Durak: Herr Beckstein, ich habe gehört, elfmal ist in der vergangenen Zeit in Bayern diese Methode angewandt worden. Informieren Sie darüber nicht genügend an den Bund, wenn wir uns die Klagen anhören?
Beckstein: Die eigentliche Aufsicht über die Landesbehörden wird nicht vom Bund durchgeführt, sondern von den entsprechenden Gremien des Landes. Dort werden natürlich alle Einzelheiten den entsprechenden parlamentarischen Kontrollgremien vorgetragen. In diesen Gremien ist natürlich auch die Opposition vertreten. Dem Bund werden die erforderlichen Daten gegeben, dass er die Maßnahmen insgesamt beurteilen kann, aber eine konkrete Aufsicht, so dass der Bund die Möglichkeit hat zu sagen, in diesem oder jenem Fall war es nach seiner Meinung richtig oder falsch, diese Aufsicht steht dem Bund nicht zu.
Durak: Das wollen Sie bei sich behalten?
Beckstein: Das ist nach der Verfassungslage so und das ist damals auch bei der Verfassungsänderung im Bereich des Artikel 10 Grundgesetz ausdrücklich so belassen worden. Deswegen mussten ja die Länder auch entsprechende Gremien der Überwachung eigens schaffen, wie wir das dann auch in Bayern durch Gesetz durchgeführt haben.
Durak: Ich habe schon gesagt: elfmal in Bayern. Damit stehen Sie nach Hessen an zweiter Stelle. Hat sich das denn gelohnt?
Beckstein: Wir haben immer gesagt, dass die akustische Wohnraumüberwachung nicht eine Maßnahme ist, die in sehr großen Zahlen angewendet werden wird, aber gerade in Großverfahren der organisierten Kriminalität ist es eine Maßnahme, die immer wieder unbedingt erforderlich ist, um in die Strukturen einer Verbrecherbande hineinzukommen und nicht nur das letzte kleine Rädchen dem Sicherheitsapparat, der Staatsanwaltschaft und später dem Richter und Gefängnis zuzuführen, sondern dass man auch an die Organisatoren heran kommt. Dafür braucht man diese Maßnahme. Wir vermissen die optische Wohnraumüberwachung, die in noch weniger Fällen nötig ist, aber da und dort eben auch nötig wäre, um zum Beispiel feststellen zu können, wer übergibt an wen das entsprechende Paket mit 10 Kilo Heroin. Das ist allein durch Akustik nicht immer zu machen. Es ist aber ein wichtiger Baustein im Element der Sicherheitsbehörden und deswegen muss ich sagen ist meine Beurteilung, dass die Maßnahme zwar sehr, sehr kompliziert durchzuführen ist. Die bürokratischen Notwendigkeiten der begleitenden Kontrolle sind unheimlich hoch. Aber insgesamt ist es eine notwendige Maßnahme.
Durak: Halten Sie die Hürden für zu hoch, was die Kontrolle betrifft?
Beckstein: Wir halten sie in der Tat für zu hoch, weil sicher in manchen Fällen der Polizeibeamte sagt, ich habe entweder nicht das Personal oder im Zweifel lasse ich es dann doch lieber bleiben, denn der Gesetzgeber hat für den Polizeibeamten erkennbar die Hürden ganz bewusst sehr, sehr hoch legen wollen. Dann wird der Polizeibeamte im Einzelfall letztlich doch sagen, dann bleibt eben ein Fall nicht aufgeklärt, wenn nicht schon von vornherein ziemlich klar ist, dass dies eine erfolgreiche Maßnahme sein wird. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich die Praxis letztlich an diese Hürden gewöhnen wird.
Durak: Nun ist das ja nicht aus Vergnügen beschlossen worden, Herr Beckstein. Das wissen Sie ja auch. Auf der anderen Seite steht der Datenschutz für unbescholtene Bürger.
Beckstein: Das ist richtig. Deswegen sage ich ja auch, das sind Hürden, an die sich die Praxis wohl gewöhnen wird. Das heißt es ist klar: wenn hier Hürden vorhanden sind, dann wird man am Anfang sicher manchmal unrichtigerweise diese Methoden nicht anwenden, weil man eben die Hürden für zu hoch hält. Ich bin aber überzeugt, dass im Laufe der Zeit die Praxis sich daran gewöhnen wird. Dass eine sorgfältige Überprüfung der Rechte auch des Beschuldigten notwendig ist, bevor man eine akustische Wohnraumüberwachung, also den "großen Lauschangriff" fährt, das ist eindeutig und das ist gewollt und in erheblichen Teilen auch sicher richtig.
Durak: Herr Beckstein, die Videoüberwachung ist ja wohl schon möglich in den Ländern, durch die Länder zur Gefahrenabwehr. Hierbei geht es ja um Strafverfolgung. Welche Länder unterstützen Sie denn?
Beckstein: Wir haben die Videoüberwachung präventiv möglich. Die ist in mehreren anderen Ländern ebenfalls zulässig. Einen genauen Überblick, welche Länder das jetzt nun eingeführt haben, habe ich nicht im Kopf. Ich glaube, dass Hessen dies ebenfalls eingeführt hat, und wenn ich mich recht entsinne auch Sachsen. Insgesamt geht es darum, dass wir zur Abwehr zukünftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung diese Mittel einsetzen. Wenn man an die Hamburger Gruppe von Herrn Attar herangekommen wäre, in dem Augenblick hätte man zur Abwehr der zukünftigen Gefahr vor dem 11. September nach bayerischem Recht auch eine Videoüberwachung fahren können. Wir haben vereinzelt derartige Maßnahmen auch durchzuführen, aber das sind dann sehr, sehr viel höhere Hürden.
Durak: Mit welchen Ländern, Herr Beckstein, verbünden Sie sich denn in dieser Sache? Haben Sie vor, einen Gesetzesvorschlag einzubringen?
Beckstein: Wir werden das bei der nächsten Innenministerkonferenz auch besprechen. Auch diesen Erfahrungsbericht werden wir selbstverständlich noch durchsprechen. Wir werden das zunächst auf der reinen Fachebene erörtern lassen und dann wird man sehen, wie man weiter vorgeht.
Durak: Herr Beckstein, Sie sind mir eines schuldig geblieben: die Erfolgsquote!
Beckstein: Das kann man in diesen konkreten Fällen nicht so einfach sagen. In Großverfahren, wo es darum geht, dass man die Verschiebung von Milliarden durch international agierende Banden hat, da ist das ein ganz kompliziertes Mosaik von vielen, vielen Bausteinen, was dann letzten Endes zur Überführung der Verbrecher in den verschiedenen Nationen nötig ist. Dass hier der Lauschangriff sozusagen nicht wie ein Lichtschalter geeignet ist, wenn man ihn einschaltet, dann hat man den Hintermann, wenn man ihn nicht anschaltet, hat man ihn nicht, so ist es nicht. Es sind aber wichtige Mosaiksteine durch die Lauschüberwachung in die Ermittlungsverfahren eingebracht worden. Deswegen hätte man weniger Straftäter mit dringendem Tatverdacht festnehmen können im Bereich der organisierten Kriminalität und gerade weniger aus der Hierarchie der Verbrecherbanden. Somit ist es aus meiner Sicht erfolgreich, auch wenn nicht die sensationellen handgreiflichen Erfolge nachweisbar sind.
Durak: Es hat sich also gelohnt und die Frage zielte ja auch auf den Aufwand, denn die Kosten für einen solchen Einsatz sind immens und nicht jedes Bundesland kann sich so etwas leisten.
Beckstein: Deswegen hatten wir von Anfang an immer darauf hingewiesen, dass diese Vermutungen, die in der Politik geäußert worden sind, dass es Tausende oder zehn Tausende von leichtfertig angeordneten Überwachungsmaßnahmen geben wird, absoluter Quatsch ist. Das ist zum einen, dass die Polizeibehörden bis hin zu den verantwortlichen Ministern natürlich sehr, sehr restriktiv damit umgehen, um der Verfassungslage gerecht zu werden. Dann sind die Hürden entsprechend hoch und als drittes sind die Kosten in der Tat enorm. Deswegen geht man mit dieser Maßnahme sehr, sehr sparsam um. Man wird alle anderen billigeren und einfacheren Maßnahmen eher versuchen, aber manchmal kommt man sonst eben nicht an die Hintermänner zum Beispiel einer gewerbsmäßigen Schleusung, sondern dann muss man feststellen, wer ist denn jetzt der Kopf, der die Fäden zieht wie die Spinne im Netz, die Person, die die gesamte organisierte Kriminalität in Händen hält und Arbeitsaufträge verteilt. Da haben einige derartige Maßnahmen tatsächlich durchführen und beweisen können, aber der Aufwand ist hoch.
Durak: Und Bayern will jetzt künftig das Bild dazu. - Schönen Dank Günther Beckstein, Innenminister in Bayern.
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