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Ernährungsökologie

Die Vermeidung von Krankheiten, zusätzliche Nährstoffe und Vitamine, darum geht es meist, wenn von gesunder Ernährung die Rede ist. An der Universität Gie-ßen können die Studierenden künftig auch lernen, wie sich unsere Ernährung auf die Gesundheit der Umwelt auswirkt. Das Fachgebiet nennt sich Ernährungsökolo-gie, die Inhaberin des ersten Lehrstuhls in Deutschland für dieses Gebiet, die Pro-fessorin Ingrid Hoffmann, hat jetzt ihr Programm vorgestellt.

Yvonne Mabille |
    Wenn wir Untersuchungen nehmen von Jugendlichen, die sagen, was sie später an Ernährung machen möchten, wenn wir das zugrundelegen, nämlich dass etwa die Hälfte der Jugendlichen in ihrem späteren Leben gerne eine fleischarme Ernäh-rung machen würde und 16 Prozent eine vegetarische Ernährung und davon aus-gehen, dass sie das wirklich tun, dann würde das bedeuten, dass 28 Prozent der CO2-Äquivalente eingespart würden, die für die Lebensmittelerzeugung aufgewen-det oder entstehen...

    ...sagt Ingrid Hoffmann, Ernährungswissenschaftlerin und neue Professorin an der Universität Gießen.

    Um die großen Zusammenhänge soll es am neuen Lehrstuhl für Ernährungsökolo-gie gehen. Die Professur ist noch befristet. Sie wird sechs Jahre lang von der Eden Stiftung, die in diesem Jahr ihr 40jähriges Bestehen feiert und zwei weiteren Stif-tungen getragen.

    Der Blick aufs Ganze ist in Ernährungsfragen gerade nicht die Regel. Die Nah-rungsmittelindustrie und Forschung werben derzeit mit Lebensmitteln, die künftig angeblich noch gesünder sein sollen: Weil ihre gesundheitsfördernden Bestandtei-le erhöht wurden. Stichwort "functional food". Die Ernährungsökologie orientiert sich anders. Ingrid Hoffmann:

    Üblicherweise, wenn man ein vielschichtiges, ein sehr komplexes Thema hat, geht man so vor, dass man das in Einzelteile unterteilt und sich die Einzelteile anschaut und davon ausgeht, dass man diese Teile wieder zusammenfügen kann oder die Ergebnisse davon und dann Aussagen über das Ganze machen kann. Das ist der reduktionistische Ansatz und dieser Ansatz wurde und wird traditionell auch in den Ernährungswissenschaften angewandt.

    Die Kost wird weiter unterteilt in Lebensmittelgruppen, in einzelne Lebensmittel, in die Nahrungsbestandteile. Auf der Seite der Gesundheit werden Systeme oder Komponenten untersucht. Z.B. das Herzkreislauf-System, die Arterien:

    Wenn wir ausschließlich auf der Ebene der Nahrungsbestandteile bleiben und da auch nur eine bestimmte Auswahl anschauen, kommen wir natürlich zu einer ganz anderen Schlussfolgerung, als wenn wir die Kost als Ganzes betrachten, d.h. dieser reduktionistische Ansatz kann uns nicht all das widerspiegeln, was die Wechselwir-kungen einer Kost ausmachen, dazu müssen wir halt das Ganze betrachten.

    Und eben nicht nur die Wirkung unserer Essgewohnheiten auf die Gesundheit und Umwelt, sondern auch auf die Gesellschaft. So kann ein- und dieselbe Produkti-onsweise in verschiedenen Gesellschaften ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Ingrid Hoffmann:

    In den OECD-Ländern werden 75 Prozent der Agrochemikalien verwendet. In den Entwicklungsländern sind es 25 Prozent. Wenn wir schauen, wieviel Menschen sterben durch Vergiftung an Pestiziden, dann haben wir in den OECD-Ländern 1 Prozent und in den Entwicklungsländern 99 Prozent. Das hat auch Hintergründe von dem Wissen, vom Klima her, wie auch Dinge eingeschätzt werden - also ge-sellschaftliche Aspekte, wir haben die Umweltaspekte, Wirkung auf die Gesundheit. Und das Ganze im Zusammenhang mit der Erzeugung von Lebensmitteln.