Lange: Was genau macht es aus, dass Sie sich in der Union politisch zu Hause fühlen und nicht etwa bei SPD, Grünen oder FDP?
Demirbüken-Wegner: Ganz einfach, weil ich mir meine Partei nicht mit der Brille einer Migrantin ausgesucht habe, sondern mit der Brille einer Deutschen, die hier in dieses Land gehört.
Lange: Was heißt das?
Demirbüken-Wegner: Das bedeutet, dass mich primär nicht die Integration- und Ausländerpolitik bei meiner Entscheidung beeinflusst hat, sondern Werte wie Familien-, Innen- und Sicherheitspolitik.
Lange: Die Union sieht die Integration vor allem als eine Verpflichtung an die Adresse von Einwanderern, die hier leben wollen. Sie werden aus eigener Erfahrung wissen, dass die Integration von Seiten der deutschen Mehrheitsbevölkerung eigentlich lange Zeit gar nicht so recht gewollt war. Ist diese Diskussion in der Union nicht ein wenig unredlich?
Demirbüken-Wegner: Die Diskussion hört sich vielleicht in der Öffentlichkeit unredlich an, aber die Diskussion haben wir in der Union seit knapp zehn Jahren und wir haben dazu auch sehr viele Konzepte entwickelt und da ist eigentlich eine sehr klare Sprache, die auf der einen Seite den deutschen Staat, die Regierung verpflichtet und auf der anderen Seite die Migranten, denn dazu gehören bei diesen Integrationsmaßnahmen beide Seiten.
Lange: Sehen Sie jetzt eine spezielle Rolle in Ihrer neuen Funktion im CDU-Bundesvorstand?
Demirbüken-Wegner: Ich werde keine spezielle Rolle haben, ich werde nur eine Stimme mehr im Bundesvorstand sein, die auch auf die Vielfalt der Gesellschaft und auf die Bedürfnisse eingehen wird.
Lange: Das heißt, wenn Sie angesprochen werden, als diejenige, die jetzt für die Integration zuständig wäre, das würde Sie eher verärgern?
Demirbüken-Wegner: Wenn es mich nur auf dieses eine Thema reduzieren sollte, dann würde es mich ärgern.
Lange: Integration bei Wahrung kultureller Eigenheiten, wo beginnt das für Sie und wo hört das auf?
Demirbüken-Wegner: Ich denke, es ist sehr wichtig. Jeder Mensch hat seine eigene Kultur aus dem Heimatland mitgebracht, gefährlich wird es nur, wenn das gepaart ist mit Tradition, die mit bildungsfernen Schichten zu tun hat. Da müssen wir Grenzen setzen. Ansonsten ist die kulturelle Vielfalt eine Bereicherung für die Gesellschaft.
Lange: Das heißt, Sie liegen da mit Angela Merkel auf einer Linie?
Demirbüken-Wegner: Ja, selbstverständlich.
Lange: Wenn nun in der CDU wieder mit diesem Schlagwort "Leitkultur" operiert wird, verstehen Sie das Unbehagen derer, die darin in erster Linie Abgrenzung sehen und eben nicht Integration?
Demirbüken-Wegner: Wenn die Öffentlichkeit unsere Inhalte und Konzepte zur Leitkultur kennen würde, dann würde man auch in der Öffentlichkeit eine andere Sprache sprechen. Es ist nicht so, wie es von Ihnen erwähnt worden ist. Unter Leitkultur versteht man auch und vor allem universelle Werte, wie Gerechtigkeit, Solidarität, Freiheit, Gleichheit von Mann und Frau, Pluralismus, Demokratie, Erlernung der deutschen Sprache und das sind alles tolle Werte.
Lange: Aber würde es nicht ausreichen zu sagen, jeder Mensch hat die Menschenrechte zu respektieren und damit basta?
Demirbüken-Wegner: Das ist schon ein Schlagwort geworden. Ich denke, darüber hinaus müssen Worte auch mit Inhalten gefüllt werden und die füllen wir eigentlich auch, nur haben wir es vielleicht nicht geschafft, es nach Außen hin zu transportieren, wie es sein müsste.
Lange: Was wollen Sie dazu tun, dass es anders wird?
Demirbüken-Wegner: Was soll ich tun? Ich werde selbstverständlich unsere Inhalte, die wir insbesondere seit 99 in den eigenen Reihen prägen mit ganz vielen Inhalten stopfen, die werde ich versuchen mit Hilfe der Medienvertreter nach Außen hin zu transportieren.
Lange: Fühlen Sie sich denn als gute Patriotin in dem Sinne, in dem das Ihr Generalsekretär Laurenz Meyer formuliert hat?
Demirbüken-Wegner: Ich denke, in Deutschland würde es jeden Menschen unabhängig von der Herkunft gut tun, einen gesunden Patriotismus zu entwickeln, das habe ich vor zehn Jahren schon gesagt und das sage ich heute auch. Ein bisschen Vaterlandsliebe schadet keinem, weder einem Deutschen, noch einem Migranten, der schon längst hier mit Kopf, Beinen und Seele angekommen ist.
Lange: Aber woran machen Sie das fest, daran, dass man das immer nur sagt?
Demirbüken-Wegner: Nein, nicht dadurch, dass man das sagt. Ich finde das so, wie das unser Landeschef Herr Zeller aus Berlin formuliert hat, sehr gut, dass er zum Beispiel gesagt hat, dass die Nation und das Selbstverständnis der Deutschen sich auch noch mal entwickeln müsste. Wenn wir an einem Punkt sind, wo sich das Selbstverständnis der Deutschen zu einem gesunden Patriotismus gut entwickelt, wird das auch den Menschen, die mit Migrationshintergrund hier leben, nicht mehr die Auseinandersetzung zum Patriotismus erschweren.
Lange: Ihre Parteivorsitzende Frau Merkel ist gegen den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Gestern hat sie noch einmal betont, ein Europa mit einem Vollmitglied Türkei werde nicht das Europa einer vertieften Integration sein. Das sehen Sie anders. Wie kommen Sie damit klar in Ihrer Partei?
Demirbüken-Wegner: Man kann immer unterschiedlicher Meinung sein. Letztendlich leben die Parteien, insbesondere auch Volksparteien wie wir von der Meinungsvielfalt und Meinungsverschiedenheit, wenn wir ständig nur eine Richtung und eine Linie hätten, würde das für unsere Partei eine Stagnation bedeuten. Das macht auch unsere Kraft aus, Kontroverse kann und muss unsere Partei aushalten.
Lange: Aber für Sie ist das doch sicherlich eine zentrale Frage, über die man nicht so einfach hinweggehen kann?
Demirbüken-Wegner: Ich werde mich überall einbringen, wo ich selbstverständlich eine andere Meinung habe, aber darüber hinaus auch die gleiche Meinung habe. Ich werde über nichts hinwegsehen.
Lange: Sie kennen die CDU von Innen, warum tut sich die Union so schwer mit der Türkei?
Demirbüken-Wegner: Ich denke, wir brauchen ein bisschen mehr Zeit, um die Menschen auf diesem Weg mit zu nehmen.
Lange: Das heißt, dass Sie glauben, dass Sie die CDU-Vorsitzende längerfristig überzeugen können, dass die Vollmitgliedschaft der Türkei doch ein sinnvolles Projekt ist?
Demirbüken-Wegner: Ich denke, meine Wenigkeit wird dafür nicht ausreichen. Es sind Gott sei Dank auch noch andere, wenn auch wenige Stimmen in der Partei, die der gleichen Meinung sind und da braucht man Zeit. Jede Sache, die eine Minderheit ist, braucht seine Zeit und das betrifft nicht nur die Türkei-EU-Frage, das gilt genauso für andere Sachthemen.
Lange: Das war Ermine Demirbüken-Wegner, Deutsch-Türkin und neuerdings im CDU-Bundesvorstand, vielen Dank für das Gespräch.