"Die Medien, die mit Lügengeschichten diese Kampagne begonnen haben - die sollten Sie sich nicht ins Haus holen. Das sage ich ganz deutlich!"
Der Ministerpräsident persönlich fordert zum Boykott einzelner Medien auf - ein einmaliger Vorgang in der türkischen Politik. Seit diesem Wutausbruch Tayyip Erdogans vergangene Woche ist die Empörung groß - besonders unter den Journalisten des Landes. Denn die Berichterstattung, über die sich Erdogan so echauffiert, habe mit Regierungsfeindlichkeit nichts zu tun. Es geht um einen in Frankfurt geführten Prozess um den millionenschweren Spendenskandal beim türkischen Wohltätigkeitsverein "Deniz Feneri". Zwei Hauptangeklagte sind zu Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verurteilt worden. Sie hatten unter Türken in Deutschland 41 Millionen Euro für wohltätige Zwecke gesammelt, von denen 16 Millionen spurlos verschwunden sind. Sie landeten mutmaßlich bei einem der Regierungspartei AKP nahe stehenden Fernsehsender - und, so vermutet Oppositionsführer Deniz Baykal, auch bei der AKP selbst.
"Wenn sie so selbstsicher sind, dann sollten sie die gleiche Entschlossenheit zeigen bei der Aufarbeitung dieses Falles wie die Gerichte in Deutschland!"
Außerdem wurde der höchste Medienwächter der Türkei in Frankfurt als Beschuldigter geführt - doch der weigert sich zurückzutreten. Dass vor allem die Zeitungen der grössten türkischen Medienholding, Dogan, sich in diesen Skandal verbissen haben, nennt Erdogan einen Rachefeldzug, weil die Regierung einem millionenschweren Immobilienprojekt in der Istanbuler die Genehmigung verweigert habe, worüber Aydin Dogan, der Patron des Unternehmens, sehr verschnupft gewesen sein soll. Aber auch andere, unabhängige Medien als Dogan berichten über die Veruntreuung von türkischen Gastarbeiter-Geldern. Darum schlägt der türkische Journalistenverband Alarm. Ferai Tinc von der Tageszeitung Hürriyet, deren Zeitung von der Regierung besonders angegangen wird, sieht ihr Land auf dem Weg zurück in die Zeiten vor den EU-Reformen:
"In diesen Tagen sieht man leider, dass die Pressefreiheit in der Türkei nicht so durchgesetzt ist, wie in den Kopenhagener Kriterien der EU gefordert. Und ist dieser Streit ist nicht das einzige Beispiel aus der letzten Zeit."
Während die Außenpolitik Ankaras - etwa die Annäherung an den ehemaligen Erzfeind Armenien - Anerkennung im Ausland erntet, gerät Erdogan innenpolitisch immer stärker unter Druck. Fehler werden schön geredet oder schlicht geleugnet. Beispiel: Der Tod von 13 Frühgeborenen in nur einer Nacht in einem staatlichen Vorortkrankenhaus von Izmir vor wenigen Tagen. Die Empörung der Öffentlichkeit über das wahrscheinlich durch eine Infektion verursachte Sterben, lässt Gesundheitsminister Akdag im Fernsehen an sich abperlen. Niemand habe sich etwas vorzuwerfen:
"Man sollte den dort tätigen Ärzten und Schwestern nicht unrecht tun. Das sind sehr erfahrene Mitarbeiter. Jetzt ihnen die Verantwortung zuzuschieben wäre ganz falsch."
Arroganz der Macht, nennen das manche in der Türkei - darunter viele ehemalige Liberale und Intellektuelle, die Erdogan einst wegen seiner Reformpolitik und seines strikten EU-Kurses unterstützt hatten. Doch immer mehr von ihnen wenden sich von der AKP ab. Mit Kopfschütteln hören sie wie Erdogan diejenigen westlich eingestellten Landsleute angreift, die gegen lokale Alkoholverbote auf die Strasse gehen. Allen Ernstes behauptet er, diejenigen, die aus religiösen Gründen alkoholabstinent blieben stünden in der Türkei unter Druck - und nicht umgekehrt. Offenbar, sagt der Publizist Cüneyt Ülsever, seien ihm die letzten Wahlerfolge zu Kopf gestiegen:
"Ich habe Erdogan anfangs unterstützt, aber seit Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen vor vier Jahren begann er sich zunehmend wieder auf seine alte konservative Klientel zu stützen, vornehmlich aus den Kreisen der religiösen Organisation Milli Görüs. Anfangs lud Erdogan geradezu zu Kritik und Dialog ein. Aber nun ist das offenbar nicht mehr gefragt."
Im März nächsten Jahres finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Umfragen zeigen, dass die AKP zwar immer noch größte Partei des Landes ist, aber mit bis zu 10 Prozent Verlusten rechnen muss.
Der Ministerpräsident persönlich fordert zum Boykott einzelner Medien auf - ein einmaliger Vorgang in der türkischen Politik. Seit diesem Wutausbruch Tayyip Erdogans vergangene Woche ist die Empörung groß - besonders unter den Journalisten des Landes. Denn die Berichterstattung, über die sich Erdogan so echauffiert, habe mit Regierungsfeindlichkeit nichts zu tun. Es geht um einen in Frankfurt geführten Prozess um den millionenschweren Spendenskandal beim türkischen Wohltätigkeitsverein "Deniz Feneri". Zwei Hauptangeklagte sind zu Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verurteilt worden. Sie hatten unter Türken in Deutschland 41 Millionen Euro für wohltätige Zwecke gesammelt, von denen 16 Millionen spurlos verschwunden sind. Sie landeten mutmaßlich bei einem der Regierungspartei AKP nahe stehenden Fernsehsender - und, so vermutet Oppositionsführer Deniz Baykal, auch bei der AKP selbst.
"Wenn sie so selbstsicher sind, dann sollten sie die gleiche Entschlossenheit zeigen bei der Aufarbeitung dieses Falles wie die Gerichte in Deutschland!"
Außerdem wurde der höchste Medienwächter der Türkei in Frankfurt als Beschuldigter geführt - doch der weigert sich zurückzutreten. Dass vor allem die Zeitungen der grössten türkischen Medienholding, Dogan, sich in diesen Skandal verbissen haben, nennt Erdogan einen Rachefeldzug, weil die Regierung einem millionenschweren Immobilienprojekt in der Istanbuler die Genehmigung verweigert habe, worüber Aydin Dogan, der Patron des Unternehmens, sehr verschnupft gewesen sein soll. Aber auch andere, unabhängige Medien als Dogan berichten über die Veruntreuung von türkischen Gastarbeiter-Geldern. Darum schlägt der türkische Journalistenverband Alarm. Ferai Tinc von der Tageszeitung Hürriyet, deren Zeitung von der Regierung besonders angegangen wird, sieht ihr Land auf dem Weg zurück in die Zeiten vor den EU-Reformen:
"In diesen Tagen sieht man leider, dass die Pressefreiheit in der Türkei nicht so durchgesetzt ist, wie in den Kopenhagener Kriterien der EU gefordert. Und ist dieser Streit ist nicht das einzige Beispiel aus der letzten Zeit."
Während die Außenpolitik Ankaras - etwa die Annäherung an den ehemaligen Erzfeind Armenien - Anerkennung im Ausland erntet, gerät Erdogan innenpolitisch immer stärker unter Druck. Fehler werden schön geredet oder schlicht geleugnet. Beispiel: Der Tod von 13 Frühgeborenen in nur einer Nacht in einem staatlichen Vorortkrankenhaus von Izmir vor wenigen Tagen. Die Empörung der Öffentlichkeit über das wahrscheinlich durch eine Infektion verursachte Sterben, lässt Gesundheitsminister Akdag im Fernsehen an sich abperlen. Niemand habe sich etwas vorzuwerfen:
"Man sollte den dort tätigen Ärzten und Schwestern nicht unrecht tun. Das sind sehr erfahrene Mitarbeiter. Jetzt ihnen die Verantwortung zuzuschieben wäre ganz falsch."
Arroganz der Macht, nennen das manche in der Türkei - darunter viele ehemalige Liberale und Intellektuelle, die Erdogan einst wegen seiner Reformpolitik und seines strikten EU-Kurses unterstützt hatten. Doch immer mehr von ihnen wenden sich von der AKP ab. Mit Kopfschütteln hören sie wie Erdogan diejenigen westlich eingestellten Landsleute angreift, die gegen lokale Alkoholverbote auf die Strasse gehen. Allen Ernstes behauptet er, diejenigen, die aus religiösen Gründen alkoholabstinent blieben stünden in der Türkei unter Druck - und nicht umgekehrt. Offenbar, sagt der Publizist Cüneyt Ülsever, seien ihm die letzten Wahlerfolge zu Kopf gestiegen:
"Ich habe Erdogan anfangs unterstützt, aber seit Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen vor vier Jahren begann er sich zunehmend wieder auf seine alte konservative Klientel zu stützen, vornehmlich aus den Kreisen der religiösen Organisation Milli Görüs. Anfangs lud Erdogan geradezu zu Kritik und Dialog ein. Aber nun ist das offenbar nicht mehr gefragt."
Im März nächsten Jahres finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Umfragen zeigen, dass die AKP zwar immer noch größte Partei des Landes ist, aber mit bis zu 10 Prozent Verlusten rechnen muss.