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Ermittlungen gegen spanisches Netzwerk
Journalisten sollen Falschinfos verbreitet haben

Dass Investigativrecherchen sich auf Polizeiquellen stützen, ist nicht ungewöhnlich. In Spanien ermittelt die Justiz nun aber gegen Journalisten, die Falschinformationen über die Partei Podemos ungeprüft von Polizisten übernommen haben sollen. Dahinter steckt möglicherweise ein kriminelles Netzwerk.

Von Hans-Günter Kellner | 17.04.2019
Pablo Iglesias, Chef der spanischen Partei Podemos, spricht mit der Presse, nachdem er sich 2016 im Parlament in Madrid gegen Vorwürfe der illegalen Parteienfinanzierung aus Venezuela verteidigt hat.
Schon 2016 wehrte sich Podemos-Chef Pablo Iglesias gegen Vorwürfe der illegalen Parteienfinanzierung aus Venezuela. (picture alliance / dpa)
Es ist wieder einmal ein Gesprächsmitschnitt, der in Spanien dieser Tage für Aufregung sorgt. Die geheime Aufnahme soll dokumentieren, wie ein spanischer Polizeibeamter versucht, einen ehemaligen Regierungspolitiker Venezuelas zu einer Falschaussage über die Finanzierung der linkspopulistischen Partei Podemos zu verleiten.
Er spreche im Auftrag des spanischen Innenministers und im Auftrag von Regierungschef Rajoy, erklärt ein Polizist dem Ex-Minister aus Venezuela in der Aufnahme und bietet ihm und anderen Politikern eine neue Identität in Spanien an.
Konstruierte Hinweise sollten Protestpartei schaden
Tatsächlich hat eine Reihe spanischer Medien immer wieder behauptet, Podemos habe sich mit Geld aus Venezuela und dem Iran finanziert. Jetzt stellt sich heraus: Ihre Quelle waren Polizeibeamte, die Hinweise konstruiert. Spaniens Justiz hat die vermeintlichen Beweise aber ohnehin stets als unzureichend abgelehnt. Podemos-Chef Pablo Iglesias platzte dieser Tage im Livegespräch mit dem TV-Sender La Sexta der Kragen:
"Diese gefälschten Beweismittel waren die Aufmacher in Nachrichten und Zeitungen. Falsche Informationen, angefertigt von einer Gruppe Polizeibeamter. Das ist nicht deshalb so schwerwiegend, weil es Podemos betrifft. Wenn der Einfluss von Mächtigen in Wirtschaft und Politik bei den Medien so groß ist, dass sie falsche Informationen verbreiten, um Wahlen zu beeinflussen, hat nicht Podemos ein Problem, sondern die spanische Demokratie."
Hochrangiger Kommissar soll Infos geliefert haben
Den bisherigen Ermittlungen der Justiz zufolge soll der hochrangige Kommissar José Manuel Villarejo Onlineportalen fadenscheinige Hinweise geliefert haben, wonach Podemos aus Venezuela quasi ferngesteuert sei. Die beteiligten Journalisten verbreiteten diese Hypothesen zudem auch in den Talkshows von La Sexta, in denen manche von ihnen Stammgäste sind.
Auch Miguel Mora ist Journalist, hat nach über 20 Jahren bei der Tageszeitung "El País" das Onlinemagazin "Contexto" gegründet. Er hält Informanten bei der Polizei in der investigativen Berichterstattung zwar für nützlich, doch er findet auch:
"Man muss diese Informationen auch überprüfen. Ich denke, das ist nie geschehen. Da haben skrupellose Journalisten einfach alles veröffentlicht, was sie bekommen haben, ohne zu hinterfragen, ob die Informationen stimmen, ob sie vollständig sind, warum sie diese Information durchgesteckt bekommen - und vor allem, sie haben nie mit den Betroffenen gesprochen."
Justiz ermittelt gegen Polizisten und Journalisten
Ein Untersuchungsrichter ermittelt inzwischen gegen ein ganzes Netzwerk aus Journalisten und Polizeibeamten in Spanien, dessen Kopf Kommissar Villarejo sein soll. Mora kritisiert insbesondere auch die Infotainment-Programme und Talkshows im Privatfernsehen, die mit ihren hohen Einschaltquoten aus der politischen Information einen regelrechten Zirkus gemacht hätten, in dem die Wahrheit kaum noch eine Rolle spiele:
"Ehrliche Journalisten sollten sich an solchen Talkrunden nicht beteiligen. Dort werden diese Leute legitimiert, die Teil dieser mafiösen Strukturen sind. Dass Sender wie La Sexta ihnen bis heute als Plattform dienen, liegt an Antonio Ferreras."
Netzwerk möglicherweise auch gegen Separatisten aktiv
Die Rede ist vom Chefredakteur des Fernsehsenders La Sexta, dem Podemos-Chef Pablo Iglesias live so heftige Vorwürfe gemacht hat. Doch Mora betont, es gehe um weit mehr als um Podemos. Das Netzwerk habe auch gegen katalanische Separatisten gearbeitet und sich in den Dienst einer Großbank gestellt. Inzwischen stellt sich auch die Frage, was die Politik von diesen Aktivitäten wusste. In Spanien ist von "den Kloaken des Staats" die Rede:
"Da ging es nicht darum, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern um Macht. Auch um die Möglichkeit, Betroffene zu erpressen. Es wäre auch wichtig, dass das Parlament jenseits von strafrechtlich relevanten Fragen untersucht, welche Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte, Journalisten, Politiker und auch Unternehmer involviert waren."
Zudem gehört für Mora auch der investigative Journalismus in Spanien auf den Prüfstand. Die Presse hat in Spanien viele große Skandale aufgedeckt, zuletzt die Korruption bei der konservativen Volkspartei. Doch Mora fragt sich, ob nicht zu oft von interessierten Quellen durchgesteckte Informationen einfach ungeprüft veröffentlicht worden sind.