Freitag, 29. März 2024

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Urteil zum Rundfunkbeitrag
"Rückenwind für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk"

Der Rundfunkbeitrag ist weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar, das haben die Verfassungsrichter in Karlsruhe entschieden. Die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab, die die Medienpolitik der Länder koordiniert, sieht in dem Urteil Rückenwind für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Heike Raab im Gespräch mit Stefan Fries | 18.07.2018
    Heike Raab: Staatssekretärin und Bevollmächtigte beim Bund und in Europa, für Medien und Digitales.
    Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (picture alliance / dpa / Horst Galuschka)
    Stefan Fries: Eine derjenigen, die das Urteil des Verfassungsgerichts umsetzen müssen, ist Heike Raab. Als Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz koordiniert sie die Rundfunkpolitik der Bundesländer. Ich habe sie nach dem Urteil gefragt: Wenn für Zweitwohnungen jetzt kein Rundfunkbeitrag mehr erhoben werden darf, wie stark sinken denn dann die Einnahmen der Sender?
    Heike Raab: Das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen, weil wir noch nicht genau wissen, wie viele Menschen tatsächlich – erstens – den Antrag stellen werden und zweitens mal auch Zweitwohnungen besitzen.
    Fries: Kurzfristig geht es ja nur auf Antrag, aber Sie müssen innerhalb von zwei Jahren das tatsächlich auch gesetzlich so umsetzen. Dann müssen Sie aber einen Überblick darüber haben, um wie viele Wohnungen es geht. Das heißt, Sie rechnen mit Verlusten.
    Raab: Ja, es wird natürlich zu Einnahmeeinbußen für die Anstalten kommen, insgesamt wird sich das Beitragseinkommen etwas nach unten bewegen, aber der Richter Paulus hat auch in seinen Ausführungen zum Ausdruck gebracht, dass das hinnehmbare Einbußen sind, die das höchste deutsche Gericht auch als geringer einstuft. Ich kann da über die Höhe leider noch keine Angaben machen.
    "Auftrag und Struktur weiterentwickeln"
    Fries: Aber wird dann der Beitrag angehoben um die Verluste auszugleichen oder müssen die Sender sparen?
    Raab: Zunächst einmal freuen wir uns darüber, dass der Rundfunkbeitrag an sich als verfassungsgemäß eingestuft worden ist – und auch die Höhe von 17,50 € ist für das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Vollprogrammen rund um die Uhr, einigen Spartenkanälen, aber auch Kultursendern wie arte, 3sat, 67 Hörfunk Programmen als angemessen eingestuft worden. Das waren fast die originalen Worte, die das höchste Gericht eben auch zum Ausdruck brachte. Wir haben heute nicht darüber gesprochen, wie sich die Beitragshöhe weiterentwickeln wird. Wir sind im normalen KEF-Verfahren, da werden im nächsten Jahr die Anmeldungen der Anstalten erfolgen und die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs wird dann eine Beitragshöhe empfehlen, die müssen sich die Länder dann anschauen.
    Fries: Das heißt Sie haben da jetzt noch keine Tendenz in welche Richtung Sie gehen wollen?
    Raab: Wir sind mitten in einem Reformprozess und das seit 2016. Auftrag und Struktur müssen in der digitalen Welt weiterentwickelt werden und wir haben von den Anstalten eine einige Sparvorschläge, Reformvorschläge vorgelegt bekommen im September des letzten Jahres. Die sind als erster wichtiger Schritt von uns immer eingestuft worden, aber wir Länder sind grundsätzlich auch in der Diskussion, wie der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiterentwickelt werden muss. Und wenn sich der Auftrag verändert, muss man auch über die Beitragsfestsetzung neu sprechen. Aber darum ging es heute nicht in Karlsruhe, sondern das ist eine politische Diskussion, die wir in anderen Gremien führen.
    "Zweitwohnungen nicht an erster Stelle im Blick"
    Fries: Dass man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gleichzeitig in Erst- und Zweitwohnung nutzen kann, wie das Verfassungsgericht festgestellt hat, ist ja eigentlich seit Jahren klar. Warum haben Sie denn trotzdem an dieser Regelung festgehalten?
    Raab: Wir haben grundsätzlich ja eine Veränderung vorgenommen. Wir hatten bei dem alten Gebührenerhebungsverfahren eine Reihe von Umgehungstatbeständen. Wir hatten sehr viele Beschwerden auch erhalten: GEZ-Polizei, viele andere unschöne Worte fielen. Und ich machte in der mündlichen Verhandlung für die Ländergemeinschaft auch deutlich, dass wir umgestellt haben von Gebühren auf Beiträge und von der ehemaligen geräteabhängigen Gebührenerhebung auf den Haushalt, weil wir durch eine Pauschalierung erstens mal weniger Bürokratie wollten und zweitens mal auch nicht diese Eingriffe in die private Sphäre ermöglichen wollten und drittens mal: durch die Pauschalierung haben wir auch etwas mehr Beitragsgerechtigkeit bekommen. Wir hatten vorher einige, die versucht haben deutlich zu machen, sie hätten keine Geräte und haben keine Abgaben entrichtet. Jetzt gibt es den Meldedatenabgleich und mehr Beitragsgerechtigkeit. Die besondere Situation der Zweitwohnungen hatten wir vielleicht nicht an erster Stelle im Blick, weil es auch eine geringere Zahl ist. Und wir werden auch jetzt mit der neuen Regelung – das hat das Gericht auch deutlich gemacht – nicht alle, die eine Zweitwohnung haben, von dem Beitrag befreien, sondern es geht darum: Eine antragsgebundene Befreiung von der Beitragspflicht kann dann erfolgen, wenn der Beitragspflichtige auch deutlich macht, dass er an anderer Stelle den vollen Rundfunkbeitrag zahlt.
    Fries: Auch Leute, die die Öffentlich-Rechtlichen gar nicht nutzen, müssen den Rundfunkbeitrag zahlen. Das hat das Gericht auch entschieden. Problematisch für die Akzeptanz bei einigen. Was tun Sie, um die zu erhöhen?
    Viel für eigene Akzenptanz tun
    Raab: Ich glaube, die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen in erster Linie ganz viel selber tun, dass sie nämlich die Akzeptanz für den Beitrag hoch halten, indem Sie und Ihre Kollegen ein spannendes Programm machen, das Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung auch liefert…
    Fries: Aber damit kriegen Sie ja auch nicht alle, die sich gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wehren.
    Raab: Aber wir Länder setzen den rechtlichen Rahmen und die Sender haben die Programmautonomie. Aber heute hat das Bundesverfassungsgericht auch gesagt, dass jeder der theoretisch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen kann, einen individuellen Vorteil besitzt. Und dass es hier auch darum geht, in besonderem Maße, die Grundlagen der Informationsgesellschaft zu fördern und – ich zitiere hier die mir vorliegenden Leitsätze – "einen wichtigen Beitrag zur Integration und Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen zu leisten". Und das ist eben eine grundsätzliche Einstufung, wofür der öffentlich-rechtliche Rundfunk nützlich ist, auch in der digitalen Welt. Und dies ist ein Rückenwind, glaube ich auch, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und das duale Mediensystem in Deutschland insgesamt.