Montag, 06. Mai 2024

Archiv

Erhöhung des Rundfunkbeitrags
"Der Druck ist relativ groß"

Nächste Woche diskutieren die Ministerpräsidenten der Länder, ob der Rundfunkbeitrag erhöht werden sollte. Der Medienjournalist und ehemalige ARD-Sprecher Steffen Grimberg hält eine Erhöhung um 48 Cent für wahrscheinlich.

Steffen Grimberg im Gespräch mit Antje Allroggen | 28.11.2018
    Logo ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice in Köln-Bocklemünd
    Der Beitragsservice in Köln-Böcklemünd erhebt die Rundfunkbeiträge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. (imago stock&people / C. Hardt)
    Antje Allroggen: Wir müssen reden, und zwar über den Rundfunkbeitrag - wenige Tage, bevor die Ministerpräsidenten in der kommenden Woche konferieren und vermutlich auch über dieses Thema sprechen werden. Seit einigen Tagen ist an der einen oder anderen Stelle schon durchgesickert: Der Rundfunkbeitrag könnte erhöht werden, und zwar von den bisherigen 17,50 Euro auf dann 17,98 Euro. Das zumindest schreibt der Medienjournalist Steffen Grimberg heute in der "taz". Vorher war er Sprecher der ARD. Und als Quelle für die besagte Summe nennt Steffen Grimberg einen Blick in die Glaskugel. Wer spricht denn da mit Ihnen, wenn Sie da reinschauen?
    Steffen Grimberg: Naja, es sind verschiedenste Leute. Es ist vor allen Dingen aber auch persönliche Beobachtung und ein bisschen Analyse der ganzen Angelegenheit. Denn wir haben ja das Phänomen, man könnte auch sagen das Problem: Es ist ja Ländersache, den Rundfunkbeitrag nach einer Empfehlung der Beitragskommission KEF festzulegen. Und da hatten sich ja in der Vergangenheit einige Ministerpräsidenten relativ klar geäußert, dass mit ihnen eine reale Beitragserhöhung oder auch eine angemessene Beitragserhöhung oder relative Beitragserhöhung – da gab es so verschiedenste Worthülsen, wo keiner so ganz genau wusste, was damit gemeint ist – nicht zu machen wäre. Es gibt aber eben einen Umstand: Der Beitrag war ja schon einmal bei 17,98 Euro und man kann jetzt argumentieren, diese Sondereffekte dieser Umstellung des Beitragsmodells zusätzlichen Einnahmengeschichten, dass das eben gar keine Beitragsveränderung war, sondern eine vorübergehende Absenkung. Und man kommt jetzt, das ist zwar ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, aber durchaus, glaube ich, nicht unrealistisch, dann damit zurande, dass man sagt: Gut, der Beitrag steigt ja nicht wirklich über diese frühere Summe von 17,98, sondern wenn wir uns ungefähr da wieder einpegeln, dann können auch die damit leben, die bisher eine Beitragserhöhung kategorisch ausgeschlossen haben.
    "Die Konten sind leer"
    Antje Allroggen: Gut, also diese Summe 17,98, das ist ja auch eine etwas seltsame Summe. Die kommt also so zustande, die hat schon mal gegeben, bevor das jetzige Modell gestartet ist.
    Steffen Grimberg: Genau, bis März 2015 lag der Rundfunkbeitrag bei 17,998. Dann hat die KEF gesagt, es kommen durch die Umstellung von der alten Gerätegebühr auf das neue Beitragsmodell so viel zusätzlich rein, dass wir absenken können und müssen auf eben diese 17,50 Euro, die seitdem gezahlt werden. Und wenn man jetzt sozusagen sagt, jetzt sind diese Sondereffekte sozusagen aufgezehrt, die Konten sind leer, auf die das damals eingezahlt wurde, dann gehen wir jetzt wieder auf die alten, gelernten 17,98.
    Antje Allroggen: Sie hatten ja durchaus einen guten Innenblick, sag ich mal, in das öffentlich-rechtliche System. Was meinen Sie denn: Ist eine Erhöhung der Rundfunkgebühr um ausgerechnet jetzt 48 Cent für die Rundfunkanstalten Luxus oder bluten die Anstalten tatsächlich aus, sollte es zu keiner Erhöhung kommen?
    Steffen Grimberg: Beides nicht. Es ist für die Anstalten sicherlich kein Luxus, wenn man wirklich das kompensieren wollen würde, was teurer wird, dann werden 48 Cent nicht ausreichen. Auf der anderen Seite: Ausbluten wäre glaube ich auch ein bisschen zu hoch gegriffen. Das sind natürlich auch interessengeleitete Horrorszenarien, die wie bei jedem Verhandlungsritt von den jeweils entgegengesetzten Seiten aufgerufen werden. Was vor allem, glaube ich, wichtig ist, ganz egal, wohin die Reise geht, dass nämlich im öffentlich-rechtlichen Bereich eben die variablen Kosten, die fürs Programm, das die einigermaßen heilig sind, und man eben versucht, an den strukturellen Kosten noch weiter zu arbeiten. Es gibt ja eben diesen Prozess Auftrag- und Strukturoptimierung, wo mit Strukturoptimierung genau das gemeint ist. Und da ist nach meiner Auffassung durchaus noch ein wenig Luft drin.
    "Das Indexmodell ist in jedem Fall praktikabel"
    Antje Allroggen: Und wenn eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags bewilligt wird, müssen ja alle Bundesländer zustimmen, sonst können die Veränderungen nicht beschlossen werden. Das ist ja eher unwahrscheinlich, dass es da zu einem friedlichen Einverständnis kommen könnte, auch in der kommenden Woche. Deshalb denkt man ja schon seit Längerem über das so genannte Indexmodell nach, das sich an der Teuerungsrate orientiert. Wäre dieses Modell praktikabel für Sie?
    Steffen Grimberg: Das Modell ist in jedem Fall praktikabel. Es ist aber für die Länder, vor allen Dingen die, die eben mit Blick auf eine mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags so zugeknöpft sind, eigentlich noch schwerer zu argumentieren gegenüber ihren Parlamentariern und ihrer Öffentlichkeit.
    Antje Allroggen: Welche sind denn zugeknöpft?
    Steffen Grimberg: Naja, Sachsen-Anhalt hat zum Beispiel sehr klar gesagt, dass sie eigentlich nicht wollen. Wir hören jetzt, dass Bayern interessanterweise, Markus Söder, der sich das bislang noch nicht so positioniert hatte, jetzt plötzlich also auch ins Lager der Erhöhungsgegner gegangen ist. Nur das Grundproblem einer Indexierung ist ja, dann würde es voraussichtlich ja eben immer zu Zuwächsen kommen, und das wäre ja auch ein Automatismus. Da sagen dann viele Parlamentarier: Moment, dann haben wir da ja gar keine Kontrolle mehr. Dann haben wir ja eigentlich da gar keinen Gestaltungsspielraum mehr. Und bei Indexierung, jedenfalls einer Totalindexierung, fragt man sich ja auch, was dann denn die Rolle der Beitragskommission, der KEF, wäre, die ja im Prinzip einzigartig auf der Welt sozusagen als Expertenkommission sehr unabhängig prüft, was die Anstalten an Geld brauchen und da ja auch immer sehr, sehr kritisch und mit sehr, sehr spitzem Bleistift nachrechnet.
    Antje Allroggen: Und ihre Prognose? Werden sich die Ministerpräsidenten in der kommenden Woche auf die Erhöhung der Rundfunkgebühren verständigen?
    Steffen Grimberg: Nee, in der kommenden Woche mit Sicherheit nicht, weil sie da, glaube ich, zum Glück nicht müssen. Der Druck ist aber relativ groß. Wenn sie keinen Konsens hinbekommen, dann fliegt eigentlich das System der Rundfunkfinanzierung, so wie wir es jetzt haben, uns um die Ohren. Und ich glaube, das wiederum will dann von den 16 Ländern, ganz unabhängig von ihren Partikularinteressen, dann auch keiner.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.