Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Erkundungsteam des THW nach Colombo entsandt

Doris Simon: 14.000 Tote bis jetzt und viele tausend Verletzte, das ist die bisherige Bilanz des schweren Erdbebens in Südasien. Aber noch viel mehr Menschen, wahrscheinlich Hunderttausende, sind durch die Flutwellen obdachlos geworden. Es fehlt an vielem, vor allem an sauberem Trinkwasser, Seuchen drohen. Das Ausmaß der Katastrophe trifft die Länder von Sri Lanka bis Indonesien völlig unvorbereitet. Flutwellen sind dort ein eher seltenes Phänomen. Hilfe aus dem Ausland wird dringend gebraucht. Am Telefon ist nun Florian Weber vom Technischen Hilfswerk. Herr Weber, wie kann eine Organisation wie das Technische Hilfswerk jetzt in Südasien helfen?

Moderation: Doris Simon | 27.12.2004
    Florian Weber: Es ist so, dass gestern ein dreiköpfiges Erkundungsteam nach Colombo aufgebrochen ist, um dort die Einsatzmöglichkeiten für das Technische Hilfswerk, aber natürlich auch für andere Organisationen, die dort Hilfe leisten können, zu erkunden. Dabei geht es natürlich, wie Sie schon gesagt haben, zunächst mal um den Bereich Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung, aber natürlich auch weitergehende Maßnahmen wie Instandsetzung von Infrastruktur und Ähnliches mehr.

    Simon: Es ist ein Erkundungsteam gestartet, wie schnell können Sie denn wirklich helfen?

    Weber: Es ist so, dass es natürlich in einer solchen Lage sehr wichtig ist, fundierte Informationen vom Ausmaß der Schäden und auch konkrete Einsatzoptionen zu haben. Es nützt eben wenig, wenn sie jetzt mit großer Zahl und schwerem Equipment starten, ohne konkret zu wissen, wo und in welchem Umfang Hilfe notwendig ist. Genau aus diesem Grund ist dieses Erkundungsteam gestartet. Es handelt sich dabei um speziell ausgebildete Menschen, die in der Lage sind, auch durch ihre langjährigen Erfahrungen in Auslandseinsätzen diese Erkundungen so durchzuführen, dass wir dann ganz gezielt Hilfe leisten können.

    Simon: Das heißt, die machen sozusagen eine Liste auf, wo gesagt wird, was gebraucht wird und was nicht, welche Spezialisten nötig sind, oder wie sieht das dann aus?

    Weber: Genau so ist es, es wird zunächst mal der Kontakt hergestellt mit der deutschen Botschaft vor Ort, aber auch mit den Organisationen, die bereits vor Ort sind, um dann in Zusammenarbeit herauszufinden, welcher Bedarf wo ist.

    Simon: Sie sagten, Colombo, das ist die Hauptstadt von Sri Lanka - wonach entscheiden Sie, in welchem Land und wo Sie dort Hilfe leisten?

    Weber: Zunächst mal muss ein Hilfeersuchen der jeweiligen Regierung erfolgen, damit überhaupt Hilfe entsandt werden kann. Es ist so, dass das Technische Hilfswerk dem Bundesinnenministerium unterstellt ist, und genau so haben wir auch gestern unseren Einsatzauftrag für diese Erkundung erhalten. Wir wurden auf Ersuchen des Auswärtigen Amtes und im Auftrag des Bundesinnenministeriums tätig, um zunächst mal zu sehen, welche Hilfe benötigt wird.

    Simon: Sie fahren jetzt nach Sri Lanka. Wenn jetzt solche Ersuchen auch aus Indonesien und Thailand kommen, sind Sie auch in der Lage, auch da ähnliche Hilfe zu leisten?

    Weber: Das THW verfügt ja in der Bundesrepublik Deutschland über ein ganz großes Netz an Leuten, die in den verschiedenen Bereichen eine Ausbildung haben. Natürlich ist auch die Entsendung weiterer Teams denkbar, dazu muss ein konkretes Hilfeersuchen vorliegen, bevor diese Teams in das Katastrophengebiet starten können.

    Simon: Die Katastrophe ist ja wirklich riesig. Wie organisieren Sie vor Ort die Zusammenarbeit mit den Behörden und vor allem: Wie vermeiden Sie Überschneidungen mit anderen Hilfsorganisationen?

    Weber: Eine ganz besonders wichtige Rolle spielt dabei natürlich die Deutsche Botschaft, denn diese kann schon während das Team sich auf dem Weg in das Einsatzgebiet befindet, sich um Fahrzeuge kümmern, Kontakte herstellen auch zu anderen Organisationen. Oftmals ist es so, dass sogenannte reception desks eingerichtet werden, wo sich die Hilfsorganisationen melden können, damit genau diese Koordinierung der Hilfe stattfindet, damit man eben nicht doppeltgemoppelt in den Einsatz geht.

    Simon: Es ist im Augenblick ja gar nicht absehbar, wie lange welche Hilfe gebraucht wird. Wie planen Sie das?

    Weber: Es ist so, dass wir zunächst mal die Erkenntnisse unseres Teams vor Ort abwarten werden. Danach entscheidet sich dann auch, mit welcher Einsatzoption wir dort Hilfe leisten können. Das Einsatzspektrum von Trinkwasserversorgung bis Infrastruktur bei einem solchen Ausmaß ist mannigfaltig. Davon wird dann auch abhängen, wie schnell wir dort vor Ort sein können und auch wie lange wir letzten Endes dort bleiben.

    Simon: Für wie viele Menschen können Sie da Trinkwasserversorgung herstellen?

    Weber: Es ist so, dass wir mit mobilen Trinkwasseraufbereitungsanlagen, von denen wir über eine ganze Menge verfügen, die Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung zumindest eine zeitlang provisorisch aufrechterhalten können. Dabei können wir auch die Verteilung übernehmen. Es ist abhängig davon, wie groß der Bedarf ist. Dass THW verfügt über diverse Fachgruppen Trinkwasserversorgung, die in der ganzen Bundesrepublik stationiert sind, die im Bedarfsfall zusammengezogen werden können, um dann in das Einsatzgebiet entsandt zu werden.

    Simon: Und Sie haben auch jetzt für den Fall von mehr Anfragen genug Mitarbeiter, die Sie dann im Zweifel auch entsenden können?

    Weber: Das THW verfügt insgesamt über 76.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die eben in den verschiedenen Gebieten geschult sind, die dort immer wieder geübt haben und zum Teil auch über entsprechende Erfahrungen aus ähnlichen Einsätzen verfügen. So war ja vor genau einem Jahr ein Team des THW gefragt, als es darum ging, in der südiranischen Stadt Bam Hilfe zu leisten, nachdem auch dort ein schweres Erdbeben verheerende Schäden hinterlassen hat. Auch dort war es so, dass nach der Suche nach Überlebenden dann die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser mit diesen mobilen Anlagen gefragt war. Die Anfragen gehen dann aber auch weiter bei logistischer Unterstützung, bei der Verteilung von Lebensmitteln oder anderen Hilfsgütern.