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Erich Kästners Kinderbücher

Nein, Sie irren sich nicht, brauchen nicht wild in Ihrem Kalender zu blättern, Daten zu jonglieren und an Ihrem Verstand zu zweifeln: Erich Kästner hat weder Geburtstag noch Todestag und auch sonst kein Jubiläum. Und warum machen Sie dann Kästner, fragen Sie. Darf man 2007 überhaupt noch Kästner empfehlen, ohne dass Pädagogen und Eltern auf die Barrikaden gehen?

Vorgestellt von Ines Dettmann |
    Weil Kinder Kästner lesen und weil Kinder Kästner lieben. Und Kästner ist zeitgemäß - auf seine Art. Nicht umsonst ist das Doppelte Lottchen gerade in einen Comicfilm umgearbeitet worden. Und Isabel Kreitz hat aus Erich Kästners Der 35. Mai einen Comic gemacht. Warum hat sie sich gerade dieses unbekanntere Buch ausgesucht?

    " Also die Idee den 35. Mai eigentlich zu verwursten, die kam mir sehr spontan, als ich las, dass eben einer meiner Lieblingsregisseure, Tim Burton, der eben auch für Disney gearbeitet hat, angefangen hat, einen englischen Kinderbuchklassiker zu verarbeiten. Jedenfalls habe ich mir voller Neid vorgestellt, wie viel Spaß das machen muss, so seine Kindheitsmythen zu verarbeiten und dachte, vielleicht schaffe ich das mit meinen Mitteln, also dem Comic, auch für einen deutschen Kinderbuchklassiker. Und da lag der 35. Mai eben sehr nahe. "Der 35. Mai" ist ein Comicbuch, aufwändig gestaltet in beige farbenem Einband. Ganz klassisch im Stil der 30er Jahre. In einem ungewöhnlichen Comic-Format: Diesen "35. Mai" kann man überall mit hinnehmen. Will man, sollte man aber nicht. Das Buch ist einfach zu schön, um verbraucht zu werden.

    Absurd ist Kästners Geschichte schon im Original - genauso wie es sich für den comic strip, also den Komischen Streifen, von dem sich das Wort ableitet, gehört.

    Denn am 35. Mai braucht sich der Mensch über nichts zu wundern: Dieser Donnerstag ist, abgesehen davon, dass Konrad ihn bei seinem Onkel, dem Apotheker Ringelhuth verbringen wird, für ihn schon so ziemlich dahin.

    Konrad hat Hausaufgaben auf, die ihm schier unlösbar scheinen:

    "Ach, ich habe einen Aufsatz über die Südsee auf. Alle, die gut rechnen können, haben die Südsee auf. Weil wir keine Fantasie hätten, sagt der Lehrer. Die anderen sollen den Bau eines vierstöckigen Hauses beschreiben. So was ist natürlich eine Kinderei gegen die Südsee. Das hat man davon, wenn man gut rechnen kann."

    Dettmann: Jeder hätte dann wohl gerne einen Onkel, der nicht nur Salzbrezeln mit Preiselbeeren oder Kirschkuchen mit Senf serviert, um den Magen abzuhärten und im Wohnzimmer Kopfstand auf dem Bücherschrank trainiert, sondern der auch noch tröstet:

    " Du hast zwar keine Fantasie mein Lieber, doch du hast mich zum Onkel. Und das ist genauso gut. Wir werden deinem Lehrer eine Südsee hinlegen, die sich gewaschen hat. "

    Und dafür müssen sie nur eben schnell in die Südsee gehen. Negro Kaballo, das arbeitslose Zirkuspferd, kennt den Weg durch den den Dielenschrank bei Onkel Ringelhuth. Dann immer geradeaus und in knapp zwei Stunden sind sie dann schon da.

    Die Drei reisen auf direktem Weg vom Schlaraffenland, über die Burg der Vergangenheit, durch die verkehrte Welt und Elektropolis, über den Äquator nach der Südsee. Konrads Aufsatz wird phantastisch:

    "Das ist alles, was ich in der Südsee erlebt habe. Kann sein, es war noch mehr. Es war so viel und wenn man es aufschreibt, vergisst man die Hälfte. Wer diese Geschichte nicht glaubt, lässt es eben bleiben. Oder er kann ja meinen Onkel fragen. Der heißt Ringelhuth, genau wie ich. Er ist Apotheker und mit ihm kann man was erleben. Aber nur an einem Donnerstag und natürlich nur am 35. Mai. "

    Erich Kästners Buch ist siebzig Jahre alt und Kästner liegt mit seinen Visionen nicht mehr weit von unserer heutigen Realität entfernt. Damals schon.

    In Elektropolis, der Stadt der Zukunft, durch die Konrad, sein Onkel und das Pferd reisen, zieht ein Mann sein Handy aus der Tasche, um seiner Frau zu sagen, dass er später nach Hause kommt. 1931! Elektropolis ist eine technologische Utopie:

    ""Zu arbeiten scheint hier überhaupt niemand. Alles fährt im Auto spazieren."
    "Versteht ihr das? Und die Autos fahren von ganz allein. Ohne Chauffeur und ohne Steuerung. Mir ist das völlig schleierhaft."
    "Fragen wir doch jemanden."
    "Hallo, hallo Sie. Können Sie nicht mal anhalten? Und uns etwas erklären?"
    "Aber gerne. Was möchten Sie denn wissen?"
    "Wieso können hier die Autos von selber fahren?"
    "Unsere Autos werden ferngelenkt. Das Lenkverfahren beruht auf der sinnreichen Kopplung eines elektomagnetischen Feldes mit einer Radiozentrale. Ganz einfach was."
    "Blödsinnig einfach."
    "Einfach blödsinnig."

    Da stoßen im wahrsten Sinne des Wortes Welten aufeinander. Kästner macht einen riesigen Zeitspagat und greift die Zukunft vorweg. Was vor siebzig Jahren auf Kinder vollkommen utopisch gewirkt haben muss, ist für Kinder heute gar nicht mehr unvorstellbar. Verstehen Kinder diesen Kästner heute noch? Isabel Kreitz:

    ": Wage ich gar nicht zu spekulieren, ehrlich gesagt. Ich dachte ja auch, ehrlich gesagt, dass vielleicht auch Erwachsene Spaß haben an so einem Comic und das eben an ihre Kinder weitergeben. Und ich will jetzt mit diesem Comic auch gar nicht dem eigentlichen Buch Konkurrenz machen. Es ist einfach nur etwas hinzugefügt zu haben zu dieser Welt. Mehr habe ich eigentlich nicht beabsichtigt."

    Isabel Kreitz, Jahrgang 1967, ist eine von Deutschlands besten Comiczeichnerinnen. Nach dem Studium an der FH für Gestaltung in Hamburg und der Parsons School of Design in New York veröffentlichte sie zahlreiche Comicalben und -hefte. Der 35. Mai ist nicht ihre erste Literaturadaption. Schon 2005 adaptierte sie Uwe Timms Die Entdeckung der Currywurst. Was hat Isabel Kreitz an Kästners Buch so fasziniert, dass es zu einem Comicbuch werden durfte?

    " Also an Erich Kästner mag ich besonders die Sprache. Die ist irgendwie nie altbacken oder aus der Mode gekommen. Er biedert sich auch nicht an irgendwelche Jugendtrends an oder so. Es ist eine Sprache, die für jung und alt immer wieder originell ist und sich auch nicht abnutzt durch mehrfaches lesen. Und an Walter Trier. Ja, es haut mich ästhetisch jedes Mal um seine Originale zu sehen - also neulich war eine wunderbare Ausstellung zu sehen mit seinen Sachen. Sie sind unglaublich locker und treffsicher gezeichnet. Also seine Art Charaktere zu zeichnen ist phantastisch. Ja, wie gesagt, ich knie immer wieder davor und finde es großartig."

    Erich Kästners Kinderbücher sind ohne Walter Triers Illustrationen unvorstellbar. Walter Trier gibt Kästners Kinderbüchern das bis heute bekannte Gesicht mit viel Raum für eigene Fantasien. Trier und Kästner verbindet neben der künstlerischen Partnerschaft auch eine lebenslange Freundschaft: Bis 1936 arbeiten beide zusammen in Berlin, dann emigriert der Jude Trier nach London. 1947 schließlich läßt er sich in Kanada nieder und die Manuskripte werden per Luftpost über den Ozean befördert. Arbeit und Freundschaft tut die Entfernung keinen Abbruch.

    Auf 100 Seiten bringt Isabel Kreitz die Geschichte, farbig illustriert im Stil der Nachkriegszeit. Und schon die erste Seite, auf der Onkel Ringelhuth losgeht, um seinen Neffen am 35. Mai von der Schule abzuholen, ist eine Hommage an Triers bekanntes Emil Cover in Farbe, Form und Aufteilung.

    Auf Seite 48 dann, als Konrad und sein Onkel auf Negro Kaballo, dem Zirkuspferd, durch das Schlaraffenland reiten, sieht man zwei Papageien in einem Baum sitzen, die sich köstlich bei der Lektüre eines Trier-Buches amüsieren. So sehr, dass ihnen das Buch aus den Flügeln fällt und es geradewegs vor den Hufen des Zirkuspferdes landet. Konrad will das Buch aufheben, doch sein Onkel mahnt zur Eile.
    Was unterscheidet Isabel Kreitz' Comic vom Buch?

    " Also im Grunde genommen habe ich sämtliche Illustrationen von Trier benutzt und die ganzen Zwischenschritte mit meinem Kopfkino ausgefüllt, aber versucht mich immer wieder an die Trierschen Vorbilder zu halten. Also habe ich eben viele Trier-Illustrationen angesehen, seine Figuren und seine Art Städte und Hintergründe zu zeichnen und versucht zu imitieren. Wahrscheinlich ist viel von meiner Fantasie drin, aber wie das zustande kam, kann ich leider nicht sagen. Also ich habe eigentlich darum gekämpft, die Originaltexte wieder aufzunehmen in den Comic. Da gab es zuerst so ei paar Probleme, ob man das wohl dürfe oder nicht, aber ich halte eben den Originaltext, auch wenn der irgendwo nicht ganz politisch korrekt ist, nach wie vor für ein Dokument der Zeit. Und das muss man Kästner dann einfach verzeihen."

    Und so entschuldigt sich auf Seite 89 der Häuptling, dass es nur Schlangenzungen statt Menschenfleisch für Konrad und seinen Onkel gibt.

    Erich Kästner mutet seinen kindlichen, jugendlichen und erwachsenen Lesern eine Menge zu. Er geht davon aus, dass seine Leser den ironischen Unterton und das übertriebene Bild vom Menschenfresser verstehen. Kästner will, dass seine Leser zwischen den Zeilen lesen. Mit kindlicher Neugier. Seine Devise lautet: "Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch".

    Erich Kästners Bücher sind heute Kinderklassiker. In ihrer zeitlosen Bedeutung für mehrere Generationen sind seine Kinderbücher am ehesten mit denen von Astrid Lindgren zu vergleichen. Aber, anders als Astrid Lindgren erzählt Erich Kästner nicht nur von den Erinnerungen an seine Kindheit. Der Schauplatz seiner Geschichten ist die Stadt, die Protagonisten sind immer vor allem die Kinder. Die Kinder, in die Kästner seine ganze Hoffnung setzt, denen er etwas mitgeben will und die er zu besseren Menschen erziehen möchte. Besser als was, fragen viele Kritiker. Vor allem in den 70er Jahren ist Kästner als Moralist und Schulmeister verschrien: zu viele verstaubte Ansätze, zu viele Rollenklischees, zu viel heile Welt und zu wenig echtes Leben.

    Was bleibt von dieser Kritik und von Kästner dreißig Jahre später? Winfred Kaminski, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Kästner-Experte, relativiert diese Art Kästner zu lesen:

    " Kästner hat ja ein Wort relativ optimistisch gebraucht: das ist nämlich das Wort Vorbilder. Und er hat ja auch ganz früh, das kann man auch seinen Vorworten und Nachworten und Nebenbemerkungen zu den Büchern entnehmen, auf die Vorbildwirkung von guten Vorbildern gesetzt und er hat ja auch mit seinen Figuren, sei es nun Emil, sei es auch Anton, sei es auch Pünktchen, die Figurenbeschreibungen gemacht, die eine unmittelbare Identifikation erlauben. Das geht ja dann bei ihm bis in die Namensgebung: etwa, im Fliegenden Klassenzimmer, Justus, der Gerechte. Das hat er auf einer sehr scheinbar äußerlichen Weise präsentiert und das war natürlich in einer Phase wo eine etwas traditioneller wirkende Pädagogik in der Kritik stand, war das natürlich leicht angreifbar."

    Mut, Freundschaft, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, diese Werte will Kästner seinen Lesern vermitteln: Der Justus, der gerechte Lehrer, ist darum eine typische Kästnerfigur. Ein guter Erwachsener und ein Lehrer, wie ihn sich jeder Schüler wünscht: Streng und gerecht, nie unfair und voller Verständnis für die Belange seiner Schüler:

    "Warum musstet ihr unbedingt in die Stadt?"
    "Wieder mal wegen der Realschüler. Sie haben einen von unseren Externen überfallen. Dieser Externe und die Diktathefte, die Herrn Professor Kreuzkamp, zur Korrektur gebracht werden sollten, waren verschwunden. Klar, das wir hinterher mussten, um den Gefangenen zu befreien."
    "Habt ihr ihn befreit?"
    "Jawohl!"
    "Wurde irgendwer verletzt?"
    "Niemand, nur die Diktathefte. Sie ... "
    "Na, was ist mit den Heften?"
    "Sie wurden in einem Keller vor den Augen des gefesselten Gefangen verbrannt. Wir fanden nur noch die Asche vor."
    "Tja, und was soll nun werden?"

    Was soll nun werden? Ein Erwachsener, fragt um Rat. Kästner ist mit diesem Blick seiner Zeit weit voraus. Viele Lehrer haben damals nicht ihre Schüler um Rat gefragt und tun es auch heute nicht. Obwohl sich Kinder solche Vertrauenspersonen wünschen - wie Kästner, der immer wieder von solchen Erwachsenen schreibt. Kinder wollen ernst genommen werden und wollen Verantwortung übernehmen. Das versteht Kästner. Aber: verstehen Kinder Kästner heute noch? Und wenn ja, wie lesen Kinder Kästner heute?

    " Also ich glaube, wenn heute Kinder traditionelle, klassische Kinderlektüren zum Lesen bekommen, dann haben sie sie meistens schon in irgendeiner Form medial anders bekommen. Die Biene Maja wird zuerst als Comic wahrgenommen, Heidi wird zuerst als Comic wahrgenommen, als Hörkassette vielleicht auch noch und dann wird gelesen. Also diese Bücher sind nicht mehr so unabhängig von diesem ganzen Mediensetting, in dem heute Kinder aufwachsen. Und natürlich ist dadurch auch die Lektüre von diesen Vorerfahrungen geprägt. "

    Der Blick der Kinder auf Kästners Bücher hat sich in den letzten Jahren damit stark verändert. Der visuelle Eindruck bestimmt und prägt das Leseerlebnis. Was aber dem Spaß an der Lektüre nun wirklich keinen Abbruch tun muss. Erich Kästner spricht die Gefühlswelt der Kinder an. Seine Sprache ist bildhaft und er arbeitet mit kurzen Sätzen und vielen Dialogen. Kästners Geschichten geben den Kindern Geborgenheit, wie die Geschichten von Astrid Lindgren.
    Und übrigens, die Sorge der Erwachsenen, das Kinder das Falsche lesen, hat Kästner selber erfahren:

    Einspielung: Als ich ein kleiner Junge war
    "Ich las und las und las. Kein Buchstabe war vor mir sicher. Ich las Bücher und Hefte, Plakate, Firmenschilder, Namensschilder, Prospekte, Gebrauchsanweisungen und Grabinschriften, Tierschutzkalender, Speisekarten, Mamas Kochbuch, und die klitschnassen Zeitungsfetzen, worin ich drei Stauden Kopfsalat nach Hause trug.
    Es war eine fast gefährliche Leidenschaft. Ich las, was ich verstand und was ich nicht verstand. "Das ist nichts für dich", sagte meine Mutter, "das verstehst du nicht!" Ich las es trotzdem. Und ich dachte: "Verstehen die Erwachsenen alles, was sie lesen?" Heute bin ich selbst erwachsen und kann die Frage sachverständig beantworten. Auch die Erwachsenen verstehen nicht alles. Und wenn sie nur läsen, was sie verstünden, hätten die Buchdrucker und Setzer in den Zeitungsgebäuden Kurzarbeit."

    Um mit Erich Kästner zu sprechen: Kinder brauchen jede Menge abwechslungsreichen Lesestoff. Kästner wußte das und schrieb solche Kinderbücher, die natürlich anders sind, als moderne Kinderliteratur. Aber: Jeder versteht Kästner, weil Kästner so klar schreibt, klare Verhältnisse schafft und seine Figuren gut oder böse sind - selten beides. Es gibt klare Hierarchien, Eltern sind Eltern, Kinder sind Kinder. Ein sehr klassisches Bild, aber auch eins, das Kindern einen festen Platz in der Welt gibt, die riesengroß und unübersichtlich ist. Kästners Geschichten bedienen bis heute den Wunsch aller Kinder nach Ordnung:

    " Also ich glaube was Kinder sich damals gewünscht haben, was sie sich heute wünschen ist, ist das Verhältnis hinzukriegen zwischen den kindlichen Größenphantasien, ich kann und ich will alles, und dem Wissen, ich kann noch gar nicht viel. Dazwischen schwanken ja Kinder unglaublich hin und her. Sie haben die größten Phantasien, was alles möglich ist für sie, was sie auch schon alles hinkriegen, was sie sich ausdenken, und dann im Alltag endet es meist schon an der Zimmertür. Nach dem Motto: ich trau mich nicht raus. Oder: darf ich so weit gehen? Und da hat der Kästner ein unglaubliches Empfinden für. Diesen Wünschen, sowohl die Schutzbedürftigkeit, wie auch gleichsam dieses Großspurige zusammenzukriegen."

    Wir empfehlen also Kästner - für Fans und solche, die es werden wollen.
    Unbedingt mit auf der Liste der Empfehlungen ein seltener gelesenes Kästner-Buch.
    Als ich ein kleiner Junge war erscheint 1957 und ist eine Liebesgeschichte der besonderen Art. Ein Liebesbrief an das königlich sächsische Dresden, an seine Mutter und vor allem an seine Kindheit, die manchmal gar nicht so rosig gewesen ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag:

    Einspielung: Als ich ein kleiner Junge war/ Kästner
    " Ich möchte euch einiges aus meiner Kindheit erzählen. Nur einiges, nicht alles. Denn nicht alles, was Kinder erleben, eignet sich dafür, dass Kinder es lesen! Das klingt merkwürdig. Doch es stimmt. Ihr dürft´ s mir glauben. "

    Als ich ein kleiner Junge war ist ein Geschichtsbuch und ein Geschichtenbuch; keine Autobiographie im klassischen Sinne. Vor allem aus heutiger Sicht ist Kästners Blick auf das alte Dresden ein besonderer. Kästner beschreibt Dresden als Stadt an der Elbe, die es nach dem zweiten Weltkrieg so nicht mehr gibt. Ein Dresden voller Pferdebahnen und königlicher Prunkbauten zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
    Eine Geschichte, in der nichts passiert und die gerade deshalb etwas besonderes ist. So, als würde der Uropa von früher erzählen.

    Die Geschichte ist hinlänglich bekannt - weltweit. So bekannt, dass Astrid Lindgrens Emil bei uns Michel aus Lönneberga heißt.
    Und "Parole Emil" ist das Synonym für Mut und Freundschaft im Berlin der 20er Jahre geworden. Ein Krimi ohne Blutvergießen - oft kopiert und nie erreicht.

    Das doppelte Lottchen, eine Zwillingsgeschichte - nicht nur für Mädchen: Lotte und Luise treffen sich im Ferienlager in Seebühl am Bühlsee. Beide sehen sich zum Verwechseln ähnlich, sind gleich alt und am selben Tag in derselben Stadt geboren. Die Eltern haben sich und die Kinder getrennt, ohne den beiden voneinander zu erzählen. Wieder ein Zeichen für die Modernität Kästners: er greift 1949 das Thema Scheidung auf, spricht von dem Leid der Kinder und ihren Problemen mit der Situation zu leben.
    Lotte und Luise wollen dem Geheimnis ihrer Eltern auf die Spur zu kommen. Darum hecken die beiden grundverschiedenen Mädchen einen Plan aus:

    "Die Ferien gehen dem Ende zu. Die Zwillinge sitzen im Garten und basteln an ihrem Plan.
    "Also schreib auf Luise."
    "Hm."
    "Am liebsten mag Mutti Nudelsuppe mit Rindfleisch und das Rindfleisch holt sie beim Metzger Huber. Ein halbes Pfund Querrippe, schön durchwachsen.
    Das Kochbuch steht im Küchenschrank. Im unterste Fach, ganz links."
    "Koochbuch Küüchenschrank. Unnteres Faach ganz links. Du, vor dem Kochbuch habe ich eine Heidenangst, Lotte. Aber wenn es in den ersten Tagen schief geht, kann ich vielleicht sagen, ich hätte es in den ersten Tagen verlernt, was?""

    Lottes und Luises Plan geht auf, wenn auch nicht reibungslos. Aber alles wird gut. Wie eigentlich immer bei Kästner.
    "Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner", wird Kästner immer wieder nach dem zweiten Weltkrieg gefragt. Auf alle Fälle in seinen Kinderbüchern. Die gehen immer gut aus. Auch das ist ein Grund, warum Kinder Kästner so lieben.

    Die Tiere sind es satt, dass die Menschen immer nur Konferenzen abhalten, ohne Ergebnis:

    "Hört bitte genau zu. Mit den Menschen geht das so nicht weiter! Versteht ihr mich?"
    "Ja, Oskar!"
    "Ich habe eine Idee gehabt. Es ist ihrer Kinder wegen, bloß deshalb! Eine ausgezeichnete Idee! Das heißt, mir und meiner Frau gefällt sie sehr gut... Sie ist bestimmt nicht übel... Nein, schlecht ist sie nicht... Es gibt dümmere Einfälle... Warum sagt ihr denn gar nichts?"
    Der Stier Reinhold in Nordamerika sagte es ihm: "Wir warten auf deine Idee.
    "Ach so!", sagte der Elefant. (Alle Sieben lachen)
    "Nun verrate uns schon deine Idee!" Das war die Maus Max in Asien.
    "Also hört zu! Die Menschen machen in einem fort Konferenzen, ohne etwas zu erreichen, und so ist meine Idee, dass wir auch eine Konferenz abhalten!"


    Die Konferenz der Tiere ist eine moderne Fabel, verbunden mit dem Wunsch, eine friedliche Welt zu schaffen und der Vertrag der Tiere und Staatshäupter ist bis heute leider frommer Wunsch geblieben:

    "Wir, die Verantwortlichen Vertreter aller Länder der Erde, verpflichten uns mit Leben und Vermögen zur Durchführung folgender Punkte:
    1. Alle Grenzpfähle und Grenzwachen werden beseitigt. Es gibt keine Grenzen mehr.
    2. Das Militär und alle Schuss- und Sprengwaffen werden abgeschafft. Es gibt keine Kriege mehr.
    3. Die zur Aufrechterhaltung der Ordnung erforderliche Polizei wird mit Pfeil und Bogen ausgerüstet. Sie hat vornehmlich darüber zu wachen, dass Wissenschaft und Technik ausschließlich im Dienst des Friedens stehen. Es gibt keine Mordwissenschaften mehr.
    4. Die Zahl der Büros, Beamten und Aktenschränke wird auf das unerlässliche Mindestmaß herabgeschraubt. Die Büros sind für die Menschen da, nicht umgekehrt.
    5. Die bestbezahlten Beamten werden in Zukunft die Lehrer sein. Die Aufgabe, die Kinder zu wahren Menschen zu erziehen, ist die höchste und schwerste Aufgabe. Das Ziel der echten Erziehung soll heißen: Es gibt keine Trägheit des Herzens mehr!"

    : Vor Freude über diesen Friedensvertrag verbiegt sich die Erdachse um einen halben Meter. Was uns zum Schluss noch zum politischen Kästner führt. Dem Kästner der 70er Jahre, Mitglied des PEN-Clubs und Friedensaktivist. Walt Disney war dieses politische Thema übrigens zu heiß. So dass Kurt Linda erst zwanzig Jahre später einen Trickfilm daraus machte.
    Erich Kästner ist alles andere als ein gewöhnlicher Kinderbuchautor: moralisch, fortschrittlich, pädagogisch, politisch - seine Lektüre für mich immer vergnüglich - Balsam für die Seele.
    Die Parole für heute heißt: Parole Kästner! Lesen Sie Kästner, lesen Sie Kästner vor und verschenken Sie Kästner. Ohne moralischen Zeigefinger.
    Denn, und da halten wir es ganz mit dem Autor selber: Es gibt nichts Gutes. Außer: Man tut es!

    Bücherliste

    Erich Kästner: Emil und die Detektive. Einband und Illustrationen von Walter Trier. Hamburg: Cecilie Dressler 1929, 172 Seiten, 9,90 Euro (ab 10)

    Erich Kästner / Marc Schubring / Wolfgang Adenberg u.a.: Emil und die Detektive - Das Musical. Musik von Marc Schubring. Nach der Buchvorlage von Erich Kästner. Text von Wolfgang Adenberg. Hamburg: Oetinger Audio 2006, 12,80 Euro (für alle)

    Erich Kästner: Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee. Einbandillustration von Walter Trier. Mit Illustrationen von Horst Lemke. Hamburg: Cecilie Dressler 1931, 160 Seiten, 9,90 Euro (ab 8)

    Erich Kästner / Otto Sander / Klaus Sonnenschein u.a.: Der 35. Mai (CD). Szenische Lesung, ca. 51 min. Text von Erich Kästner. Einbandillustration von Walter Trier. Gesprochen von Dieter Kursawe / Otto Sander / Klaus Sonnenschein. Hamburg: Oetinger Audio 2006,

    Erich Kästner: Als ich ein kleiner Junge war. Einbandgestaltung von Manfred B. Limmroth. Mit Illustrationen von Horst Lemke. Hamburg: Cecilie Dressler 1957/ 1969, 224 Seiten, 12,00 Euro (ab 10)

    Erich Kästner / Martin Held / Stephan Chrzescinski u.a.: Als ich ein kleiner Junge war (CD). Hörspiel, ca. 59 min. Text von Erich Kästner. Einbandillustration von Horst Lemke. Gesprochen von Eva Brumby / Stephan Chrzescinski / Martin Held. Hamburg: Oetinger Audio 2006, 9,95 Euro (ab 7)

    Erich Kästner/ Isabel Kreitz: Der 35. Mai. Comic von Isabel Kreitz. Nach der Buchvorlage von Erich Kästner. Einband und farbige Illustrationen von Isabel Kreitz Hamburg: Cecilie Dressler 2006, 108 Seiten, 16,90 Euro (für alle)

    Erich Kästner: Die Konferenz der Tiere. Einband und Illustrationen von Walter Trier. Hamburg: Cecilie von Dressler 1990, 112 Seiten, 9,90 Euro (ab 8)

    Erich Kästner / Claus Wunderlich / Heinz Drache u.a.: Die Konferenz der Tiere (CD). Hörspiel von James Krüss, ca. 49 min. Text von Erich Kästner. Bearbeitung von James Krüss. Gesprochen von Heinz Drache / Uwe Friedrichsen / Claus Wunderlich. Hamburg: Oetinger Audio 2006, 9,95 Euro (ab 6)

    Erich Kästner: Das fliegende Klassenzimmer. Einband und Illustrationen von Walter Trier. Hamburg: Cecilie von Dressler 1935, 176 Seiten, 9,90 Euro (ab 10)

    Erich Kästner / Heinz Schimmelpfennig / Wolfgang Reinsch u.a.: Das fliegende Klassenzimmer (CD), ca. 51 min. Text von Erich Kästner. Einbandillustration von Walter Trier. Gesprochen von Irene Marwitz / Wolfgang Reinsch / Heinz Schimmelpfennig / Ludwig Thiesen. Hamburg: Oetinger Audio 2006, 9,95 Euro (ab 7)

    Erich Kästner: Das doppelte Lottchen. Einband und Illustrationen von Walter Trier. Hamburg: Cecilie von Dressler 1949, 176 Seiten, 9,90 Euro (ab 10)

    Erich Kästner / Hans Söhnker / Ernst Stankovski u.a.: Das doppelte Lottchen (CD). Hörspiel, ca. 47 min. Text von Erich Kästner. Einbandillustration von Walter Trier. Gesprochen von Sabine Clasen / Ruth Scheerbarth / Hans Söhnker / Tina Spier / Ernst Stankovski. Hamburg: Oetinger Audio 2006, 9,95 Euro (ab 6)