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Erdwärme in Deutschland
Erdbebengefahr behindert den Ausbau

Zu den vergleichsweise sauberen Energiequellen gehört auch die Erdwärme, die jedoch im Strommix bis heute kaum eine Rolle spielt. Offenbar ist die Energie aus rund fünf Kilometern Tiefe nur schwer zu heben. Zudem hat sie den Ruf, Erdbeben auszulösen.

Von Karl Urban | 26.01.2015
    Ein Mitarbeiter steht in Insheim (Rheinland-Pfalz) in einem Geothermiekraftwerk neben einem großen Ventilator.
    Ein Mitarbeiter steht in Insheim (Rheinland-Pfalz) in einem Geothermiekraftwerk neben einem Ventilator. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Zwei Prozent seines Strombedarfs könnte Deutschland mit Erdwärme decken. Das besagt eine Studie aus dem Jahr 2003. Vor allem rund um München sind heute über 15 kleine Kraftwerke am Netz. Im Oberrheingraben zwischen Frankfurt und Freiburg laufen gerade drei – obwohl die hier erschließbare Energiemenge deutlich größer ist als im Alpenvorland – aber auch der öffentliche Widerstand.
    "Wir sind alle mal losgegangen und waren alle mal Geothermieanhänger."
    Am 15. August 2009 bebt die Erde unter Landau in der Pfalz schwach, aber spürbar. Eine Studie beweist später: Das Beben ereignete sich direkt an der Bohrung. In Folge protestieren Bürgerinitiativen gegen die tiefe Erdwärme – auch Eva Keller vom Verein Schaidt aktiv ist dabei.
    "Wir waren nie feindlich gegenüber der Geothermie. Ich denke mal, die Pfalz ist aufgewacht durch die Erdstöße in Landau."
    Der Grund für den schleppenden Ausbau der Erdwärme liegt neben dem öffentlichen Widerstand aber auch am Gestein, sagt der Seismologe Joachim Ritter vom Karlsruher Institut für Technologie.
    "Nun, was man möchte, ist ja in erster Linie, heißes Wasser zu fördern. Wenn man tief in die Erde hinein bohrt, dann ist eben ein Großteil des Gesteins dort relativ dicht. Das heißt, da kann sich ein Fluid, also ein heißes Wasser beispielsweise nicht ausbreiten. Ich kann also nicht viel fördern. Man sucht jetzt Bereiche, wo man mit einem erhöhten Wasserfluss rechnen kann und das sind zum Beispiel Verwerfungen."
    Seismische Messgeräte durchleuchten vor der Bohrung das Gestein
    Während um München in der Tiefe gut durchlässiger Kalkstein liegt, versuchen die Ingenieure im Oberrheingraben, wasserführende Verwerfungen anzubohren: aus der Sicht eines Erdbebenforschers durchaus ein riskantes Unterfangen.
    "Was wir auch merken, ist, wenn ich an Geothermieprojekte vor allem im Bereich Süddeutschland und der Schweiz denke, dass eigentlich fast jedes Projekt anders reagiert. Wir wissen einfach sehr wenig über den Zustand des Erdinneren in vier bis fünf Kilometer Tiefe."
    Ein heißes und für Wasser durchlässiges Gestein zu finden und es sicher anzubohren, ist laut Horst Kreuter aber deutlich einfacher geworden. Er ist Geschäftsführer des Ingenieurbüros GeoThermal Engineering in Karlsruhe.
    "Wir haben inzwischen verstanden, wie wir erkunden müssen, damit wir in die richtigen Regionen bohren und genügend Wasser produzieren können."
    Dafür durchleuchten seismische Messgeräte vor jeder Bohrung das Gestein. Die ausgesandten Schallwellen werden an den Verwerfungen in der Tiefe gestreut und zurückgeworfen. Aus den Messwerten errechnen Geophysiker ein 3D-Modell des Untergrunds. Horst Kreuters Kollege John Reinecker schränkt den Nutzen dieses Hilfsmittels aber ein.
    "Es bleibt eine Restunsicherheit, weil das Modellvorstellungen sind."
    Die Geologen möchten dennoch verhindern, dass nach der Millionen Euro teuren Bohrung kaum heißes Wasser hindurchströmt. Deshalb hat John Reinecker gemeinsam mit Geowissenschaftlern von drei Universitäten links und rechts des Oberrheingrabens Steinbrüche besucht und dort Proben gesammelt: von den selben Gesteinen, die in der Tiefe heiß und interessant sein könnten – und über die 3D-Modelle nicht alles verraten.
    "Was sind das eigentlich für Gesteine, die damit zusammenhängen? Aus der 3D-Seismik bekommen wir physikalische Parameter: Laufzeiten, Amplituden, die wir erst übersetzen müssen mit Gesteinsparametern."
    Eine der wenigen erdbebengefährdeten Zonen Deutschlands
    Etwa Informationen darüber, wie viel Wasser durch das heiße Gestein zum Kraftwerk fließen könnte. Doch eine Bohrung muss nicht nur viel Thermalwasser erschließen, sondern auch sicher sein. Die uralten Verwerfungen im Rheingraben sind ein Zeichen einer langen Erdbebengeschichte – und für den Seismologen Joachim Ritter ein mögliches Problem.
    "Es ist Gott sei dank bisher noch nicht zu größeren Erdbeben gekommen. Aber ich muss damit rechnen, dass ich Erdbeben auslöse. Und wenn ich direkt an einer Stadt bin, ist eben auch die Wirkung größer als wenn ich das irgendwo mache, wo ich in einem unbesiedelten Gebiet bin."
    Der Rheingraben ist eine der wenigen erdbebengefährdeten Zonen Deutschlands – und dicht besiedelt. Wenn hier in den nächsten sechs Jahren, wie Horst Kreuter schätzt, rund zehn neue Erdwärmekraftwerke in Betrieb gehen, könnte sich das Bebenrisiko weiter erhöhen. Der Geologe mahnt aber, diese Entwicklung nicht überzubewerten.
    "Es gibt im Oberrheingraben in jedem Jahr Hunderte von Erschütterungen, die zum Teil gespürt werden wie in Darmstadt vor kurzem und wie an anderen Orten. Das ist ganz natürlich, das hat mit Geothermie nichts zu tun."
    Und Joachim Ritter regt an, über die Vor- und Nachteile der Erdwärme zu diskutieren, bevor immer neue Bohrungen entstehen.
    "Man muss sich zuerst überlegen, möchte man diese Technologien wirklich haben und nutzen."