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Ermuntern statt ermahnen

In vielen Familien kommt es tagtäglich zum Kleinkrieg bei den Hausaufgaben. Wie kommen wir da raus, fragen sich viele Eltern? Jetzt bekommen sie Hilfe von Wissenschaftlern. Psychologen haben herausgefunden, wie der Krach um die Hausaufgaben entstehen kann und wie Familien ihn vermeiden können. In so genannten Elterntrainings soll Lernlust entstehen statt Lernfrust.

Von Solveig Bader | 18.11.2006
    In einem Seminarraum an der Universität Bielefeld haben sechs Mütter die Schulbank gedrückt. Einmal die Woche - und das insgesamt neun Wochen lang - haben sie gelernt, wie sie ihren Kindern am besten bei den Hausaufgaben helfen können. Denn zuhause gab es deshalb nur Stress, erzählen Eva Mühlenhoff und Cornelia Strackerhahn:

    "Sie hatte einfach keine Lust anzufangen und ich musste immer wieder drängeln und bitten oder böse werden und sagen: Jetzt mach aber mal, du willst um 16 Uhr zum Turnen, zu einer Freundin und bevor du deine Hausaufgaben nicht hast, kommst du nicht aus dem Haus. Und dann gab es natürlich auch wieder Streit oder Tränen."

    "Es ist zwischendurch auch richtig Zunder entstanden bei Situationen, wenn ich dann gar nicht wollte und sie dann irgendwann resigniert hat, ihre ganzen Klamotten auf den Schreibtisch geschmissen hat oder durch die Küche, kommt drauf an, wo wir saßen und es dann auch Tränen und Schreierei gegeben hat. "

    Wenn Kinder nicht die Leistungen bringen, die von ihnen erwartet werden, fühlen sich viele Eltern hilflos. Statt sie zum selbstständigen Arbeiten zu erziehen, mischen sie sich ein, lösen häufig sogar die Aufgaben für ihre Kinder. Damit erreichen sie natürlich das Gegenteil. Eltern sollten nicht immer nur das Ergebnis oder die Lösung im Blick haben, sondern den Lösungsweg, sagt Diplompsychologin Anita Siegmund. Sie hat das Elterntraining an der Uni Bielefeld mitentwickelt.

    "Das heißt, dass Eltern versuchen sollten, ihre Kinder dazu anzuregen, bestimmte Lernstrategien zu verwenden. Zum Beispiel wenn komplizierte Texte als Hausaufgabe gegeben
    sind, dann zu unterstreichen oder schwierige Worte im Wörterbuch nachzugucken. Solche Dinge, die eigentlich selbstverständlich sind, aber für Kinder sind das schwierige Dinge und sie kommen mit Texten von vornherein nicht klar, und da sollten Eltern zum Beispiel die Kinder unterstützen, solche Hilfsmittel, solche Lernstrategien anzuwenden."
    Vater oder Mutter sollten sich bei den Hausaufgaben weitestgehend raushalten, damit die Kinder selbständig werden. Formulierungen wie "die richtige Antwort ist" oder "das musst du so machen" entmutigen Kinder eher. Besser ist es, sie beim selbständigen Lösen von Aufgaben zu ermuntern und zu unterstützen. Das stärkt auch das Selbstvertrauen des Kindes, sagt Trainerin Monika Rammert. Beim Elterntraining haben die Mütter erfahren, wie sich Kinder bei den Hausaufgaben fühlen können. Und das geht am besten in Rollenspielen, in denen typische Alltagssituationen nachgestellt werden,

    "Wir haben zum Beispiel ein Rollenspiel gemacht, wo die Mutter im Grunde in einer ähnlichen Situation ist wie das Kind, nämlich von ihrem Partner das Einparken beigebracht bekommt und haben dann die Rollenanweisungen gegeben. Ein Partner, der sich sehr geduldig, sehr zugewandt verhalten hat, sehr unterstützend und der andere, der sehr kontrollierend war.
    Und die Eltern haben beschrieben, wie sie sich gefühlt haben als Kind, als der Partner, der ganz kontrollierend war und sich fast schon aggressiv fühlte und durch solche praktischen Anwendungen kann man am eigenen Leib erfahren: Wie fühlt sich das jetzt für das Kind an?"

    Cornelia Strackerjahn kann sich nach dem Rollenspiel gut in ihre Tochter hineinversetzen:

    "Es ist wirklich nicht einfach. Ich denke, wenn man älter, erwachsen wird, dann vergisst man das einfach, wie es ist, Kind zu sein. Wir haben uns auch durch die Rollenspiele in die Situation der Kinder hineinversetzt, zum Beispiel einen Text mussten wir auseinander pflücken und haben das wirklich versucht, anhand von Lernstrategien rauszubekommen, und wussten somit auch: Mensch, wie geht das dann, wenn die Kinder gar nicht wissen: was ist a, b, c, d oder 6 mal 6?"

    Kinder können besonders motiviert werden, wenn man ihre Bedürfnisse berücksichtigt. In Gesprächen haben die Mütter beim Hausaufgabentraining herausbekommen: Manche Kinder wollen erst Mittag essen, spielen, toben und dann mit den Schularbeiten beginnen. Andere bringen lieber vorher die Pflicht hinter sich. Einige lösen am liebsten erst die kniffeligen Aufgaben, andere fangen gerne mit leichten Aufgaben an. Eltern sollten also gemeinsam mit ihren Kindern planen. Dabei kann eine Wochenübersicht helfen, in der Termine für Tests oder Hausaufgabenüberprüfungen eingetragen werden. In jedem Fall sollte ein fester Zeitpunkt für die Hausaufgaben festgelegt werden.

    Cornelia Strackerjahn plant ihre Nachmittage jetzt anders als bisher. Weniger Termine und Hektik machen auch sie gelassener:

    "Ich versuche erst mal bei mir selber anzufangen, dass ich viel entspannter und ruhiger dran gehe. Das Kind kommt jetzt von der Schule, dass ich selber locker bin und wenn ich lockerer bin, dann artet das auch nicht so schnell in irgendwelche Kampfsituationen aus."

    Eva Mühlenbeck hat feste Regeln für Hausaufgaben eingeführt:

    "Es ist auch eine wichtige Sache, wie der Arbeitsplatz des Kindes gestaltet ist. Es soll ziemlich aufgeräumt sein und vor allen Dingen muss auch die Hausaufgabenzeit ohne Unterbrechungen stattfinden. Sprich, keine Telefonanrufe von Freundinnen möglichst, von der Familie selber keine Unterbrechungen, sprich durch kleinere Geschwister oder was da sonst noch so stören könnte."
    Und wenn es doch mal wieder kracht, sagt sich Eva Mühlenhoff: "Hausaufgaben sind nicht meine Sache, sondern Angelegenheit meiner Tochter" - und mischt sich weniger ein.

    "Erst mal die Ruhe bewahren, weil ich immer dazu geneigt war, schnell böse und aggressiv zu werden und innerlich kochte, und dass man dann einfach mal rausgeht aus dem Raum, das Kind alleine lässt und dann nur kommt, wenn man gebraucht wird. Wenn das Kind wirklich ruft: Mama, ich komm nicht weiter, kannst du mir helfen! Also so viel Hilfe wie nötig und so wenig wie möglich."