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Erfolgreiche Weichenstellung?
Die Privatisierung der Bahn 1994

Vor 25 Jahren wurde der überschuldete Staatsbetrieb Deutsche Bahn zum privatrechtlichen Konzern. Die damals beschlossenen Einsparungen spüren Fahrgäste heute mehr denn je. Doch es gibt nicht nur Frust, sondern inzwischen auch wieder eine echte Diskussion über die Zukunft der Schiene.

Von Dieter Nürnberger | 01.01.2019
    Heinz Dürr (r), Vorsitzender der Deutschen Bahn, überreicht Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (l, CDU) ein ICE-Modell. Am 10. Januar 1994 fand in Berlin die symbolische Fusion der Bundesbahn (Bundesrepublik) und der Reichsbahn (frühere DDR) zur Deutsche Bahn AG statt. | Verwendung weltweit
    Reform mit Folgen: Der damalige Bahnchef Heinz Dürr (rechts) mit Matthias Wissmann (CDU), damals Verkehrsminister, im Januar 1994 (picture alliance / dpa)
    Den Berliner Hauptbahnhof gab es vor 25 Jahren - als die Bahnreform in Deutschland in Kraft trat - noch nicht. Damals war die ehemalige Teilung der Stadt an dieser Stelle noch besonders sichtbar. Ein alter S-Bahnhof aus der Kaiserzeit prägte hier vor einem Vierteljahrhundert noch das Bild. Heute steht hier einer der modernsten Bahnhöfe der Republik.
    In der DB-Lounge, so bezeichnet die Deutsche Bahn ihren Wartebereich für Reisende der ersten Klasse und für Vielfahrer, herrscht reger Betrieb. Ein angenehmes Ambiente, rote Ledersessel und eine kostenlose Kaffeebar laden zum Verweilen ein. Karl-Peter Naumann ist ein solcher Vielfahrer - seit Jahrzehnten, berufsbedingt, denn er ist Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Die Bahnreform vor 25 Jahren sei eine Art Zeitenwende gewesen, sagt er. Aus der früher so oft bezeichneten Beamten- oder Behörden-Bahn sei ein Wirtschaftsunternehmen geworden:
    "Freundliches Personal gab es natürlich auch früher schon, so ist es nicht. Aber insgesamt hat man schon gemerkt, dass der Fahrgast nicht mehr nur ein Beförderungsfall ist, er ist ein Kunde, auch in der Konkurrenz zum Flugzeug und zum Bus."
    Staatsbahnen vor der Reform: marode und überschuldet
    Die Bahnreform bezeichnet die gesetzliche und auch organisatorische Neuordnung des Schienenverkehrs. Aus der Bundesbahn im Westen und der Reichsbahn im Osten Deutschlands wurde zum Stichtag 1. Januar 1994 die privatrechtlich organisierte Deutsche Bahn AG. Zudem sollte vor 25 Jahren mehr Wettbewerb einziehen, der Markt in Deutschland wurde auch für private Eisenbahnunternehmen geöffnet. Und nicht zuletzt ging die Zuständigkeit im Nahverkehr der Bahn vom Bund auf die Bundesländer über. Erster Vorstandsvorsitzender des neu gegründeten Unternehmens war Heinz Dürr, der bereits vorher die beiden zusammenwachsenden Bahngesellschaften geleitet hatte. Es herrschte durchaus Aufbruchsstimmung.
    "Eine Technologie, die schon fast abgeschrieben war - die Eisenbahn, die soll jetzt wieder ganz groß rauskommen. Das ist nur zu schaffen, wenn die Mitarbeiter mitziehen, und wenn ein Innovationsschub kommt, der sich sehen lassen kann."
    Heinz Dürr (r), Vorsitzender der Deutschen Bahn, und Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (l, CDU) am 10. Januar 1994 in Berlin während der symbolischen Fusion der Bundesbahn (Bundesrepublik) und der Reichsbahn (frühere DDR) zur Deutsche Bahn AG. | Verwendung weltweit
    Damals fusionierten die Bundesbahn der Bundesrepublik und die Reichsbahn der ehemaligen DDR zur Deutschen Bahn (picture alliance / dpa)
    Als die Bahnreform in Kraft trat, galt das Schienennetz als marode und unvollständig - natürlich auch eine Folge der jahrzehntelangen Teilung der Republik. Züge und Technik waren überaltert. Und auch wirtschaftlich lief es nicht rund: Sinkende Marktanteile im Personen- und Güterverkehr und vor allem finanzielle Defizite prägten das Bild der beiden deutschen Staatsbahnen. Mit der Gesetzesreform einher ging auch die Entschuldung durch den Bund, sie lag im Jahr 1993 bei umgerechnet 34 Milliarden Euro.
    Belegschaft halbiert, unrentable Strecken stillgelegt
    Mit der Bahnreform entstand ein Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form. Der Bund blieb zwar alleiniger Eigentümer der neuen Bahn AG, er sollte allerdings nur noch bei strategischen Entscheidungen mitreden dürfen. Was der Bund auch tat. Die Politik hatte Großes mit der Bahn vor. Der CDU-Politiker Matthias Wissmann war damals Bundesverkehrsminister:
    "Wir können vor allem den Menschen die Hoffnung vermitteln, dass sich ein modernes Dienstleistungsunternehmen immer mehr entwickeln wird. Das eben befreit ist von den Fesseln der Behördenstruktur. Und daher auch mehr Verkehr auf die Schiene ziehen kann. Ein verkehrspolitisches Jahrhundertwerk hat mal jemand gesagt."
    Ein solches Jahrhundertwerk jedoch kann wohl nicht ohne Blessuren verlaufen. Ehemalige Verwaltungsbeamte mussten lernen, wie ein Unternehmen wirtschaftlich zu führen ist.
    Einige Folgen der Bahnreform waren dann auch gravierend: Anfang 1994 hatte die Bahn nach eigenen Angaben noch rund 350.000 Beschäftigte, doch die Zahl der Mitarbeiter wurde im Laufe der Jahrzehnte fast halbiert und aus Kostengründen wurden unrentable Strecken und Bahnhöfe stillgelegt.
    Karl-Dieter Bodack war über Jahrzehnte in leitender Funktion bei der Bahn tätig gewesen. Der Ingenieur verließ das Unternehmen 1995, um sich danach vor allem als Kritiker der Unternehmensstrategie einen Namen zu machen.
    "Das ist eine starke negative Negativ-Wirkung der Bahnreform - dass viele Städte, ja ganze Regionen den Fernverkehr verloren haben. Nun müssen die Kunden mit Nahverkehrszügen beispielsweise von Potsdam nach Berlin oder von Magdeburg nach Leipzig fahren, um an einen Fernverkehrszug zu kommen."
    Aufsplittung und geplanter Börsengang
    Die Bahnreform von 1994 war auch nur ein erster Schritt. In einer zweiten Stufe wurden Anfang 1999 fünf eigenständige Aktiengesellschaften unter dem Dach der Holding Bahn AG gegründet. Aus dem Unternehmensbereich Personennahverkehr wurde beispielsweise die DB Regio AG oder aus der Güterverkehrssparte die DB Cargo AG.
    Als Folge der zweiten Stufe der Bahnreform sollte nach dem Willen der Politik auch eine Teil-Privatisierung des Unternehmens erfolgen – gemeint ist der Börsengang der Bahn. Kein geplanter Reformschritt war so umstritten wie dieser. Denn es ging um Grundsätzliches: Kritiker des Börsenganges verwiesen auf Artikel 87e des Grundgesetzes, der anlässlich der Bahnreform geändert wurde. Die Bahn habe dem Gemeinwohl zu dienen, sagte beispielsweise Gregor Gysi, damals Fraktionschef der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag:
    "In Wirklichkeit ist es doch so: Jeder Finanzinvestor, der Geld gibt, will dieses doch nach kurzer Zeit mehr wieder heraushaben. Sonst würde er ja kein Geld geben. Das weiß doch jeder. Und die sozialen und ökologischen Aufgaben, die mit der Bahnreform verbunden sind, werden auf diese Art und Weise nicht realisierbar sein."
    Die Börsengang-Pläne sahen eine Veräußerung der Bahn bis zu einer Schwelle von 24,9 Prozent vor. Optimisten gingen von einem stattlichen Erlös in Höhe von rund acht Milliarden Euro aus.
    Doch die Finanzmarktkrise von 2008 machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung:
    "Der Börsengang ist verschoben. Wir glauben, dass es nicht verantwortbar wäre, einen solchen Börsengang zu einem Zeitpunkt in Gang zu setzen, wo das gesamte Marktumfeld relativ ungünstig ist. Und in der Tat nicht einem Preis für Bundesvermögen erzielte, der eigentlich zu rechtfertigen gewesen wäre."
    Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) stoppte den Börsengang kurzfristig im Oktober 2008. Denn erwartet wurde zu diesem Zeitpunkt nur noch die Hälfte der einst geplanten Erlöse. Seitdem ist dieser in der Bahnreform eigentlich vorgesehene Privatisierungsschritt nie wieder ernsthaft angegangen worden.
    Die Schweiz machte es nach - und besser
    Zur ehemaligen Beamtenbahn will heute keiner mehr zurück. Denn die Bahnreform brachte durchaus einen Modernisierungsschub: neue Hochgeschwindigkeitsstrecken wurden gebaut, und inzwischen steigen auch die Mitarbeiterzahlen wieder an. Ebenso die der Fahrgäste. Besser geworden sei es vor allem im Regionalverkehr, sagt Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes "Pro Bahn". Und er nennt auch den Grund dafür:
    "Dass die Verantwortung für den Regionalverkehr auf die Länder übertragen worden ist. Und seitdem ist der Regionalverkehr eine Erfolgsgeschichte. Es sind deutlich mehr Fahrgäste im Regionalverkehr unterwegs. Das Angebot ist deutlich besser geworden, weil es eben nicht mehr zentral von einer Bundesbehörde geplant wurde. Sondern jetzt vor Ort geplant wird. Natürlich gibt es auch da noch Verbesserungsmöglichkeiten, aber insgesamt ist der Regionalverkehr die Erfolgsgeschichte der Bahnreform."
    Nicht nur hierzulande gab es in den 1990er-Jahren eine Bahnreform, etwas später gab es eine solche beispielsweise auch in der Schweiz. Deutschland sei hierfür eindeutig das Vorbild gewesen, sagt Peter Füglistaler, Direktor des Schweizerischen Bundesamtes für Verkehr. Eine durchaus ähnliche Reform: von der Behördenbahn zu einer Aktiengesellschaft, die ebenfalls weiterhin im Staatsbesitz ist. Einen großen Unterschied jedoch gab es, so Peter Füglistaler:
    "Wir hatten nie die Diskussion, dass man die Bahn an die Börse bringen könnte. In Deutschland hat das ja lange Zeit das Verhalten der Deutschen Bahn geprägt. Hat auch gewisse Managemententscheidungen beeinflusst. In der Schweiz war jedoch immer klar, dass die Bahn in Staatsbesitz bleibt. Das stand nie zur Diskussion. Insofern wurde die unternehmerische Entwicklung nie so weit getrieben und dann später wieder korrigiert wie in Deutschland."
    Das Erfolgsrezept: "Geld, Geld und nochmals Geld"
    Die Schweiz gilt heute bei vielen Verkehrsexperten als Paradebeispiel einer gelungenen Bahnreform. Neue Strecken werden eröffnet, die Nachfrage steigt. Das Erfolgsrezept des Direktors des Schweizerischen Bundesamtes klingt dabei bestechend einfach:
    "Geld, Geld und nochmals Geld. Beim Bahnsystem, generell beim öffentlichen Verkehr, ist es entscheidend, wieviel Geld investiert wird, und ein ganz großer Teil kommt halt von der öffentlichen Hand und somit vom Steuerzahler. Und da haben wir in der Schweiz eine große Bereitschaft, die hohen Investitionen auch bereitzustellen."
    Züge im Bahnhof Basel
    Die Schweizer Bahn folgte dem deutschen Privatisierungsmodell - nur ein Börsengang wurde dort nie ernsthaft erwogen (Deutschlandradio / Dietrich Karl Mäurer)
    Während die Eidgenossen mit Stolz auf ihre Bahnreform blicken, herrscht in Deutschland derzeit eher Katerstimmung: Die Kosten für Betrieb, Erhaltung und Ausbau des Netzes steigen schneller als der Umsatz, die Verschuldung der Bahn liegt inzwischen bei rund 20 Milliarden Euro. Die Modernisierung des Netzes und auch die notwendige Digitalisierung werden weitere Milliardensummen erfordern. Die veröffentlichten Zahlen der Bahn AG offenbaren: Nur noch rund drei Viertel der Fernzüge kommen derzeit pünktlich an. Der vor der Bahnreform so gern betonte Wettbewerb funktioniert allenfalls im Regionalverkehr. Und der Schienengüterverkehr hat in den vergangenen Jahren Marktanteile an den Hauptkonkurrenten, den Lkw-Verkehr auf der Straße, verloren.
    "Leider hat das System in den letzten Jahren gelitten. Nämlich: weniger Zuverlässigkeit, weniger Pünktlichkeit, und wir sehen noch kein Licht am Ende des Tunnels. Wir sind vielmehr alle in gespannter Erwartung, ob die Maßnahmen, die jetzt auf den Plan gerufen werden, tatsächlich auch greifen", sagt Claus Weselsky, der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL. 2015 wurde er fast schon zum Bürgerschreck, als die Gewerkschaft mit tagelangen Streiks den Bahnverkehr praktisch zum Erliegen gebracht hatte. Zu viele Überstunden, zu wenig Personal, zu schlechte Bezahlung - sagte die GDL damals. Und auch in der aktuellen Tarifrunde hat die Bahn mit der Lokführergewerkschaft noch keine Einigung erzielt.
    Engpässe haben zu Strukturdebatte geführt
    Wie schlecht es derzeit um die Bahn steht, wurde spätestens im Herbst klar - als Bahnchef Richard Lutz eine Art Brandbrief an die eigenen Führungskräfte schrieb. Er mahnte eine bessere Zusammenarbeit und eine strengere Kostenkontrolle an. Das Netz - übrigens mit rund 34.000 Streckenkilometern das größte in Europa -, vor allem aber viele der verkehrsreichen und oft überlasteten Hauptachsen und Knotenpunkte müssten dringend erneuert werden. Lutz spricht von Kapazitätsengpässen und weist darauf hin:
    "Dass Gott sei Dank auch immer mehr Menschen in unseren Zügen sind. Und da, wo wir genügend Kapazität haben, auch ausreichend Fahrzeuge und gut geplante Fahrpläne, dort sehen wir, dass die Pünktlichkeit signifikant höher ist als in den Netzabschnitten, wo eben Infrastruktur knapp ist und ganz viel Verkehr stattfindet. Es gibt aber eine große Bereitschaft, auch in der Politik, das Thema Kapazität in den Mittelpunkt zu rücken. Weil es nicht nur auf Wachstum einzahlt, sondern eben auch auf Betriebsqualität und Pünktlichkeit."
    Seitdem ist die öffentliche Diskussion über Kapazitätsengpässe zu einer Strukturdebatte geworden. Braucht es ausgerechnet im 25. Jubiläumsjahr der Bahnreform eine neue, eine grundlegende Veränderung? Handlungsbedarf jedenfalls wird inzwischen auch von Seiten der Politik gesehen. Enak Ferlemann ist Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr:
    "Im Laufe von 25 Jahren gibt es natürlich Punkte, die man verbessern kann. Und dieser Aufgabe muss man sich stellen. Das heißt: Wir leben die Bahnreform weiter, sie ist gut, sie ist die Grundlage. Aber wir müssen manche Punkte verbessern."
    Mehr Geld und neue Zielsetzung
    Schon der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und der SPD ließ aufhorchen: Eine Maximierung des Gewinns stehe nicht mehr Vordergrund, heißt es dort. Vielmehr soll eine Maximierung des Schienenverkehrs erfolgen. Damit wird auch ein jahrelanger strategischer Schwebezustand beendet, denn eine Privatisierung wird von den beiden Regierungsfraktionen verneint - das Schienennetz und die Stationen seien "Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge".
    Fest steht, dass es künftig mehr Geld vom Bund geben wird, auch wenn die dafür notwendigen Milliardensummen teilweise noch nicht endgültig festgelegt wurden. Auch von einem Konzernumbau ist die Rede. Enak Ferlemann, der Schienenverkehrsbeauftragte der Bundesregierung, kritisierte kurz vor Weihnachten auch direkt den Vorstand des Unternehmens:
    "Es gibt diejenigen, die die Bahnhöfe bauen und betreiben, oder auch jene, die bei der Bahn Immobilien verkaufen, um Erlöse zu machen. Und es gibt die, die den Fahrplan aufbauen, und das alles passte nicht immer zu 100 Prozent zusammen. Weil vor allem viel übereinander und zu wenig miteinander gesprochen wurde."
    ICE-Züge am Flughafenbahnhof, Frankfurt am Main, Hessen, Deutschland, Europa | imageBROKER / picture alliance | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
    Ziel ist nicht mehr maximaler Gewinn, sondern maximaler Schienenverkehr. Der neue "Deutschlandtakt" soll dabei helfen. (picture alliance / Imagebroker)
    Erste Weichenstellungen für einen besseren Bahnverkehr wurden bereits 2018 vereinbart: Ab 2020 soll nach und nach beispielsweise der integrale Deutschlandtakt eingeführt werden. Ein bundesweiter Taktfahrplan - optimale Verbindungen, weniger Warte- und kürzere Fahrzeiten - versprechen Politik und das bundeseigene Unternehmen. Künftig soll zuerst der Verkehrsbedarf errechnet und dann gebaut werden. Das klingt lapidar, ist aber ein Paradigmenwechsel, denn jahrzehntelang wurde zuerst investiert und dann ein Fahrplan gezimmert. Vorbild des Deutschlandtaktes ist auch hier das so gepriesene Bahnland Nummer 1, die Schweiz.
    Verkauf mehrerer Sparten ist im Gespräch
    Auch von der notwendigen Digitalisierung erwarten die Verantwortlichen einen besser funktionierenden Bahnverkehr - enorme Datenflüsse sollen das Netz und den Schienenverkehr optimieren.
    Deutschlandtakt und Digitalisierung - diese beiden Maßnahmen werden auf jeden Fall umgesetzt werden. Dafür braucht es keine neue Bahnreform. Doch diskutiert wird derzeit so einiges: Auch ein Verkauf einzelner Unternehmenssparten - beispielsweise der Auslandstochter DB Arriva, die hauptsächlich in Großbritannien tätig ist, oder der Logistiktochter DB Schenker, hier werden Güter sogar überwiegend per Lkw befördert. Für das Funktionieren des Bahnverkehrs in Deutschland wären beide Unternehmenstöchter nicht per se notwendig, doch sind sie gesamtunternehmerisch Gewinnbringer. Ein Verkauf könnte den Schuldenberg zumindest einmalig reduzieren helfen, doch langfristig fielen Unternehmensgewinne weg.
    Es gibt auch weitergehende strukturverändernde Forderungen - die Trennung von Netz und Betrieb beispielsweise. Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag:
    "Die Infrastruktur ist nicht dazu da, Gewinne zu erwirtschaften. Wir gehören deswegen zu den wenigen Parteien, die die Trennung von Netz und Betrieb für richtig halten. Weil es für den Wettbewerb einfacher ist und auch so manche Streitigkeiten überflüssig macht."
    Doch sind solche Forderungen - bislang zumindest - politisch nicht mehrheitsfähig. Die Bundesregierung erwartet nun zuerst von der Deutschen Bahn AG ein Konzept für den geforderten strukturellen Umbau des Unternehmens und somit auch für Lösungen der gegenwärtigen Probleme. Und zwar bis spätestens März 2019.
    Es wird wieder über die Zukunft gesprochen
    Die gegenwärtige Debatte hat auch etwas Gutes: Denn erstmals seit langer Zeit wird wieder ernsthaft über die Zukunft der Schiene in Deutschland debattiert. Eine absolute Notwendigkeit, denn der Verkehr nimmt allgemein zu, gleichzeitig soll und muss dieser jedoch ökologischer, sprich klimafreundlicher, werden. Auch die Bundesregierung betont stets diesen Aspekt der notwendigen Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene.
    Für Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen, bedeutet diese politische Vorgabe Rückenwind. Die Debatte über die wahren Kosten von Straße und Schiene werde künftig wirklichkeitsnäher geführt werden, so seine Hoffnung.
    "Der größte Teil des deutschen Straßennetzes ist einfach da. Und kein Mensch spricht darüber, dass da Subventionen fließen. Und deshalb zucke ich bei dem Wort Subventionen in Zusammenhang mit der Bahn immer etwas zusammen. Die Bahn werde ja immer subventioniert, und so toll sei die Qualität auch nicht - nee, das ist nicht so. Wenn etwas subventioniert wird, dann ist es die Straße. Aber da spricht kein Mensch drüber."
    "Was schienengebunden ist, ist eine gute Antwort"
    Da scheinen also im Jubiläumsjahr der Bahnreform die Branche und auch die Politik an einem Strang zu ziehen. Große Worte - genauso wie damals vor 25 Jahren. Die Zukunft soll der Bahn gehören. Auch Enak Ferlemann, der Schienenbeauftragte der Bundesregierung, ist da eindeutig:
    "Alles, was schienengebunden ist, ist eine gute Antwort. Dann müssen wir ökologisch fahren, konkret: ohne Emissionen. Weg vom Flugzeug, weg vom Auto, rein in die Bahn - das ist eigentlich die Zukunft. Dann erwarte ich natürlich, dass die Bahn sauber, pünktlich, korrekt, mit freundlichem Personal und einem guten Service ausgestattet ist. Das die Bahnhöfe barrierefrei sind. Dass die Bahn voll durchdigitalisiert ist. Das ist das Verkehrsmittel der Zukunft. Und ich sage Ihnen voraus: 2030 sind wir soweit."
    Ein einfaches Weiter-So wird es deshalb im Jubiläumsjahr der Bahnreform wohl nicht geben können. Die Erwartungen an die Politik und auch an den bundeseigenen Konzern Deutsche Bahn AG sind gestiegen. Und das bedeutet - mehr denn je - Handlungsdruck.