Lange: Nach dem Bericht der Bundesregierung gab es zwischen 1998 und 2000 70 Verfahren, in denen der große Lauschangriff angewandt wurde. Das scheint doch eine ziemlich niedrige Zahl. Woran liegt es?
Freiberg: Die Zahl erscheint nicht niedrig, die Fachleute sind immer davon ausgegangen, dass bei der Einführung des sogenannten großen Lauschangriffs dieser nur in Einzelfällen greifen kann, weil unsere Kenntnisse über die organisierte Kriminalität tatsächlich nur in wenigen Fällen so konkret sind, dass man mit derartigen Mitteln vorgehen kann. Und dann sind auch die technischen Möglichkeiten oftmals nicht so ausgereift, so dass dieses dann wirklich erfolgversprechend ist. Also von daher nicht überraschend für Fachleute.
Lange: Es könnte ja auch sein, dass die Polizei viel öfter zu diesem Mittel greifen wollte, aber dann von den Gerichten ausgebremst wurde. Das ist aber nicht so?
Freiberg: Nein, das ist nicht der entscheidende Moment. Die Diskussion, die wir damals hatten bei der Einführung des Lauschangriffes, war ja von den Gegnern nach dem Motto aufgebaut: jetzt droht uns der Überwachungsstaat. Und Fachleute haben immer gesagt, dieses wird nur in Einzelfällen greifen. Aber ich darf auch gleich sagen: jeder Einzelfall ist wichtig, weil es uns dadurch gelingt, wirklich schwerste Kriminalität aufzuklären, die sonst weiter ihr Unwesen treiben würde. Und auch deswegen darf man nicht traurig sein darüber zu sagen: halt, stop, es ist nicht nur in so wenigen Fällen und man darf auch nicht frustriert sein. Das ist ganz normal.
Lange: Gut, wir sind weder traurig noch frustriert. Aber kann man trotzdem von einem erfolgreichen Instrument sprechen, wenn es heißt, in 41 dieser 70 Fälle waren die Erkenntnisse dann nicht von Bedeutung für das Ermittlungsverfahren.
Freiberg: Jeder Fall, der im Bereich der organisierten Kriminalität aufgeklärt wird, ist ein Erfolg. Und was wir natürlich in der Praxis festgestellt haben ist, dass die Technik oftmals unzureichend ist und dann darf man auch darauf hinweisen, dass die akustische Wohnraumsicherung auch nur ein Teil ist. Uns fehlt dann auch die sogenannte Videoaufzeichnung, es gehört nämlich zusammen. Und ich glaube, jeder kann sich vorstellen, wenn man einen Raum überwacht, wo ausländische Mitbürger, ich denke jetzt mal Bin Laden-Leute oder beim kurdischen Verein, wo Rauschgift gehandelt wird; uns nützt es dann nichts, wenn man nur die Stimmen aufnimmt, sondern man muss auch schon die Personen dazu sehen.
Lange: Im Zweifelsfalle fehlen Ihnen auch noch dazu die Übersetzer...
Freiberg: Genau, das ist vor allen Dingen eine Frage der Kosten, denn diese Kosten sind ganz immens in derartigen Verfahren. Wir haben also wirklich Verfahren, wo 2, 300.000 Mark Dolmetscherkosten dabei sind und von dort her ist das nicht nur eine Frage der Effektivität sondern auch der Kosten.
Lange: Kennen Sie denn einen spektakulären Fall, in dem die akustische Überwachung dann die entscheidenden Erkenntnisse brachte, die zu einer Verurteilung führten?
Freiberg: In den wenigsten Fällen der organisierten Kriminalität greift eine Maßnahme. es ist fast immer nach dem Motto: man erlangt durch eine verdeckte Maßnahme, also durch V-Leute, durch Observation, durch verdeckte Ermittler oder auch in diesem Fall durch die akustische Wohnraumsicherung Hinweise, die einen durch weitere Ermittlung weiterbringen. Es ist nie nach dem Motto: da sagt ein Täter 'Du, ich habe in meinem Garten drei Leichen vergraben' und man hört das mit und kann dann sofort zugreifen. So einfach ist das im Bereich der organisierten Kriminalität nicht. Aber es ist uns auch gelungen, Tötungsdelikte aufzuklären und von dorther ist es durchaus erfolgreich.
Lange: Aber wir halten fest: das rechtliche Instrumentarium reicht noch nicht, die Videoüberwachung fehlt und technisch sind Sie auch noch nicht auf dem letzten Stand.
Freiberg: Das sind zwei Defizite, die durchaus bestehen. Das heißt, man muss auch, das haben wir aber immer gesagt, haben Fachleute immer gesagt, eine Trennung zwischen Akustik und Videoüberwachung machen. Es ist schon irgendwo eigenartig, weil das zusammengehört. Und dann muss man da sagen, dass die Technik in vielen Fällen wirklich versagt, weil wir ja auch immer die Stromquellen dazu brauchen und von dorther ist das alles noch unzureichend.
Lange: In den Informationen am Mittag war das Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Vielen Dank.