. Wer unabhängig auf unser Gesundheitssystem blickt, stellt sicherlich fest, dass wir im internationalen Maßstab nicht schlecht dastehen. Aber dennoch gibt es gravierende Qualitätsmängel, die Schnittstellen, sie stimmen nicht. Sehen Sie denn, das jetzt bei dieser Reform an dieser ganz zentralen Frage irgend etwas getan wird für mehr Qualität im System?
Vöcking: Also der Wunsch ist da. Ich sehe aber noch nicht, dass wir gerade an dem Punkt einen wirklichen Schritt weiterkommen. Wir werden trotzdem als Kassen versuchen unabhängig von dem, was die Politik jetzt entscheidet, auch gesetzlich regelt, diesen Weg in mehr Qualität und mehr Wirtschaftlichkeit zu gehen.
Zurheide: Sind Sie dann immer an so einer schwierigen Schnittstelle, wo es dann heißt, na ja, wollen die eigentlich im Zweifel nur Geld sparen. Sie von der Barmer haben so eine Transparenzliste über Krankenhauskosten herausgegeben, wo die Ärzteschaft Ihnen schon wieder vorwirft und sagt, na ja, Sie wollen ja gar nicht Qualität, Sie wollen ganz billig machen. Trifft dieser Vorwurf Sie?
Vöcking: Der trifft uns natürlich, weil er unberechtigt ist. Wir wollen die gute Versorgung der Versicherten. Und wir wollen, dass Mittel, die aufgebracht werden insbesondere von den Beitragszahlern, von den Arbeitnehmern, dass diese nicht falsch eingesetzt werden, dass die nicht fehlgesteuert werden. Und deswegen sind wir für Qualität im Gesundheitssystem, auch für Wirtschaftlichkeit. Und eines wollen wir natürlich überhaupt nicht, wir wollen nicht eingreifen in die Therapiefreiheit des Arztes. Sondern der Mediziner, der Arzt soll entscheiden im Grunde, welche Versorgung die richtige ist. Wir können nur raten im Grunde, die richtigen Entscheidungen zu treffen, das heißt Qualität und natürlich Wirtschaftlichkeit immer im Auge zu haben.
Zurheide: Ich war allerdings irritiert als ich jetzt gelernt habe, dass es zum Beispiel Qualitätskriterien bei Krankenhäusern gibt. Die werden dann aber nicht veröffentlicht, bezogen auf einzelne Krankenhäuser. Müsste man da nicht viel, viel mehr tun auch im Sinne der Information der Patienten, dass man überhaupt weiß, wenn ich in ein Krankenhaus gehe, dann weiß ich, wie die vorher zum Beispiel operiert haben.
Vöcking: Das ist schon richtig. Insofern muss aber nichts Neues gesetzlich geregelt werden. Es gibt seit langem eine gesetzliche Vorschrift, danach sind die Krankenhausgesellschaften verpflichtet, Listen zu erstellen über Preis, aber auch über Qualität. Aber ich habe den Eindruck, dass man uns hier bewusst und zwar seit mehreren Jahren im Grunde dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt, weil man sich scheut im Grunde hier die Dinge wirklich offen zu legen. Und gerade da setzen wir an und sagen, wenn hier insofern ganz bestimmte Leistungserbringerseiten versagen, müssen wir als gesetzliche Krankenversicherung uns dieser Aufgabe stellen.